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Online-Piraten: Schlimmer als ARD und ZDF?

Privatsender und Justizministerin haben einen gemeinsamen Feind: die Online-Piraten

Das junge RTL-Volk wird nicht gerne hören, was RTL-Boss Gerhard Zeiler dekretierte: „Piraterie ist Diebstahl, Diebstahl ist strafbar, die Strafen müssen durchgesetzt werden.“ Weil aber, wie Zeiler zugestand, beim Jungvolk das Bewusstsein für die Online-Piraterie ausgesprochen gering sei, müsse der Staat ran, und zwar an die, die sich im Bereich von Hörfunk und Fernsehen am geistigen Eigentum anderer vergriffen. Was die Kreativen von Branchen wie Presse oder Kino schon länger beklagen, hat mit großer Wucht die Privatsender erreicht. Da wurde es Zeit für ein Symposium, abgehalten am Donnerstag in Berlin: „Perspektiven für die Kreativität – Sendeunternehmen als Innovations- und Wirtschaftsfaktor“.

Der Staat war da: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ressortchefin Justiz im schwarz-gelben Kabinett, hat ein Ohr für die Sorgen der privaten Veranstalter. Nicht, dass die Ministerin den kommerziellen Stationen eine unmittelbare Verbesserung ihrer Einnahmesituation versprochen hätte (der Branchenumsatz ist auf 8 Milliarden Euro 2009 von 8,3 Milliarden im Vorjahr gefallen). Aber Leutheusser-Schnarrenberger ist „im Stoff“, wie die Vertreter des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) und der Verwertungsgesellschaft VG Media anerkennend vermerkten. Bei der Amtsvorgängerin, der Sozialdemokratin Brigitte Zypries, sei das Desinteresse unverkennbar gewesen.

Bei einigen Punkten zeigte die Nachfolgerin Nähe zu den Privatfunkern. Prinzipiell für die gesamte Kreativbranche will Leutheusser-Schnarrenberger das Urheberrecht und seine Durchsetzung deutlich stärken. Zweitens kann sich die FDP-Politikerin einen Abbau der Werberegulierungen vorstellen: „Mehr Restriktionen schaffen keine bessere Welt.“ Drittens, und diese Maßnahme könnte die Einnahmeseite der Privaten kurzfristig stärken, hält die Ministerin die Beteiligung der Sender an der „Leermedien- und Geräteabgabe“ für „sehr nachdenkenswert“. Hersteller beispielsweise von DVD-Rohlingen zahlen jedes Jahr rund 200 Millionen Euro, die an die Verwertungsgesellschaften wie Gema, VG Wort und VG Bild Kunst ausgeschüttet werden. Die VG Media ist bislang außen vor, eine Teilhabe würde eine bis zu dreistellige Millioneneinnahme bedeuten.

Die Idee des Regierungsberaters und Vorsitzenden der Monopolkommission, Justus Haucap, die privaten Sender an den Gebühren für ARD und ZDF zu beteiligen, lehnten RTL-Chef Zeiler wie der ProSiebenSat1-Vorstandsvorsitzende Thomas Ebeling ab. Zeiler meinte, dies sei nicht nur unrealistisch, sondern wäre grundsätzlich ein falscher Weg. Stattdessen sollte es eine Trennung in ausschließlich gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Anstalten geben und in werbefinanzierte Privatsender geben. Dies hätten andere Länder bereits beschlossen.

Seitdem der private Rundfunk Mitte der 80er Jahre zu senden begonnen hatte, war das Erlösmodell denkbar einfach. Die Sender erstellen Programme, die gehört und gesehen werden. Bezahlt werden die Inhalte – Gesamtaufwand 2006: 6,8 Milliarden Euro – von der Werbeindustrie auf der Basis der Zuschauerreichweiten. Dieses Modell ist unter Druck geraten, die Werbeeinnahmen sind zurückgegangen. Neue Erlöse müssen her, so über die Weiterverwertung der Inhalte. Schwierig in digitalen Zeiten, in denen der Umfang der (illegal) vervielfältigten Sendungen massiv zugenommen hat.

Zwei Beispiele wurden angeführt, auf welche Weise andere mit den Inhalten des privaten Rundfunks Geld verdienen. Zum Beispiel die elektronischen Programmzeitschriften (EPG) wie www.tvtv.de. Die VG Media argumentiert, hier würden Programminformationen der privaten Sender in Wort und Bild schlicht übernommen, ohne dass dafür die Rechte erworben worden seien. tvtv.de würde daran mittelbar verdienen, weil die Webseite mit Werbung versehen sei. Auch die angebotene Dienstleistung – Aufnahme einer Sendung mit dem save.tv Onlinerecorder – ist der Verwertungsgesellschaft ein Dorn im Auge. Damit würde die Zweit- und Drittverwertung einer Serie oder eines Filmes deutlich geschwächt. Bleibt das Problem bestehen, rechnet Thomas Ebeling mit 25 Prozent weniger Werbeeinnahmen.

Ein anderes Beispiel – auch das führen VPRT und VG Media unter „Piraterie“ – sind Webseiten wie www.kino.to, eine auf Serien und Kinofilme spezialisierte und stark frequentierte Plattform. Unter Umgehung der Urheber- und Leistungsschutzrechte können User hier sich zu Servern leiten lassen, die das gewünschte fiktionale Angebot bereithalten. Der Domain-Inhaber ist in Tonga registriert, die Server sollen nach Recherchen des VPRT in der Ukraine oder in Russland stehen. Da wirkte selbst die Justizministerin ratlos.

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