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Blick auf die Schutthalde im Lötschental.

© AFP/FABRICE COFFRINI

Update

Gletscherabbruch in der Schweiz: Wasser fließt gemächlich ab – Schäden von mehreren hundert Millionen Franken befürchtet

Gigantische Fels- und Eismassen haben im verschütteten Dorf Blatten einen Stausee entstehen lassen. Er scheint sich langsam zu leeren. Die Schäden aber sind enorm.

Stand:

Im Schweizer Katastrophengebiet läuft das dramatisch aufgestaute Wasser des Flusses Lonza zunächst in geordneten Bahnen ab. Die schlimmsten Befürchtungen einer Flutwelle oder einer Gerölllawine, die ins Lötschental donnern und weitere Dörfer gefährden könnten, sind zunächst ausgeblieben. „Wir rechnen nicht mit etwas Gröberem“, sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren bei einer Pressekonferenz in Ferden. Risiken bestünden aber weiter. 

„Es zeichnet sich ein erstes Gerinne ab“, sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren bei einer Pressekonferenz im Lötschental. „Der Verlauf hat uns optimistisch gestimmt, dass das Wasser sich einen guten Weg sucht.“

Auf Drohnenaufnahmen ist auf dem gut zwei Kilometer langen Schuttkegel ein Wasserrinnsal zu sehen, und weiter unten im Flussbett der Lonza fließt ebenfalls Wasser. Das deutet darauf hin, dass Wasser auch durch den zwei Kilometer Schuttkegel sickert. 

Fachleute, die das Katastrophengebiet auf rund 1.500 Metern Höhe im Lötschental im Kanton Wallis immer wieder überfliegen, sahen keine unmittelbaren Gefahren für die weiter unten im Tal gelegenen Ortschaften. 

Allerdings ist schwer zu beurteilen, wie der instabile Schuttkegel sich verändert. Am Talboden liegen rund neun Millionen Kubikmeter Material, sagte Studer. Ein Drittel dürfte Eis des Birschgletschers sein, sagte Studer. Er gehe aber bislang nicht davon aus, dass das Material sehr schnell schmilzt, sagte er.

Gefahr noch nicht vorbei

Größere Gefahr sehen Experten durch weitere Abbrüche am Kleinen Nesthorn auf mehr als 3.000 Metern, das die Katastrophe ausgelöst hat. Dort sei die Lage weiter unberechenbar. Das Gelände sei sehr steil, was die Gefahr von weiteren Gerölllawinen vergrößert. Auch Niederschläge machen den Experten sorgen, so Studer. Ab Sonntag ist in dem Gebiet schlechtes Wetter vorhergesagt. 

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Zuvor schwoll der gestaute Fluss Lonza im Lötschental so bedrohlich an, dass die Behörden weitere Gemeinden auf eine Räumung vorbereiten. „Wir fordern die Bewohner auf, persönliche Vorbereitungen zu treffen, um innert möglichst kurzer Zeit die Wohnungen verlassen zu können“, teilen die Gemeinden Steg-Hohtenn und Gampel-Bratsch mit. 

Die Gemeinden befinden sich rund 20 Kilometer unterhalb des verschütteten Dorfes Blatten, das auf 1500 Metern Höhe liegt. Insgesamt wohnen in dem Gebiet mehr als 2000 Menschen, aber der Aufruf galt nur für die Ortsteile am Talgrund, wie die Gemeinden mitteilen. Bisher wurden rund 400 Bewohner, die unterhalb des bisher betroffenen Ortes Blatten im Tal leben, evakuiert.

Der Schweizerische Versicherungsverband SVV geht schon jetzt von Schäden in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken aus, wie das SRF weiter berichtet.

Sollte es wirklich zu einem plötzlichen Wasser- und Geröllabsturz kommen, droht in dem Tal die Zerstörung von bisher verschont gebliebenen Ortschaften.

Die Armee hält sich mit Baggern bereit

Die Armee hält sich mit Wasserpumpen, Baggern und anderen schweren Räumungsmitteln sowie Beleuchtungsmaterial für einen Einsatz bereit. Der Zivilschutz wurde mobilisiert.

Im Satellitenbild oben ist das Dorf Blatten vor der Katastrophe zu sehen. Das Bild unten zeigt das Dorf nach der Katastrophe.

© REUTERS/MAXAR TECHNOLOGIES

Laut Experten stieg das gestaute Wasser der Lonza bei Blatten am Donnerstag um etwa 80 Zentimeter pro Stunde. Die Häuser, die den Erdrutsch überstanden hatten, wurden überschwemmt.

Blick in das Lötschental mit dem Geröllfeld

© AFP/FABRICE COFFRINI

Das Geröllfeld liegt direkt hinter dem Dorf Kippel.

© AFP/FABRICE COFFRINI

Vom Geröll verschonte Häuser wurden überflutet

Das Foto zeigt die verschütteten und überfluteten Häuser in Blatten.

© AFP/FABRICE COFFRINI

Blick auf das Dorf von weiter oben am Berg.

© AFP/ALEXANDRE AGRUSTI

Die Behörden haben vorsichtshalber bereits Einwohner der Gemeinden Wilder und Kippel sowie von der Fafleralp in Sicherheit gebracht. Es handelt sich um 16 Personen, wie der regionale Führungsstab Lötschental mitteilte. Das Gestein- und Eisgemisch liegt meterhoch auf einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von 200 Metern.

Satellitenaufnahme des teilüberfluteten Ortes.

© AFP/Handout/Satellite image ©2025 Maxar Technologies

Das Dorf Blatten war angesichts des drohenden Felsabbruchs schon vergangene Woche geräumt worden. 90 Prozent der Häuser wurden nach dem gewaltigen Naturereignis am Mittwoch von einer meterhohen Schuttschicht bedeckt. Die anderen stehen inzwischen im Wasser, weil der Schuttkegel das Flussbett der Lonza versperrt hat und das Wasser sich dahinter staut.

Hier der See im Größenvergleich mit dem Geröllfeld. Der Fluss Lonza lässt den See immer größer werden.

© AFP/HANDOUT

Ein 64 Jahre alter Mann, der sich trotz der Warnungen in der Gegend aufhielt, wird noch vermisst. Die Suche musste vorübergehend eingestellt werden, wie die Polizei mitteilte. Die Entscheidung fiel „aufgrund der anhaltenden Instabilität des Absturzmaterials aus Eis, Fels und Wasser und der damit verbundenen Gefährdung der Einsatzkräfte“.

Bewohner von Blatten wurden schon in Sicherheit gebracht

Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter drückte den Bewohnern von Blatten ihr Mitgefühl aus. „Es ist schlimm, wenn man seine Heimat verliert“, schrieb sie auf der Plattform X. 

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Der öffentlich-rechtliche SRF zeigte Aufnahmen von einer riesigen Staubwolke, die sich mit den Schuttmassen den Berg hinabwälzte. Laut dem Schweizerischen Erdbebendienst wurde die Erde mit einer Stärke von 3,1 erschüttert. Zuvor waren bereits in der Nacht zum Dienstag größere Mengen an Eis, Fels, Schnee und Wasser talwärts gestürzt.

Die rund 300 Einwohner des Dorfes Blatten haben alles verloren. 90 Prozent des Dorfes, rund 130 Häuser sowie die Kirche, sind unter einer Schuttschicht begraben. Sie sei zwischen 50 und 200 Metern dick, sagte Naturgefahrenchef Raphaël Mayoraz bei einer Medienkonferenz. Der Kegel ist zwei Kilometer lang und rund 200 Meter breit. Insgesamt donnerten nach Schätzungen drei Millionen Kubikmeter Fels, Geröll und Eis des Birchgletschers ins Tal. 

Seit die Eis- und Gerölllawine am Mittwochnachmittag mit gigantischem Getöse und einer Staubwolke wie nach einer Explosion ins Tal donnerte und Blatten unter sich vergrub, werden die Bewohner abgeschirmt und betreut.

Blatten ist das letzte Dorf im 27 Kilometer langen Lötschental. Es liegt auf rund 1500 Metern.

Auslöser dieser Ereignisse war ein relativ langsam verlaufender Bergsturz am rund 3.800 Meter hohen Kleinen Nesthorn, oberhalb des nun abgestürzten Birchgletschers. Durch das Abbröckeln des Kleinen Nesthorns lagerten sich in den vergangenen Tagen rund neun Millionen Tonnen Schuttmaterial auf dem Gletscher ab und übten Druck auf die Eismassen aus.

Schweizer Gletscher schmolzen wegen der Klimaerwärmung zwischen 2022 und 2023 so stark wie im gesamten Zeitraum von 1960 und 1990 und verloren zehn Prozent ihres Volumens. 

Die Naturkatastrophe sei historisch „beispiellos“, sagte Raphaël Mayoraz, ein Naturgefahren-Experte des Kantons Wallis.

Der Abgeordnete Beat Rieder aus dem Nachbarweiler Wiler sprach im Fernsehen von einer Jahrhundertkatastrophe. „Es ist ein Ereignis, das das Tal seit Beginn der Geschichtsschreibung nie erlebt hat“, sagte er im Schweizer Fernsehen. „Die Leute haben alles verloren, was man sein ganzes Leben aufgebaut hat“, sagte er. „Man blickt auf den Bildschirm und kann nichts machen, das ist ein schwerer Schock.“ (Mit Agenturen)

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