zum Hauptinhalt
Queere Menschen kämpfen für ihre Rechte, wie hier in Krakau.

© IMAGO/NurPhoto

Neue Analyse von Transgender Europe: „Angriffe auf trans Personen sind Angriffe auf die Demokratie“

Am 17. Mai findet der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit statt. Die Rechte von trans Personen sind in Europa vielerorts in Gefahr, wie eine Untersuchung zeigt. Es gibt aber auch positive Entwicklungen.

Genau 33 Jahre ist es her, dass Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen wurde. Über Jahrzehnte hatten queere Menschen auf der ganzen Welt sich dafür eingesetzt, dass Homosexualität endlich nicht mehr offiziell als Krankheit gilt. Dieser Meilenstein wird seither am 17. Mai gewürdigt, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit (Idahobit) gewürdigt.

Doch die Errungenschaften der vergangenen Jahre können nicht darüber hinwegtäuschen, dass queere Menschen in zahlreichen Ländern täglich Diskriminierung erleben und auf große Hürden stoßen. Das geht auch aus der „Trans Rights Index & Map 2023“ hervor, die das Netzwerk Transgender Europe veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich um eine umfassende Analyse der Situation von trans Person in 54 Ländern in Europa und Zentralasien, bei der verschiedene Faktoren untersucht und in einer Karte zusammengefasst wurden wie die rechtliche Anerkennung des Geschlechts, das Gesundheitssystem und Familie.

Insgesamt zeigt die Analyse, dass die rechtliche Lage von trans Personen sich im vergangenen Jahr vielerorts verbessert hat. Insbesondere Spanien, Moldawien, Andorra, Finnland und Island haben die Rechte von trans Personen gestärkt. „Die Länder, die im vergangenen Jahr den Schutz und die Menschenrechte verbessert haben, taten dies, indem sie den Zugang von trans Personen zur Selbstbestimmung, das Recht auf ein Leben frei von Hass und Diskriminierung und das Recht auf körperliche Autonomie stärkten“, erklärt Freya Watkins, Research Officer bei TGEU.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Spaniens Gesetz wird hervorgehoben

So ist es in Finnland mittlerweile möglich, relativ unkompliziert den Namen und den Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Auch in Spanien wurde im Dezember ein neues Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das eine Änderungen des Geschlechtseintrags ohne Gutachten möglich macht. In der Studie wird Spaniens neues Gesetz explizit hervorgehoben, da es zudem weitere Aspekte berücksichtigt wie den Schutz von trans Migrant*innen und deshalb als besonders fortschrittlich eingestuft wird.

Auch Andorra hat die Hürden für erwachsene trans Personen gesenkt, die erstmals eigenständig den Namen und den Geschlechtseintrag ändern können. „Entscheidend ist, dass nun vorher keine obligatorischen medizinischen oder chirurgischen Eingriffe erforderlich sind“, sagt Watkins. Auch Moldawien habe neue Gesetze eingeführt zur Bekämpfung von Diskriminierung, Hassverbrechen und Hassreden gegenüber trans Personen.

54
Länder in Europa und Zentralasien wurden untersucht.

An der Spitze der Rangliste steht Island, das damit Malta überholt hat. „Island hat einen neuen Aktionsplan zur Gleichstellung und verabschiedet und die Gleichstellungsvorschriften geändert, um trans Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Wohnen zu schützen“, sagt Watkins.

Transfeindliche Backlashes in der Slowakei

Gleichzeitig besteht in zahlreichen europäischen und zentralasiataischen Ländern jedoch die Gefahr von Rückschritten und „transfeindlichen Backlashes“, wie aus der Studie hervorgeht. In der Slowakei etwa hat das Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, der die rechtliche Anerkennung des Geschlechts vollständig verbieten würde. Watkins sieht hier Parallelen zu Ungarn, wo die rechtliche Änderung des Geschlechtseintrags bereits 2020 verboten wurde. Demnach darf im standesamtlichen Personenregister das Geschlecht, das nach der Geburt eingetragen wurde, später nicht mehr verändert werden. Dasselbe droht nun trans Personen in der Slowakei.

Pride Parade in der ungarischen Hauptstadt Budapest.
Pride Parade in der ungarischen Hauptstadt Budapest.

© imago images/ZUMA Wire

„Wir erleben einen Anstieg des Autoritarismus“, sagt Watkins. „Regierungen nutzen Krisen wie die Pandemie und den Krieg in der Ukraine als Vorwand, um marginalisierten Gemeinschaften ihre Rechte zu nehmen.“ Die Anti-Trans-Bewegung, die gut organisiert, finanziert und einflussreich sei, versuche, von dieser Situation zu profitieren. „Das bedeutet, dass wir ständig wachsam sein müssen, wenn es um den Rückschritt bei Trans-Rechten geht.“ Angriffe auf trans Personen seien zudem eng verknüpft mit Angriffen auf die Rechte von Frauen, queere Menschen, Geflüchtete und Sexarbeiter*innen.

Auch zahlreiche EU-Mitgliedstaaten kämen ihren Verpflichtungen gegenüber trans Personen nicht nach, heißt es in der Analyse des TGEU. Die Länder Bulgarien, Dänemark, Estland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn würden trans Personen weiterhin keinen ausdrücklichen Asylschutz im Gesetz gewähren und damit gegen EU-Recht verstoßen.

Außerdem verlangen alle Länder bis auf Malta eine Diagnose der psychischen Gesundheit, um Zugang zur trans-spezifischen Gesundheitsversorgung zu erhalten. Nicht-binäre Personen stehen vor weiteren großen Herausforderungen, denn sie können bislang nur in Island und Deutschland das Geschlecht rechtlich anerkennen lassen. Dänemark und Malta bieten eine teilweise Anerkennung an.

Mehr Sensibilisierung im Gesundheitsbereich

Insgesamt bestehen weiterhin große Lücken und in vielen der untersuchten Ländern erleben trans Personen Diskriminierung, sowohl auf rechtlicher als auch medizinischer und gesellschaftlicher Ebene. Damit sich das ändert müssten die Trans-Community, Aktivist*innen und andere zivilgesellschaftliche Kräfte besser in die Entscheidungsfindung eingebunden werden, sagt Watkins. „Trans Menschen, insbesondere die am stärksten Marginalisierten, müssen zum Beispiel in Programme zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt einbezogen werden.“

Wir erleben einen Anstieg des Autoritarismus.

Freya Watkins, Research Officer bei TGEU

Zudem bräuchte es mehr Sensibilisierung im Gesundheitsbereich. „Die trans-spezifische Versorgung muss auf Grundlage der freien, vorherigen und informierten Zustimmung erfolgen“, sagt Watkins. Darüber hinaus seien sichere Wege für trans Geflüchtete wichtig und Sexarbeit müsse entkriminalisiert werden.

Watkins betont in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von transnationaler Solidarität. Insbesondere EU-Mitgliedsstaaten sollten dazu verpflichtet werden, trans Geflüchtete zu schützen. „Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass die Rechte von trans Personen nirgendwo selbstverständlich sind“, sagt Watkins.

„Unsere Daten aus dem letzten Jahrzehnt zeigen einen alarmierenden Verlust von Trans-Rechten in westlichen Staaten, die einst als ‚fortschrittlich‘ galten, wie das Vereinigte Königreich.“ Die Staaten und internationalen Institutionen sollten Angriffe auf trans Personen deshalb zugleich als Angriffe auf die Demokratie als solche verstehen – und sie entschieden zurückweisen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false