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Wenig einfallsreich ist die Regenbogenpresse, wenn es um Nachwuchs geht, der bei den Prominenten angeblich erwartet wird. „Hurra!“, jubeln sie quasi wöchentlich. Die Leserinnen scheint der Bluff nicht zu stören – die Promis dagegen schon.

© Montage: topfvollgold.de

Ein "Topfvollgold" über die Regenbogenpresse: Nur die Lüge zählt

Jede Woche denkt sich die Regenbogenpresse Quatsch über Promis aus. Ein Blog aus Berlin deckt die falschen Geschichten auf - das nervt die Macher. Und freut die Opfer.

Wer einen Topf voll Gold finden möchte, wird an diesem Ort kaum danach suchen. Berlin-Neukölln, Isarstraße, Hundehaufen auf dem Gehweg, Spielcasinos, Dönerbuden um die Ecke. Ein Altbau, staubiger Hausflur, im Erdgeschoss lärmen die Bauarbeiter, im oberen Stock aber ist die Aussicht auf das Ende des Regenbogens hervorragend. Mats Schönauer, 25, und Moritz Tschermak, 26, sitzen an einem Schreibtisch aus Spanplatten zwischen großen Stapeln mit dünnen Heftchen. Schwedens Prinzessin Victoria lächelt von einem Cover, auf einem anderen ist „Bergdoktor“ Hans Sigl zu sehen, auf vielen weiteren Schlagerstar Helene Fischer. Von allen Titeln schreien die Überschriften: „Katastrophe“, „Unglück“, „Hurra, endlich ein Baby“ – alles Quatsch.

Günther Jauch ist oft selbst Opfer der Yellow Presse - und liest den Blog

Und genau das macht Schönauer und Tschermak wütend. Sie wollen das der Regenbogenpresse nicht länger durchgehen lassen und haben deshalb vor rund einem Jahr den Watchblog Topfvollgold.de gegründet. Zu ihren täglich rund 2000 Lesern gehören auch diejenigen, die über sich selbst ständig Unsinn in den Magazinen lesen müssen. Günther Jauch beispielsweise: „,Topfvollgold‘ ist momentan die einzige ernstzunehmende Seite im Netz, die sich die Mühe macht, den wöchentlichen Schrott der Yellow Press nicht nur durchzuarbeiten, sondern den publizistischen Dreck, der da abgesondert wird, auch als solchen zu benennen“, lobt der Moderator den Blog.

Wer Schönauer, Hipster-Mütze, gepiercte Lippe, und Tschermak, blaues T-Shirt, lässige Strickjacke sieht, wundert sich allerdings, dass ausgerechnet sie eine Leidenschaft für dieses Thema entwickelt haben. Dabei ist es am Ende ganz logisch: Beide studieren Journalistik, eines Tages stehen sie beim Einkaufen zusammen vorm Zeitschriftenregal und sind erstaunt darüber, dass jedes zweite dieser Hefte das Wort „Freizeit“ im Titel hat. Als sie die Magazine durchblättern, stellen sie fest, dass es die Blätter mit der Wahrheit ganz und gar nicht genau nehmen. „Darüber wird viel zu wenig berichtet“, befinden sie – und machen es sich kurzerhand selbst zur Aufgabe.

Einige Titel kommen mit ihrer Auflage an den "Spiegel" heran

Inzwischen sind sie von ihrem Studienort Dortmund nach Berlin gezogen, beide wohnen in Neukölln, Redaktionssitz ist Tschermaks Wohnung in der Isarstraße. Das Büro ist karg eingerichtet, neben dem Schreibtisch steht nur ein Bücherregal, der Pressekodex liegt griffbereit.

Die Bluffs der Regenbogenpresse decken Mats Schönauer (l.) und Moritz Tschermak im Blog topfvollgold.de auf.
Die Bluffs der Regenbogenpresse decken Mats Schönauer (l.) und Moritz Tschermak im Blog topfvollgold.de auf.

© Privat

Rund 80 Titel erscheinen in dem Segement Yellow Press in Deutschland, einige der Hefte kommen mit ihrer Auflage an Magazine wie „Spiegel“ und „Stern“ heran. Die „Freizeit Revue“ aus dem Burda-Verlag verkauft beispielsweise wöchentlich im Schnitt rund 789 000 Exemplare, die „Neue Post“ aus dem Bauer-Verlag auf rund 632 000 Stück.

„Prinzessin Mary. Todesangst um ihre Kinder. Es geschah am helllichten Tag!“

Etwa 20 Titel durchforsten Schönauer, der auch Chef des „Bildblogs“ ist, und Tschermak jede Woche, Enthüllungen über die vermeintlichen Enthüllungen posten sie täglich auf ihrem Blog. Auch die vergangene Woche war wieder ergiebig: „Prinzessin Mary. Todesangst um ihre Kinder. Es geschah am helllichten Tag!“, titelte die „Prima Woche“. „Topfvollgold“-Mitarbeiter Dennis Klammer recherchierte, was der dänischen Königsfamilie angeblich Schlimmes widerfahren ist und stellte fest: nichts.

Zwar war ein Soldat der königlichen Leibgarde an einer Hinhautentzündung erkrankt und starb, doch Prinzessin Mary und ihre Kinder waren zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Dazu passierte die Geschichte bereits im Juli, die „Prima Woche“ machte damit aber jetzt erst auf.

Auch die Presseabteilung des Fürstenhofs von Monaco bekam kürzlich Post von „Topfvollgold“. „Fürstin Charlène. Unfruchtbar! Sie zerbricht daran, keine Kinder bekommen zu können“, titelte „Freizeit Spezial“, als Quelle zitiert der anonyme Autor eine anonyme „enge Freundin von Charlène“.

Das Magazin „nimmt ein angebliches Gerücht und macht daraus eine Tatsachenbehauptung, die nicht erweislich wahr ist und die vermutlich wider besseren Wissens aufgestellt wurde“, das komme „einer Verleumdung ganz schön nah“, klärte „Topfvollgold“ auf.

"Je weiter die Prominenten weg sind, desto skandalöser wird berichtet"

„Das ist typisch. Je weiter die Prominenten weg sind, desto skandalöser wird berichtet, offenbar in dem Glauben, dass die Betroffenen das nicht mitbekommen“, erzählt Tschermak. Pech für die Magazinmacher, dass „Topfvollgold“ solche Artikel an die Betroffenen weiterleitet. Auch den Agenten von Hollywoodstar Gwyneth Paltrow haben sie wegen einer Geschichte kontaktiert. Und der Presserat, der nur auf Initiative tätig werden kann, beschäftigt sich dank „Topfvollgold“ mehr mit der Regenbogenpresse. Fünf Rügen, die schärfste Form der Kritik, wurden 2013 von dem Gremium gegen verschiedene Hefte ausgesprochen, dazu Missbilligungen und Hinweise.

Ärgerlich für die „Topfvollgold“-Macher: Die Zielgruppe der Hefte, Frauen um die 50 und älter, überschneidet sich nicht mit der Leserschaft ihres Blogs. „Deshalb wollen wir künftig dahin gehen, wo wir die Yellow-Press-Leserinnen treffen können“, sagt Schönauer, zu Schlagerkonzerten beispielsweise, und dort Artikel aus ihrem Blog in Printform verteilen. Das allerdings kostet wiederum Geld, mit dem Blog aber verdienen die Macher kaum etwas. Als sie Ende 2013 dem Alles Gute Verlag fälschlicherweise einen Artikel zuschrieben, forderte der eine Unterlassungserklärung ein. 887,03 Euro waren für die Anwaltsrechnung fällig, innerhalb weniger Stunden spendeten Leser den Betrag. Von Spenden finanzieren wollen sie ihren Blog grundsätzlich aber ebenso wenig wie über Werbung. Derzeit denken sie über ein Abomodell nach. Sie selbst verdienen Geld als freie Journalisten.

Weitermachen wollen Schönauer und Tschermak mit dem Blog in jedem Fall. Bevor im April das einjährige Jubiläum gefeiert wird, müssen sie die mündliche Prüfung zu ihrer Bachelorarbeit bestehen, das Thema: „Schockierende Enthüllungen! Topfvollgold entlarvt Methoden der deutschen Regenbogenpresse!“ – eine hübsche Anspielung auf die Überschriftenbastelei der Blätter. In der Arbeit geht es darum, was Blogs zur Medienkritik beitragen können. Wie sie bereits bewiesen haben: eine ganze Menge.

Was aber würde die Regenbogenpresse wohl selbst über ihre großen Kritiker schreiben? „Üble Beschimpfungen PRESSEFREIHEIT IN GEFAHR! Schamlose Blogger-Hetze im Internet“, dichten Schönauer und Tschermak zusammen – und das wäre garantiert ein Verkaufshit am Kiosk.

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