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Anton Hofreiter, Bundestags-Fraktionsvorsitzender der Grünen, fordert mehr Tempo beim Kohleausstieg

© imago images/Jürgen Heinrich

Hofreiter bei „Anne Will“: „Wir machen das nicht, um jemanden zu ärgern“

Der Kohleausstieg kostet Milliarden. Bei „Anne Will“ wurde klar: Probleme bereitet vor allem die Frage des Ausstiegs-Tempos.

Deutschland will bis 2022 aus der Atomkraft aussteigen, bis 2038 soll zugunsten des Klimaschutzes auch Kohleenergie wegfallen: Ein 50 Milliarden-Euro-Paket soll das Letztere möglich machen. Sind diese Milliarden richtig investiert? fragte Anne Will in ihrem Talk am Sonntagabend. Konkret um Geld ging es in der Debatte aber eher weniger – stattdessen beharkten sich die Gäste vor allem bei Fragen zum Strukturwandel und erneuerbaren Energien.

Es hätte ein ruhiger Talkabend werden können: Per se waren sich alle Diskutanten einig, dass der Kohleausstieg wichtig ist und umgesetzt werden muss. Trotzdem bereitet das Tempo Probleme: einigen geht der Ausstieg zu langsam, anderen deutlich zu schnell - immerhin basieren 38 Prozent der deutschen Energieversorgung noch immer auf fossilen Ressourcen.

Antje Grothes, die in der Kohlekommission die Eckpunkte für den Ausstieg mitverhandelt hat, zeigte sich mehr als enttäuscht von dem entsprechenden Gesetzentwurf, den die Bundesregierung dazu am kommenden Mittwoch verabschieden will: Er sei "in einer Kungelrunde" von Angela Merkel und den Ministerpräsidenten entstanden und gefährde sogar den Minimalkompromiss, den man erzielen wollte.

Rainer Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, wollte schon allein diese Vokabel nicht stehen lassen: "Das sind keine Kungelrunden, sondern unsere Arbeitszeit." Das Wichtigste sei zunächst, dass die gesteckten Ziele für 2020 und auch 2030 erreicht werden würden. 

Naturwissenschaftliche Notwendigkeit

Anton Hofreiter, Bundestags-Fraktionsvorsitzender der Grünen, würde dagegen in Sachen Kohleausstieg gerne mehr aufs Gaspedal drücken: Liefe alles so weiter wie bisher, hätten Personen, "die jetzt zehn bis 20 Jahre alt sind, zurecht Angst vor der Zukunft" - auf jeden Fall, wenn man auf den Klimawandel blicke. "Wir machen das ja nicht, um jemanden zu ärgern, sondern weil es eine naturwissenschaftliche Notwendigkeit ist."

Die Beschäftigten und Kumpel in Kohleabbaugebieten wie der Lausitz haben allerdings noch ganz andere Sorgen: Wie viele Arbeitsplätze fallen durch den Ausstieg weg? In welchen Sektoren kommen neue Stellen dazu? Und auch: Wie steht es um die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Energie?

„Wir brauchen einen Strukturwandel“

Sebastian Lachmann, Angestellter des Kraftwerkbetreibers LEAG in Cottbus, wünschte sich vor allem Planungssicherheit: Sollte in der Lausitz der Kohleabbau eingestellt werden, "brauchen wir einen Strukturwandel in 18 Jahren". Dass sogar sein Heimatdorf dem Kohleabbau weichen musste, sah er dagegen vergleichsweise gelassen: "Die Region hängt davon ab."

Marie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, betonte: Die Energien, aus denen man aussteige, müssen ersetzt werden. "Mit dem Ende der Kernkraft bis 2022 fallen 40 Prozent der Energieerzeugung weg. Wir brauchen aber eher mehr Strom, weil wir E-Mobilität wollen und elektrisch heizen – und die Häuser sollen ja auch warm werden."

LEAG-Angestellter Lachmann stellt sich das nicht so einfach vor: "Wenn ich unsere Nachbarländer anschaue, etwa Frankreich oder Finnland - die setzen auf Atomenergie. Das wollen wir aber nicht. Jetzt gerade sind 60 Prozent klassischer Energie im Netz. Wie soll das ersetzt werden?" 

Hohe Strompreise

Und vor allem auch noch preiswert bleiben: Seit 2000 haben sich die deutschen Strompreise mehr als verdoppelt und sind mit die höchsten in Europa. Dabei ist erneuerbare Energie aus Wind- und Solarkraft relativ günstig - deutlich günstiger als etwa Energie aus Kern- und Kohlekraftwerken.

Die meisten Verbraucher merken davon wenig, laut Marie-Luise Wolff aber vor allem deshalb, weil "die Hälfte des Strompreises staatliche Abgaben sind". Die Kohlekommission wollte festlegen, dass die Bürger einen finanziellen Ausgleich für steigende Stromkosten bekommen sollen. Davon übrig geblieben ist im Gesetzentwurf ein "kann sein, muss aber nicht."

„Sehr nah am Kohlekompromiss“

Besonders Rainer Haseloff und Antje Grothes wurden sich in der Runde nicht grün: Während Haseloff sich "sehr nah am Kohlekompromiss" wähnte, warf ihm Grothe "ostdeutsche Blockade-Politik" vor, die vor allem Ängste der Kumpel schüre und so den gesellschaftlichen Frieden gefährde.

Haseloff dagegen versprach, dass in Sachsen-Anhalt in neue Arbeitsplätze bei alternativen Energieprojekten investiert werde - was Grothes ihm nicht wirklich abkaufte: "Wenn nichts passiert, gibt es auch keine Strukturwandelgelder."

Im historischen Vergleich steht der deutsche Kohleausstieg bis jetzt trotzdem wie ein strahlender Gewinner da, findet Marie-Luise Wolff. Sie erinnerte: "Um den Ausstieg aus der Kernenergie zu beschließen, haben wir 30 Jahre gebraucht  - und eine Katastrophe in Japan. Der Kohleausstieg wurde in sieben Monaten beschlossen." Auch wenn das immer noch nicht allen schnell genug geht.

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