zum Hauptinhalt
Im Netz regen sich Kritiker über die aufreizende Kleidung der Frauen auf. Die Macher bleiben dagegen cool. Ironie und Islam gehen für sie gut zusammen.

© Tsp

Mit iSlam und Eiscreme: Die Mipster kommen

Sie nennen sich Mipster, muslimische Hipster. Im Netz stellen sie ihre moderne Art des Glaubens vor. Plötzlich soll daraus ein webweites Phänomen werden - doch da machen die Mipster nicht mit.

Es sieht verdammt lässig aus, unbeschwert auch, und glamourös: Junge Frauen fahren auf Skateboards durch die Straßen, schlecken Eiscreme oder halten sich lachend falsche Bärte unter die Nase. Diese Bärte, Moustache!, die muss man nicht mögen. Hipster lassen sich so was als ironisches Statement wachsen. Aber das Video ist kein ironisches Statement. Denn es geht lieblich weiter: Die Abendsonne taucht die Mädchen in zartes Orange, im Hintergrund läuft „Somewhere in America“ von Rapper Jay-Z. Der Clip könnte ein Wohlfühlfilm eines Modelabels sein, geschnitten für junge, urbane Großstädter.

Die Religion wird luftig leicht verhandelt

Aber das wäre zu einfach. Denn da sind ja die Kopftücher, die die Frauen tragen. Die tragen sie auch verdammt lässig, unbeschwert und, ja, glamourös. Wenn hier also ein Adressat ist, dann ist der jung, urban und muslimisch. Und ironisch ist er – denn seine Religion wird hier so luftig leicht verhandelt, als habe es all den „culture clash“ der letzten zehn Jahre nicht gegeben.

Das Video wurde Anfang Dezember auf Youtube veröffentlicht. Es heißt „Somewhere in America: #Mipsterz“ und stammt von den beiden amerikanischen Filmemachern Abbas Rattani und Habib Yazdi. Sie wollten einfach den Alltag muslimischer Mädchen in New York zeigen, nicht wie er laut islamischer Fanatiker oder westlicher Gutmenschen sein sollte, sondern so, wie er eigentlich ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Geklickt wurde das Video erst rund 135 000 Mal – aber die Resonanz darauf in Blogs, Foren und auf Facebook ist groß. In den Kommentarspalten stören sich Nutzer an der aufreizenden Kleidung der Frauen: Kopftuch kombiniert mit Ballerinas und Leggings sei ein Affront gegen den Islam. Andere bejubeln die Unbeschwertheit und den Mut der Darstellerinnen. Längst haben Zeitungen auf aller Welt die Debatte aufgegriffen, in Amerika, Frankreich und auch deutschen Blättern wurde das Video als Beispiel einer neuen islamischen Befreiung angeführt – und so das Phänomen „Mipster“ herbeigeschrieben: Kopftuchmädchen, aber ganz ohne Sarrazinismen.

2012 haben die Regisseure den Begriff Mipster kreiert

Die „Mipster“ allerdings sind kein Phänomen. Und wollen auch keines sein. Rattani und Yazdi, die Regisseure, sind selbst amerikanische Muslime und haben den Begriff „Mipster“ – eine Mischung aus Muslim und Hipster – Anfang 2012 gemeinsam mit Freunden kreiert. Bereits 2003 versuchte die „Taqwacore“-Bewegung, Punk und Islam zu verbinden. Die Mipster sind nun eine neue Ausprägung. Natürlich steckt dahinter auch eine islamische Befreiung. Aber die war nie als globaler Paukenschlag gedacht: „Ich hätte nicht vermutet, dass um unsere Arbeit so eine Diskussion entsteht“, sagt Yazdi dem Tagesspiegel. Er wollte eigentlich „Hoffnungen und Wünsche“ junger Muslime darstellen. Stattdessen gehe es nur um die Frage, ob und wie man ein Kopftuch tragen müsse.

Selbstbewusst präsentieren die Mipster ihre moderne Art des Glaubens.
Selbstbewusst präsentieren die Mipster ihre moderne Art des Glaubens.

© Tsp

Aus den frischen Ideen einer Clique wurde im globalen Medienmeer plötzlich das Deutungsbild einer ganzen Religionsgemeinde – und die Macher mussten sich gegen Anfeindungen verteidigen. Sie wollen aber den Islam nicht für alle erklären, sondern erst mal für sich selbst verstehen lernen.

Die Mipster sind hier retro im besten Sinne

Auf dem Tumblr-Blog „Muslimhipsters“ und auf Facebook entwerfen Yazdi und seine Freunde Albernheiten, die ihre moderne Art des Glaubens vorstellen. Da wird aus dem imperativen Islam plötzlich ein an Apples Produkte angelehnter iSlam. Und als Themenvorschlag für die Freitagspredigt soll „Wie parke ich mein Auto“ herhalten. Gemischt werden die Aphorismen mit Gedichten des iranischen Poeten Rumi oder alten umayyadischen Fresken.

Die Mipster sind hier retro im besten Sinne: nicht als ironische Ablehnung der Gegenwart, sondern aus ehrlichem Interesse am Gestern. Ein älteres Video von Rattani Yazdi, das nicht das Glück eines Webphänomens hatte, offenbart, wie die Mipster vermeintliche Macken sezieren wollen. Eine Gruppe junger Amerikaner trifft sich in einem Bücherzirkel, darunter sind auch Muslime. Besprochen wird ein islamischer Titel, doch der Rezensent scheitert an seinem muslimischen Kumpel: Der schreit nach jedem Prophetennamen ein „Friede sei mit ihm“ in den Raum.

Moustache to go: Zwei Frauen im lässigen Mipster-Look mit Kopftuch und Bart zum Ankleben.
Moustache to go: Zwei Frauen im lässigen Mipster-Look mit Kopftuch und Bart zum Ankleben.

© Tsp

„Wir hinterfragen immer wieder die Gesellschaft, in der wir leben“, sagt Hajer Naili. Sie ist eines der Mädchen aus dem Video. „Ein Mipster kritisiert nicht aus Nonkonformität, sondern aus Verantwortungsbewusstsein.“ Das heiße aber nicht, für alle Muslime sprechen zu müssen. „Die meisten von uns haben keine Lust, sich ein Label verpassen zu lassen“, betont Hajer Naili. Sie selbst hat französische und tunesische Wurzeln und lebt als Reporterin in New York. Das sind schon ziemlich viele Label, die sie sich selbst gibt – Massentauglichkeit passe nicht mehr dazu. „Wir Mipster sind kein Phänomen. Vielmehr sind wir eine Realität.“

Der Regisseur hofft, dass ein neuer Blick auf junge Muslime entsteht

Habib Yazdi, der Regisseur, hofft daher, dass statt Facebook-Kommentaren über die richtige Länge von Kopftüchern lieber ein neuer Blick auf junge Muslime entsteht. Wenn das Video schon so durch die Medien gehe, dann sollen wenigstens auch alle sehen, dass es „Muslime gibt, die sich gerne modisch anziehen und auch mal Spaß haben.“

Sein Kollege Abbas Rattani pflichtet ihm bei – und freut sich doch, dass seine Clique nun andere provozieren konnte. Das Bemühen der Schreihälse im Netz sei jedoch umsonst: „Wir haben dieses Video als Kunstwerk geschaffen. Jeder darf selbst über seine Bedeutung nachdenken.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false