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Menschen feiern auf dem RAW-Gelände in Berlin im Club Cassiopeia.

© Sophia Kembowski/dpa

Ausgeh-Phänomen „Needle Spiking“: Hunderte Nadel-Attacken in ganz Europa – Täter bleiben meist unbekannt

Allein in Frankreich gab es 300 Vorfälle und zuletzt auch mehrere in Berlin. Wegen fehlender Blutproben bleiben Ermittlungen meist erfolglos.

Übelkeit, Benommenheit und schließlich Gedächtnisverlust: Die Symptome nach einem „Needle Spiking“-Übergriff sind ähnlich mit denen eines Alkoholrausches - mit ein Grund, warum die sich häufenden Fälle in ganz Europa schwer aufzuklären sind. Allein in Frankreich wurden mehr als 300 Vorfälle gemeldet, bei denen Besucher von Partys oder Konzerten mit Nadeln attackiert wurden.

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Die Symptome nach den Angriffen sind vergleichbar mit dem sogenannten „Drink Spiking“, besser bekannt unter dem Oberbegriff K.-o.-Tropfen. Die Betroffenen fühlen sich plötzlich unwohl, verlieren häufig die Orientierung oder sogar das Bewusstsein. Später bemerken sie - oft erst am nächsten Morgen - eine Einstichstelle einer Nadel in ihrem Arm. Ob und welche Drogen injiziert werden, bleibt meistens unklar, weil die Substanzen dann nicht mehr im Blut nachweisbar sind.

Die Angriffe ereignen sich meistens in Clubs, Bars oder bei Konzerten. In Deutschland wurde kürzlich der Fall der australischen Sängerin Alison Lewis bekannt, die von einem „Needle Spiking“-Überfall im Berghain berichtete. Anschließend wurde ein weiterer Fall aus dem Techno-Club öffentlich.

[Lesen Sie mehr zu diesem Vorfall bei Tagesspiegel Plus: „Needle Spiking“: Mehrere Frauen berichten von Spritzen-Attacken im Berliner Club Berghain (T+)]

In Belgien meldeten zwei Frauen Übergriffe auf der Pride-Parade in der Brüsseler Innenstadt. Die Polizei leitete Ermittlungen ein, Festnahmen gab es nicht.

Nur zwei Festnahmen in ganz Europa

Auch in Frankreich, wo sich seit März offenbar 302 Betroffene wegen „Needle Spiking“ bei der Polizei gemeldet hatten, gab es nur zwei Festnahmen. Zwei Frauen identifizierten nach einem Übergriff im südfranzösischen Toulon den mutmaßlichen Täter. Die Vorfälle in Frankreich ereignen sich hier vor allem bei Konzerten und Musikfestivals.

Die ersten Fälle wurden Ende letzten Jahres aus Großbritannien gemeldet. Nach der Rückkehr zur Präsenzlehre an den Universitäten wurden mehr als 1.000 Fälle unter britischen Studierenden bekannt. Auch aus den Niederlanden wurde zu dieser Zeit ein Fall öffentlich.

Das Problem bei den Ermittlungen ist die kurze Nachweisbarkeit von etwa vier Stunden der injizierten Substanzen im Blut. Durch die starke Benommenheit und die Ähnlichkeiten zum Alkoholrausch bemerken viele Betroffenen häufig erst am nächsten Morgen, was ihnen passiert ist. Ohne Blut- oder Urinprobe ist keine Strafverfolgung mehr möglich.

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Die verabreichten Substanzen konnte bisher nicht analysiert werden, Ermittler gehen aber von Rophynol und Gammahydroxybutyrat (GHB) aus, die auch bei K.-o.-Tropfen zum Einsatz kommen.

Motiv möglicherweise Spiel mit der Angst

Unklar bleiben auch die Motive der neuartigen Straftat. Die Gründerin einer britischen NGO, die sich mit dem Thema beschäftigt, nennt in einem Bericht der „Washington Post Körperverletzung, Vergewaltigung, Menschenhandel und Racheakte als mögliche Hintergründe. Denkbar sei aber auch, dass die Täter Angst schüren wollen.

Die Behörden raten deshalb, sich bei Unwohlsein sofort beim Clubpersonal oder entsprechenden Hilfskräften vor Ort zu melden. Auch hier dringen Experten nun auf besseres Bewusstsein für die neuartige Straftat. Im Vergleich zu K.-o.-Tropfen, von denen in Deutschland laut Kriminalstatistik pro Jahr mehrere hundert Fälle gemeldet werden, bleibt das Problem nämlich vergleichsweise klein.

Betroffene können sich außerdem bei entsprechenden Beratungsstellen melden. In Berlin kümmert sich beispielsweise die Initiative „Sonar um derartige Vorfälle im Nachtleben.

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