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Springer-Chef gibt Podcast-Interview: Selbst beim Thema Reichelt bleibt die Plauderei heimelig
Im Podcast „Hotel Matze“ reflektiert Springer-CEO Mathias Döpfner auch seine Sicht auf den Fall Julian Reichelt. Kritik und harte Nachfragen brauchte er nicht zu fürchten.
Stand:
Treffen sich hier zwei Medienmacher? Zwei ehemalige Musiker? Zwei Freunde? Zwei Journalisten? Tatsächlich haben Podcaster Matze Hielscher und Springer-CEO Mathias Döpfner mehr als nur ihre Vornamen gemeinsam. Beide sind journalistisch tätig, waren Bassisten und haben es geschafft, zu einflussreichen Köpfen der Medienbranche zu werden.
Sympathien füreinander sind offensichtlich. Hielschers Video-Format „Hotel Matze“ gilt als einer der Inbegriffe des sogenannten Laber-Podcasts. Die Nachfragen des Interviewers sind neugierig, empathisch, zeugen von Kenntnis der Materie. Aber eines sind sie ganz sicher nicht: kritisch.
Heimeliges Interview auf der „Rechtfertigungsplattform“
Wer im „Hotel Matze“ eincheckt, kann sich einer großen medialen Öffentlichkeit sicher sein – und muss trotzdem nicht befürchten, im Interview gegrillt zu werden. Das hat in der Vergangenheit bereits Gäste wie Til Schweiger, Jan Ullrich, Fynn Kliemann und andere „unter Rechtfertigungszwang geratene Prominente“ angezogen, wie es die Süddeutsche Zeitung ausdrückte, die den Podcast als „Rechtfertigungsplattform“ bezeichnet.
Auch Robert Habeck, Friedrich Merz und Christian Lindner waren schon zu Gast. Als reichsten und mächtigsten Besucher bezeichnet Hielscher jedoch mehrfach den Springer-Chef. Obwohl auch Olaf Scholz schon bei ihm saß, damals noch Bundeskanzler.
Der Mathias, der da draußen beschrieben wird, den kenne ich nicht.
Springer-CEO Mathias Döpfner im Podcast „Hotel Matze“
Hielscher interviewt kumpelhaft, freundschaftlich und sehr, sehr menschelnd: „Ich find’s echt super, dass du hier bist. Mir kommt es vor, als gebe es zwei verschiedene Mathiase“, sagt er unter anderem zu Beginn des fast zwei Stunden langen Gesprächs mit Döpfner.
Der gibt sich mitteilsam, jovial, gewohnt eloquent und sehr medienprofessionell. „Der Mathias, der da draußen beschrieben wird, den kenne ich nicht“, sagt Döpfner, wohl wissend, dass jemand wie er allein schon durch seinen Job polarisiert.
Hielscher betont, er wolle herausfinden, „wie jemand tickt.“ Döpfner: „Geht mir auch immer so.“ Um schnell zu präzisieren: in den Interviews, die er mache. Das Gespräch führt zunächst weit zurück in Döpfners Kindheit. Es prasseln die Anekdoten. Wie beispielsweise im Garten seines Elternhauses mal eine Linde gefällt wurde, über deren Verlust er tagelang geweint habe.
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Döpfner spricht ausführlich über seine Liebe zur Natur („Ich bin nahe am tree hugger“), sein Elternhaus. Seine Mutter habe ihn für Kunst begeistert und sein Vater, ein im Krieg traumatisiertes Mitglied der Flakhelfer-Generation, ihn zum Pazifisten gemacht.
Döpfners große Angst, so sagt er, sei seit seiner Kindheit das Alleinsein. „Ich habe immer versucht, Menschen um mich zu haben.“ Das Gefühl, allein sein zu wollen, kenne er nicht. „Ich liebe Austausch mit Menschen“, sagt er.
Ich will schon eher, dass andere das machen, was ich für richtig halte.
Springer-CEO Mathias Döpfner im Podcast „Hotel Matze“
Irgendwann wird es dann ein wenig geschäftsmäßiger und man kommt auf Döpfners Führungsstil zu sprechen. „Ich entscheide ungern allein. Ich entscheide immer im Dialog“, sagt er. Gleich darauf heißt es aber: „Ich will schon eher, dass andere das machen, was ich für richtig halte.“
So kennt man ihn tatsächlich eher, auch wenn man nicht lange Zeit (wie der Autor dieses Textes) im Springer-Konzern tätig war. Hielscher interessieren derartige Eigen-Weichzeichnungen und Widersprüche nicht. Nachfragen bleiben auch hier aus.
Bei Kritik schaltet Springer auf Abwehr
Springer und allen voran seine Marken „Bild“ und „Welt“ sind es so sehr gewohnt, von außen angegriffen zu werden, dass man sich meist reflexhaft einigelt und von jetzt auf gleich in den Wagenburg-Modus schaltet. Auch das wird im Gespräch zwischen den Zeilen thematisiert (und kommt dem Autor dieses Textes altvertraut vor).
Wenn ich mit Schulkameraden gespielt habe, habe ich so lange mit denen geredet, bis wir das gemacht haben, was ich wollte.
Springer-CEO Mathias Döpfner im Podcast „Hotel Matze“
Es folgen CEO-Bonmots, wie man sie von Döpfner kennt: „Wenn ich nur meine Hierarchie und meine institutionelle Macht dazu verwende, etwas durchzusetzen, dann scheine ich keine guten Argumente zu haben.“ Oder: „Ich habe lange daran gearbeitet, dass in diesem Haus nicht alle das sagen oder schreiben, was ich für richtig halte.“
So sieht sich Döpfner offenbar tatsächlich selbst – oder so möchte er sich sehen. Auch wenn er bald darauf wieder seine dominant-autoritäre Art einräumt, die er offenbar seit der Jugend hat: „Wenn ich mit Schulkameraden gespielt habe, habe ich so lange mit denen geredet, bis wir das gemacht haben, was ich wollte.“
Den Namen Reichelt spricht er nicht aus
Nach etwas über 59 Minuten fällt erstmals der Name des ehemaligen „Bild“-Chefs Julian Reichelt. Und tatsächlich wirkt der über zwei Meter große CEO plötzlich ein bisschen weniger eloquent. Es fallen deutlich mehr „Ähs“ und die Sätze stocken teils doch ein bisschen. Die Situation um Reichelt sei „viel komplizierter, als es von außen erschien“ gewesen, lässt Döpfner wissen. Ach was, möchte man antworten.
Das schlimmste Kapitel meiner gesamten beruflichen Zeit. Ich habe viel daraus gelernt.
Springer-CEO Mathias Döpfner im Podcast „Hotel Matze“ über den Fall Julian Reichelt
„Es gab eine Bewegung, medial, der man auch ein Ziel anmerkte. Das führte auch zu der Psychologie: Diesem Ziel kann man nicht einfach so nachgeben“, sagt Döpfner. Da ist sie wieder, die gute alte Springer-Wagenburg. Er greint: „Wir wurden getäuscht, wir haben uns zu lange täuschen lassen.“
Was ist der Fall Reichelt für Döpfner? „Das schlimmste Kapitel meiner gesamten beruflichen Zeit. Ich habe viel daraus gelernt. Wir haben als Haus viel seither verbessert und anders gemacht.“ Er habe sich außerdem „mehr, gute und richtige Distanz im beruflichen Kontext“ gewünscht.
Döpfner betont: Zu Reichelt „gab es nie eine wirklich persönliche Freundschaft, aber es gab ein großes Näheverhältnis.“ Davon scheint heute nicht mehr viel übrig zu sein. Der Name Julian Reichelt fällt in dem fast zwei Stunden langen Gespräch nur dreimal und Döpfner selber vermeidet es, ihn auszusprechen. Der Name Julian Reichelt kommt ihm im Podcast nicht einmal über die Lippen.
Rückblickend habe ihn „verstört und zur Verzweiflung gebracht“, dass „keiner was gesagt hat“, als er Gespräche zu den kursierenden Gerüchten um den Ex-Bild-Chef gesucht habe: „Keiner hat was gesagt. Keine Frau. Keine Kollegin, kein Kollege, keine Führungskraft, kein normaler Mitarbeiter. Aber hinterher gab es ganze Heerscharen.“
Menschen, die etwas hätten sagen sollen, hätten nichts gesagt. Dadurch seien falsche Rückschlüsse gezogen worden. „Warum trauen sich die Leute das nicht?“, habe er sich gefragt.
Döpfner sagt, er frage sich: „Warum hat man selber ein Klima oder eine Stimmung zugelassen, in der die Leute offenbar davor Angst hatten oder sich das nicht getraut hatten.“ Und dann kommt wieder etwas CEO-Sprech: „Ein bitteres, aber sehr lehrreiches Kapitel“ sei der Fall gewesen.
Hielschers Gespräch mit Döpfner sorgte über die Medienbranche hinaus für einiges Aufsehen. Und nicht nur „Bildblog“-Autor Lorenz Meyer vermisste jegliche kritische Frage: „Seine politische Einflussnahme auf die Berichterstattung der Springer-Medien (‚Please stärke die FDP‘). Sein überliefertes ,Gebet’, dass Donald Trump erneut US-Präsident werden möge. Die Rolle und der Einfluss von Döpfners Gönnerin Friede Springer“ seien kein Thema gewesen.
„Und nicht zuletzt: Wie vereinbart man den Anspruch, ‚guter Mensch‘ zu sein, mit der Verantwortung für ein Medium, das regelmäßig ethische Grenzen überschreitet?“, fragt Meyer. In der Tat nennt Döpfner zum Ende des Interviews eben diesen Anspruch, er wolle „ein guter Mensch“ sein.
Döpfner sieht einen wesentlichen Grund für den Fall Reichelt auch in seiner eigenen Vertrauensseligkeit. „Ich vertraue manchmal auch im falschen Moment. Und das kann sehr gefährlich sein“, sagt er. Doch diesen Habitus könne und wolle er nicht ablegen. „Der Preis, Zyniker und Menschenfeind zu werden, ist so hoch. Da fliege ich lieber noch ein paarmal auf die Fresse“, sagt er.
Natürlich kommt auch Döpfners Lieblingsthema Freiheit nicht zu kurz, aber viel Neues ist da nicht dabei. Er macht außerdem noch einmal deutlich, wie sehr er an digitalen Journalismus glaubt und wie dringend es diesen braucht. So weit, so bekannt. Auch dass man ihn durchaus auf den Dancefloors von Berliner Techno-Clubs antreffen kann, lässt er wissen.
Wohl hat sich Mathias Döpfner in jedem Fall gefühlt bei der heimeligen Plauderei mit seinem Namensvetter. Er will bald wiederkommen und offene Fragen beantworten. Davon gibt es einige.
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