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Schutzpatron für einen guten Tod. Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) nehmen die Wohnung des Ermordeten in Augenschein.

© RBB/Marcus Glahn

„Tatort“ aus Berlin: Eine mumifizierte Leiche und ganz viel DDR-Geschichte

Tödliche Strafe: Der Berliner „Tatort“ greift am Jubiläumswochenende des Mauerfalls ein besonderes Kapitel der DDR-Geschichte auf.

Zwei Bedingungen muss der „Tatort“ aus Berlin an diesem Sonntag erfüllen. Die eine hängt unmittelbar mit dem Datum der Ausstrahlung zusammen. Während die endgültigen Termine für die meisten „Tatorte“ sonst häufig erst einige Monate zuvor festgelegt werden, stand schon im Frühjahr fest, dass „Das Leben nach dem Tod“ in unmittelbarer Nähe zum 30-jährigen Mauerfall-Jubiläum laufen wird.

Entsprechend führt thematisch nichts an der Wende in der DDR und an der deutsch-deutschen Wiedervereinigung vorbei.

[„Tatort: Das Leben nach dem Tod“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15].

Das zweite Thema, das zumindest gestreift werden muss, hat dagegen keinen geschichtlichen Hintergrund. Meret Becker, die im Berliner „Tatort“ seit 2015 die Kriminalhauptkommissarin Nina Rubin spielt, hatte im Frühjahr angekündigt, dass sie sich ab 2022 „anderen künstlerischen Aufgaben widmen“ will.

Und so mangelt es nicht an Anspielungen, dass Nina Rubin die Mordkommission verlassen will – was ihr Kollege Robert Karow (Mark Waschke) trotz aller Distanz und Eigensinnigkeit gar nicht gutheißt. Beide Themen, so viel kann verraten werden, werden in der neuen, zehnten Episode von Rubin und Karow adäquat eingebunden.

„Tatort“ aus Berlin: Eine Leiche in der Nachbarwohnung

Das direkte Unbehagen von Kommissar Karow in diesem „Tatort“ hat allerdings weder mit dem Wunsch seiner Kollegin nach beruflicher Veränderung noch mit den Ereignissen des Jahres 1989 zu tun. Karow muss sich vielmehr eingestehen, dass er ganz und gar nicht der beruflich so aufmerksame und ausgebuffte Ermittler ist, als der er sich gerne gibt.

In seiner Nachbarwohnung wird eine Leiche gefunden, die dort ganz offensichtlich schon seit längerer Zeit liegt. Der Kommissar hat nicht mitbekommen, dass er Wand an Wand mit dem Tod geschlafen hat. Dass der Tote nicht an Altersschwäche, sondern an einer Schussverletzung starb, macht es nicht besser.

Der Zustand der mumifizierten Leiche ist nichts für empfindsame Gemüter. Die Wohnung in der Hochhaussiedlung war zum Treppenhaus hin luftdicht isoliert, so wie offenbar auch die Menschen hier isoliert nebeneinander her leben.

Trotz Mumifizierung sind diverse Flüssigkeiten in den Teppich gesickert, wo sich nun unzählige Maden tummeln. Und weil aus der Leiche nur bei ständiger Frischluftzufuhr eine Mumie werden konnte und dafür das Fenster in dauergeöffnetem Zustand gehalten wurde, gibt es in der Wohnung mehr Fliegen als in einem brandenburgischen Rinderzuchtbetrieb.

Entmietung durch Mord? Im „Tatort“ möglich

Die Bilder, die Regisseur Florian Baxmeyer den Zuschauern zumutet, sind von einem außergewöhnlichen Realismus, sie passen jedoch gut zum Zynismus von Vermieterin Petra Olschewski (Karin Neuhäuser). Ihr ist nur eines wichtig: die möglichst rasche Neuvermietung des Objekts. Mit oder ohne Mietendeckel.

Das Geld für einen Tatortreiniger will sie sich auch sparen, das soll der sichtlich überforderte Hausmeister Hajo Holzkamp (Christian Kuchenbuch) erledigen. Doch der leidet an Panikattacken.

Eine Spur zum Täter führt Karow derweil zur osteuropäischen Clankriminalität. Jugendliche verfolgen gebrechlich aussehende ältere Menschen bis zu ihrer Wohnung, um sie dort auszurauben. Ein Opfer ist der ehemalige DDR-Richter Gerd Böhnke (Otto Mellies).

„Damals wäre das nicht passiert“, hat dieser klare Vorstellungen davon, was von der Justiz seither zu halten ist. Karow macht sich Gedanken darüber, ob sein Nachbar nicht ebenfalls Opfer eines solchen Raubzuges wurde. Aber auch der Träger des Ordens „Verdienter Jurist der DDR“ macht sich verdächtig.

Etwas mehr Spannung, bitte

Dass die entscheidenden Hinweise zur Aufklärung des Falls in der Vergangenheit liegen, wird wenig subtil verpackt. Etwas mehr Spannung wäre durchaus wünschenswert gewesen. Doch dieser „Tatort“ verfolgt ein anderes Anliegen. Drehbuchautorin Sarah Schnier hatte bei Recherchen für ein anderes Projekt über das DDR-Justizsystem erfahren, dass es im Osten Deutschlands bis 1987 die Todesstrafe gab.

„Aus diesem wenig bekannten Umstand habe ich eine Geschichte für das Mordopfer konstruiert, bei der das größere Rätsel am Ende womöglich nicht ist, wie er zu Tode gekommen ist, sondern wie und warum er gelebt hat.“

In einem „Tatort“ kommt das Thema Todesstrafe in der DDR zum ersten Mal vor. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass die Diskussion über Recht und Unrecht in dem sozialistischen Land vor allem durch die Mauerschüsse bestimmt war. Allerdings wussten auch die wenigsten West-Deutschen, dass in West-Berlin bis zur Wiedervereinigung nach alliiertem Recht die Todesstrafe galt.

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