zum Hauptinhalt
In Gefahr. Die beliebte Frucht könnte schon bald weiter dezimiert und damit sehr viel teurer werden.

© picture alliance / dpa

Erst kam Corona, dann TR4: Das Ende der Billigbanane

Spät zu entdecken, kaum zu stoppen, tödlich für die Früchte: Ein Pilz verändert das Milliardengeschäft um die gelbe Staudenfrucht.

Es war eines der Horrorszenarien der Lebensmittelindustrie, nun ist es nahezu zeitgleich mit dem Coronavirus eingetroffen: TR4 hat Lateinamerika erreicht. Das Kürzel steht für einen Pilz, Tropical Race 4, der bereits Bananenplantagen in Asien und Afrika verwüstet hat und sich nun auch in Lateinamerika ausbreitet.

Vier der fünf weltweit wichtigsten Bananenexporteure sitzen hier. Der Pilz lebt im Boden, erreicht die Pflanze über die Wurzeln und blockiert ihre Wasserversorgung, sodass sie vertrocknet. Das Rennen um eine resistente Sorte macht zwar weniger Schlagzeilen, ist aber fast so eilig und verbissen wie das um einen Impfstoff gegen das Coronavirus.

Denn in Gefahr ist ein Milliarden-Exportgeschäft. Kolumbien war das erste südamerikanische Land, das die Alarmglocken läutete. „Uns haben gleich zwei Pandemien erreicht, TR4 und das Coronavirus“, sagte der Vorsitzende der Vereinigung kolumbianischer Bananenanbauer, Emerson Aguirre, der Nachrichtenagentur Reuters.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Das Coronavirus erschwerte wegen Infektionsherden unter den Mitarbeitern und sanitären Vorsichtsmaßnahmen die Ernte auch auf vielen Plantagen, die nicht von dem Pilz betroffen waren.

Costa Rica exportiert Bananen im Wert von einer Milliarde Dollar

Anfang Juli hat auch Costa Rica den phytosanitären Notstand verhängt. Das Geld aus dem dafür bestimmten Notfonds wird laut Präsident Carlos Alvarado für die Überwachung der Plantagen und das Training von Spezialisten ausgeben. 140.000 Arbeitsplätze hängen dem Verband Corbana zufolge an der gelben Frucht; 75 Prozent davon sind an der strukturschwachen Karibikküste angesiedelt. Allein Costa Rica exportiert Bananen im Wert von etwa einer Milliarde US-Dollar jährlich.

Ungenießbar. Bananen, die von dem Pilz befallen sind, sehen nicht nur eklig aus.
Ungenießbar. Bananen, die von dem Pilz befallen sind, sehen nicht nur eklig aus.

© Courtesy of panamadisease.org

Keine der kommerziell angebauten Bananensorten wird von der Plage verschont. Dramatisch ist es aber vor allem für die weltweit am meisten gehandelte und in Monokulturen angebaute Cavendish. Sie ist bei Exporteuren beliebt wegen ihrer Produktivität und der geringen Druckanfälligkeit ihrer Früchte – und weil sie grün geerntet werden kann und anschließend nachreift.

Bananen machen wichtigen Teil der Ernährung in der Karibik aus

Auf dem Spiel steht aber auch die Ernährungssicherheit zahlreicher Staaten in der Karibik und Mittelamerika, wo Bananen besonders bei der ärmeren Bevölkerung einen wichtigen Teil der Ernährung ausmachen.

Schon Mitte des 20. Jahrhunderts vernichtete eine Variante des Pilzes die mittelamerikanischen Plantagen, auf denen damals die Sorte Gros Michel angebaut wurde. Die gegen den Pilz resistente Cavendish war damals die Rettung der Bananenwirtschaft. Der neue Pilz befällt aber auch die Cavendish. Er war Ende der 90er Jahre in Taiwan aufgetaucht, hatte sich zunächst in Asien verbreitet, und nahm dann seinen Weg bis nach China und Australien. Vor fünf Jahren wurde er erstmals im afrikanischen Mocambique gefunden, 2019 schließlich auch in Kolumbien.

Maßnahmen fast so drastisch wie gegen Corona

Um die Ausbreitung zu stoppen, werden fast so drastische Maßnahmen ergriffen wie gegen das Coronavirus: Wer eine infizierte Plantage betritt, wird danach desinfiziert, ebenso das gesamte Arbeitsgerät. Doch der Pilz kann auch über Autoreifen oder Bewässerungskanäle transportiert werden. Internationale Bananenkonferenzen finden seit einigen Jahren deshalb nicht mehr in Ländern statt, die die Frucht anbauen, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern.

Forscher der britischen Universität von Exeter sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel, der die Pflanzen unter Stress setze und anfälliger mache für Krankheiten. In den vergangenen Jahren hat sich die Ausbreitung des Pilzes beschleunigt, dokumentierten die Forscher im Internet. Bislang gibt es gegen ihn kein wirksames Mittel. Bauern versuchen, ihn zu isolieren, indem sie im weiten Umkreis alle anderen Bananenpflanzen ausreißen.

Doch dann ist es oft schon zu spät. Der Pilz ist meist schon über ein Jahr im Boden, bevor sich die ersten Symptome an erkrankten Pflanzen zeigen. Diese relativ langsame Verbreitungsrate gibt den Forschern immerhin Zeit, um nach Gegenmitteln oder resistenten Sorten zu suchen. Doch das ist schwieriger als bei anderen Pflanzen.

[Jetzt noch mehr wissen: Mit Tagesspiegel Plus können Sie viele weitere spannende Geschichten, Service- und Hintergrundberichte lesen. 30 Tage kostenlos ausprobieren: Hier erfahren Sie mehr und hier kommen Sie direkt zu allen Artikeln.]

Rund 20 Prozent der Bananen-Varianten sind einer niederländischen Studie zufolge resistent gegen den Pilz. Dabei handelt es sich meistens um Kochbananen oder wilde Sorten mit vielen Samen im Fruchtfleisch, die kommerziell nicht verwertbar sind.

Eine gentechnisch modifizierte Cavendish-Sorte aus Australien befindet sich derzeit im Teststadium. Ob die Konsumenten aber auch zu genmanipulierten Bananen greifen werden, ist fraglich.

Experten halten diese Züchtungen ohnehin nicht für die beste Lösung: „Wir brauchen weniger Monokulturen und mehr Biodiversität“, fordert beispielsweise Gerrit Kema, einer der renommiertesten Bananenexperten von der niederländischen Agraruniversität von Wageningen.

Damit dürfte dann auch der Einsatz von Agrogiften abnehmen. Das wäre zudem auch der Gesundheit der Plantagenarbeiter zuträglich – würde aber den Endpreis für die Früchte in den Supermärkten deutlich erhöhen. Der Pilz könnte der Banane als Billigprodukt so ein Ende bereiten.

Zur Startseite