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Trump oder Biden, Republikaner oder Demokraten? Die Spaltung geht in den USA sogar durch die Familien, so wie bei Ingo Zamperonis amerikanischer Ehefrau Jiffer und seinem Schwiegervater Paul (links).

© NDR/Martin Kobold

Die US-Zwischenwahlen im TV: „Keine Politik bei Feiern“

Warum sich Ingo Zamperonis angeheiratete US-Familien nicht an diese Empfehlung halten. Eine Reportage vor den Zwischenwahlen in Amerika.

Wenn es schlecht läuft bei den Midterms, den Zwischenwahlen in den USA am 8. November, dann verliert die Partei der Demokraten von US-Präsident Joe Biden die Mehrheit im Kongress. Wenn es noch schlechter läuft für Amerika, dann tritt Ex-Präsident Donald Trump 2024 erneut an und gewinnt.

Doch egal, wie die Midterms oder die Wahlen in zwei Jahren ausfallen, die von Trump vertiefte Spaltung des Landes wird länger anhalten als zwei Amtsperioden eines US-Präsidenten, diesen Eindruck gewinnt man nach Ingo Zamperonis sehenswerter Reportage „Trump, Biden, meine US-Familie und ich“, die das Erste an diesem Montagabend zur Prime Time ausstrahlt.

Dreh- und Angelpunkt der sehr persönlichen Recherche des „Tagesthemen“-Moderators über den Zustand der US-Gesellschaft ist die Familie, in die er durch seine US-amerikanische Ehefrau Jiffer eingeheiratet hat. Genau genommen sind es sogar zwei Familien, denn der Zuschauer lernt nicht nur den Zweig von Zamperonis Schwiegervater Paul bei einer Feier in einem Farmhaus in Montana kennen – idyllisch gelegen an einem kleinen See, umgeben von Feldern und im Hintergrund die Rocky Mountains. Ingo Zamperoni besucht auch die Familie von Jiffers Stiefvater Greg in New Orleans, der nicht nur eine andere Hautfarbe hat, sondern auch einer ganz anderen gesellschaftlichen Schicht angehört.

Gemeinsam ist den beiden Familien allerdings die Offenheit, mit der sie vor der Kamera mit ihren politischen Ansichten nicht hinterm Berg halten, selbst bei gemeinsamen Feiern. Dabei wurde den Amerikanern im vergangenen Herbst in TV-Werbespots empfohlen: „Sprecht nicht über Politik zu Thanksgiving oder an Weihnachten“, wie Paul seinem deutschen Verwandten erzählt in dem Film von Ingo Zamperoni und Birgit Wärnke.

Mit gutem Grund, denn die Spaltung geht seit – oder wegen - Trump durch die Familien selbst. Schwiegervater Paul ist überzeugter Republikaner, zum Missfallen seiner Töchter Deborah und Jiffer. Was würde passieren, würde er Trump 2024 wiederwählen, sollte er erneut antreten?, wird gefragt. „Ich glaube, unserer Wirtschaft ginge es viel besser, die Lage an der Grenze wäre besser“, sagt Pauls Ehefrau und er ergänzt „Die Inflation wäre niedriger, weniger Kriminalität“.

Amerika steht gerade erst am Anfang einer sehr schwierigen und dunklen Zeit.

Ingo Zamperonis Ehefrau Jiffer

Die Töchter Jiffer und Deborah schweigen dazu, schließlich sehen sie sich gerade das erste Mal seit zwei Jahren wieder. Später wird auch Jiffer deutlicher. Zamperonis Ehefrau befürchtet, dass sich Amerika gerade erst am Anfang einer sehr schwierigen und dunklen Zeit befindet. Sie begründet dies mit Trumps schädlicher Persönlichkeit, die weiterhin nachwirkt. „Die Leute glauben, dass sie bestimmte Normen und Regeln einfach missachten können.“

Für Paul ist die demokratische Präsidentschaft eine vorübergehende Erscheinung. „Biden führt dieses Land nicht, dieses Land wird von einem Haufen Idioten regiert“, sagt Zamperonis Schwiegervater. Allerdings hofft er, dass Trump, den er ebenfalls für einen Idioten hält, nicht wieder antritt. Aber selbst dann würde er die Republikaner wählen.

Greg ist der Stiefvater von Ingo Zamperonis Ehefrau Jiffer. Er zeigt dem „Tagesthemen“-Moderator, wie es in den Armenvierteln von New Orleans auch 17 Jahre nach Katrina noch immer aussieht.
Greg ist der Stiefvater von Ingo Zamperonis Ehefrau Jiffer. Er zeigt dem „Tagesthemen“-Moderator, wie es in den Armenvierteln von New Orleans auch 17 Jahre nach Katrina noch immer aussieht.

© NDR/Martin Kobold

Jiffers Stiefvater Greg trifft Zamperoni in New Orleans, dort bei einem Familientreffen im schmalen Gang zwischen zwei Reihenhäusern. Er hat selbst erfahren, was Rassentrennung bedeutet, ist in einem der Armenviertel aufgewachsen, die dem Wirbelsturm Katrina hilflos ausgesetzt waren. Greg ängstigt, dass Trump mit seiner rassistischen und spaltenden Politik so viele Amerikaner angesprochen hat. „Ich dachte immer, die Demokratie sei gefestigt. Aber das ist sie nicht.“

Zamperonis setzt damit eine Reportage von 2020 fort

Vor zwei Jahren hatte sich Zamperoni auf eine ähnliche Reise begeben, damals unter dem Titel „Trump, meine amerikanische Familie und ich“. Diesmal führt das politische Roadmovie ihn von Amerikas Nordwesten über den äußersten Süden bis in den Osten des Landes in den Bundesstaat New York. Auch in Texas macht Zamperoni halt, trifft dort Sheriff Martinez, der in einer kleinen Gemeinde die örtliche Tafel organisiert. Die Leute kommen mit großen Pickups zur Essensausgabe – und bei den gestiegenen Preisen immer mehr.

Seit dem Machtwechsel im Weißen Haus kommen zugleich immer mehr Menschen über die Grenze zu Mexiko. Sheriff Martinez hat auf dem Gelände der Polizeistation einen Kühlcontainer aufstellen lassen, unter einem Schutzdach aus Wellblech, „Hier ist bald kein Platz mehr, wir müssen schon stapeln“, sagt er. Es sind Leichen von Flüchtlingen.

Sie kommen über die Grenze, verirren sich und verdursten elendig, erläutert Zamperoni etwas später aus dem Off, im Bild eine weite, trostlose Steppe. „Das kann doch nicht richtig sein, dass ein County seine eigenen Kühlkammern anschaffen muss, um Leichen zu verwahren.“ Im letzten Jahr der Trump-Regierung waren es 34 Tote, im ersten Jahr der Biden-Regierung 119, zählt Martinez vor. „Das hier ist das Ergebnis offener Grenzen“, sagt der Sheriff und fordert „Macht die Grenze komplett dicht.“

Zamperoni gibt sich – mehrere Reportage-Stationen weiter – dennoch optimistisch. „Am Ende fließen alle Dinge ineinander, und aus der Mitte entspringt ein Fluss“, sucht er beim Fliegenfischen mit Schwiegervater Paul Halt bei einem Zitat.

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