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Ingo Zamperoni befragt Rolf Seelmann-Eggebert.

© MDR

Breaking News: Völkerschlacht - live beim MDR

Handykameras, Live-Ticker, Reporter-Blogs, Youtube: Der MDR zeigt vier Tage lang den großen Krieg von 1813, als fände er gerade statt.

„Russische Reservetruppen auf dem Marsch nach Leipzig, aufgenommen am späten Nachmittag. Seit heute früh, neun Uhr, hat in Leipzig eine der größten militärischen Auseinandersetzungen der Weltgeschichte begonnen“, verkündet Anchorman Ingo Zamperoni. Im Hintergrund dräuende Musik wie beim ARD-„Brennpunkt“. Gleich darauf Rolf Seelmann-Eggebert, der Journalist und Adelsexperte, im Bild. Zamperoni fragt den Korrespondenten in Paris: Was hat dieser Napoleon in Leipzig vor? Wie reagiert das Volk auf der Straße? Ein aktueller „Brennpunkt“, oder besser „MDR Top news“, wir sind ja hier in Leipzig. Titel der Sendung: „Die Völkerschlacht überrollt Sachsen“.

Wenn da nicht der Zuschauer überrollt wird. Dem dürfte das Met im Halse stecken geblieben sein oder was immer 1813 abends in preußisch-sächsischen Wohnstuben auf dem Tisch gestanden haben mag. Wenn es da schon Fernseher und Zamperoni gegeben hätte. Auf diese Idee muss man erst mal kommen. Der Mitteldeutsche Rundfunk zeigt ab Montag vier Tage lang die Völkerschlacht, als fände sie gerade statt. Statt Live-Drohnenbilder vom Irakkrieg Smartphones- und Youtube-Videos von Fußmärschen und Garderegimentern. Eine Lehrstunde fürs junge Publikum, hochgejazzt zur besten Sendezeit.

Breaking news also. Im Oktober 1813 kämpfen bei Leipzig über eine halbe Million Soldaten Napoleons und seiner alliierten Gegner um den Sieg. Mehr als 100 000 von ihnen verlieren ihr Leben. Eine ganze Region versinkt in Schutt und Asche. Damals kämpften die Truppen Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens gegen die Truppen des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte. Die Schlacht beendete die Befreiungskriege gegen die napoleonischen Truppen.

Mit „Live“-Schaltungen vom Schlachtfeld, Korrespondentenberichten, Tageszusammenfassungen, Handy-Videos und Nachtsichtkameras ist der MDR fiktiv vor Ort. Ein fiktiver „Brennpunkt“ zum grausamen Gemetzel. Dabei wird so getan, als handle es sich um aktuelles Kriegsgeschehen. Mit dem laut MDR „modernstem Geschichtsformat in deutschen Fernsehen“ soll Authentizität vermittelt werden.

"Stehe ganz nah an den alliierten Truppen"

Gleichzeitig wie bei der realen Kriegsberichterstattung wird dabei der Voyeurismus der Zuschauer bedient, mit allen multimedialen Tricks gearbeitet: „Quelle Youtube“. Mitunter wirkt das so, als hätte sich ein „heute show“-Mann zum MDR verirrt. Vor allem, wenn „unser Reporter Roland Kühnke im Zentrum von Leipzig ganz nah an den alliierten Truppen“ steht und über Lebensmittelknappheit und Plünderungen berichtet. Ein Franzose wird hereingetragen, dessen Bein von einer Granate zerfetzt wurde. Nanu, ist das jetzt ein moderner OP–Saal? Keine Ahnung, die Szene ist so im Dunkeln gehalten, dass es kaum einen Unterschied geben dürfte zwischen 1813 und 2013.

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Da beklage sich noch jemand über den öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag. Zum trimedialen Einsatz kommen Postings in Sozialen Netzwerken, Reporter-Blogs, sogar Anja Kohl von der Berliner Börse (!). Und Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert. Der wird ein „Exklusivinterview“ mit der Gattin Napoleons führen. Das hätte selbst Guido Knopp nicht besser hingekriegt. Markus Ehrenberg

„MDR Top News; Völkerschlacht überrollt Sachsen“, Montag bis Donnerstag, MDR, 19 Uhr 50

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