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Das Duo für die Sehnsucht nach etwas TV-Harmonie in einem Meer von Verbrechen und realem Irrsinn. Die Kölner „Tatort“-Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) und Freddy Schenk (Dietmar Bär).

© dpa / Martin Valentin Menke/WDR/Bavara Fiction/dpa

Der Jubiläums-„Tatort“ aus Köln: Zwei Kommissare auf Augenhöhe mit dem Publikum

Seit 25 Jahren sind Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär die Normalo-Kommissare in der ARD-Krimi-Reihe.

Der Zuhälter rennt weg, Freddy Schenk stöhnt, er sei „zu alt für den Scheiß“. Dabei war Schenk in Wahrheit immer schon viel zu unbeweglich, um Verdächtige ausdauernd durch die Kölner Straßen zu jagen. Im aktuellen Fall „Spur des Blutes“ haben Kommissar Schenk und sein Kollege Max Ballauf bei der Verfolgung flüchtender Personen aber gleich zwei Mal das bessere Ende für sich. „Hase und Igel“, grinst Schenk, nachdem ihm Ballauf den Verdächtigen in die Arme getrieben hat. Kölner Teamarbeit, das passt zum Jubiläum.

25 Jahre zuvor trug Freddy Schenk noch Cowboystiefel und paffte Zigarren, auch im Büro. Max Ballauf hopste mühelos über Hindernisse und war mit „beständigem Blitzen in den Augen“, so die damalige WDR-Rollenbeschreibung, ein durchtrainierter Single und Frauenschwarm. Sekretärin Lissy Pütz, gespielt von der Newcomerin Anna Loos, baggerte den neuen Kölner Kommissariatsleiter denn auch ziemlich offensiv an. Allerdings ohne Erfolg.

Im Oktober 1997 war das, Helmut Kohl war Bundeskanzler, das erste flächendeckende Mobilfunknetz in Deutschland gerade mal fünf Jahre alt und der 1. FC Köln hatte wenige Tage zuvor Trainer Peter Neururer entlassen. Am Ende der Saison stieg der „Effzeh“ das erste Mal aus der Fußball-Bundesliga ab, während in Köln mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär zwei gebürtige Westfalen einen vielversprechenden Einstand als frisches, neues „Tatort“-Duo im Rheinland feierten.

Von den aktuellen Kommissarinnen und Kommissaren waren zu dieser Zeit lediglich Lena Odenthal in Ludwigshafen (seit 1989) und die Münchener Batic und Leitmayr (seit 1991) bereits im Dienst. Behrendt alias Ballauf hatte zuvor (ab 1992) mehrere Einsätze als Assistent des Düsseldorfer Kommissars Bernd Flemming (Martin Lüttge) absolviert.

Im Geschichtsbuch der ARD-Krimireihe verewigt

25 Jahre nach der Premierenfolge „Willkommen in Köln“ gehören Ballauf und Schenk zum gealterten, aber grundsoliden Inventar der populären ARD-Krimireihe. Ein reines Männer-Team würde man heute eher nicht mehr installieren und für raffinierte Kriminalfilme steht Köln nun auch nicht gerade.

Mit der Folge „Franziska“ (2014), die als erste „Tatort“-Folge aus Jugendschutzgründen erst ab 22 Uhr ausgestrahlt wurde, und zahlreichen sozialkritischen Episoden hat sich Köln jedoch im Geschichtsbuch der ARD-Krimireihe verewigt. Wobei die eindrucksvollsten Folgen auch schon eine Weile her sind. In „Bildersturm“ (1998) wurden deutsche Kriegsverbrechen und die Auseinandersetzung um die Wehrmachtsausstellung thematisiert.

Nach den Dreharbeiten im Herbst 1997 auf den Philippinen für die Folge „Manila“ über Kindesmissbrauch und Sex-Tourismus gründete das Filmteam einen gemeinnützigen Verein, der bis heute Hilfsprojekte für Straßenkinder oder zuletzt auch für geflüchtete Kinder aus der Ukraine initiiert. Und 2005 sichtete der Menschenrechtsausschuss des Bundestags die Folge „Minenspiel“, um sich über das Thema Landminen zu informieren.

Man nimmt ihnen die ehrliche Anteilnahme ab

Das wichtigste Kapital von Ballauf und Schenk ist wohl, dass man ihnen – und auch den Darstellern Behrendt und Bär – die ehrliche Anteilnahme abnimmt. Jedenfalls kommen die beiden beim Publikum bis heute gut an, vier der letzten zehn Fälle wurden von mehr als zehn Millionen Menschen eingeschaltet. „Wir als WDR haben mit Ballauf und Schenk noch eine Menge vor“, sagt denn auch WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn.

Von Seiten des Senders wünsche er sich, „dass der 25. nicht der letzte Geburtstag des ,Tatort‘ Köln ist, den wir zusammen feiern“. Über die Laufzeiten der Verträge mit Behrendt und Bär gibt es keine Angaben, aber ein „Tatort“-Team, das regelmäßig beim jüngeren Publikum (14- bis 49-Jährige) mehr als 20 Prozent Marktanteil einfährt, muss schon ziemlich viel falsch machen, um in der ARD umstritten zu sein.

In der Jubiläumsfolge rückt  die relativ neue Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) in den Fokus. Die Kriminaltechnikerin muss im Einsatz sogar zur Waffe greifen.
In der Jubiläumsfolge rückt  die relativ neue Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) in den Fokus. Die Kriminaltechnikerin muss im Einsatz sogar zur Waffe greifen.

© WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke

Auch die Darsteller scheinen noch Lust zu haben. Behrendt wünscht sich, „weiter mit guten Leuten gute Arbeit machen zu dürfen“. Wie lange es das Team noch geben werde, „hängt ganz stark vom Publikum ab“. Und Bär hofft darauf, „dass uns die Leute treu bleiben und wir immer noch einen Stamm von Publikum haben, die das gerne haben, dass wir dreimal im Jahr mit einer neuen Geschichte auftauchen“.

Bär offenbarte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass er „teilweise große Schwierigkeiten“ mit „diesen Experimental-,Tatorten‘“ habe – ohne genau zu erläutern, wen er damit meinte. Der Kölner „Tatort“ stehe dagegen für den Mainstream, „aber ist das schlimm? Wir haben unsere Grundfarbe gefunden und gehalten“, sagte er.

So ist es wohl: Ballauf und Schenk sind im „Tatort“-Reich die Normalos ohne extreme Eigenschaften. Positiv formuliert: Kommissare auf Augenhöhe mit dem Publikum. Melancholischer Einzelgänger (Ballauf) der eine, bodenständiger Familienmensch (Schenk) der andere, weder besonders witzig wie die Quoten-Könige aus Münster noch besonders durchgeknallt wie der Dortmunder Kommissar Faber.

Zwei Freunde also, die sich zum Feierabend-Kölsch an der Bratwurstbude verabreden und ein Stück Stabilität am Sonntagabend liefern. Ein Duo für die Sehnsucht nach etwas TV-Harmonie in einem Meer von Verbrechen und realem Irrsinn. Längst ist es unvorstellbar, dass sich Freddy und Max entzweien, auch wenn sie mitunter streiten und die Bratwurstbude schon zur Attraktion im Freilichtmuseum Kommern wurde.

Pension – und Fernseharchiv – rücken dennoch näher, Behrendt ist 62, Bär 61 Jahre alt. Die lange Dienstzeit hat Spuren hinterlassen, was eigentlich nicht betont werden müsste. Aber angesichts des brutalen Mords an einer jungen, drogenabhängigen Prostituierten sackt Freddy Schenk, Vater zweier Töchter, förmlich in sich zusammen. „Da macht man das so viele Jahre, und manchmal greift einen das doch noch an“, sagt er in „Spur des Blutes“.

Bemerkenswert an der Jubiläumsfolge ist, dass nicht die Herren Kommissare, sondern die relativ neue Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) in den Fokus rückt. Die junge Kriminaltechnikerin verhält sich bei der Auswertung der DNA-Proben vom Tatort eigenartig und gerät darüber mit Ballauf in Streit.

Ein für den Anlass würdiger Gast ist außerdem der österreichische Kabarettist und Schauspieler Josef Hader (60), noch so ein alter Hase. Dafür feierte mit der 1977 geborenen Tini Tüllmann („Freddy/Eddy“) eine relativ unerfahrene Regisseurin ihr „Tatort“-Debüt.

Dass eine Frau diese Schlüsselposition übernehmen darf, ist beim Kölner „Tatort“ überhaupt erst seit einigen Jahren üblich. Bis 2019 war dies bei gerade mal acht von 75 Episoden der Fall. Bei den letzten zehn Filmen saßen dagegen fünf Männer und fünf Frauen auf dem Regiestuhl. Nicht einmal in Köln bleibt alles, wie es ist. „Tatort – Spur des Blutes“, ARD, Sonntag 23. Oktober um 20 Uhr 15

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