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Regisseur Faraz Shariat bekam für "Futur Drei" den Spielfilm-Teddy und den Leserjury-Teddy von queer.de.

© Christoph Soeder/dpa

Teddy Award bei der Berlinale 2020: Die Zukunft ist bunt

Faraz Shariat gewinnt mit seinem Debütspielfilm „Futur Drei“ den Teddy Award für den besten queeren Film. Der erstmals vergebene Activist Award geht nach Russland.

Es dauert ein bisschen, bis sie alle auf der Bühne ankommen. Erstmal herzen und freuen sich die Team-Mitglieder von „Futur Drei“ im Saal – dann kann es losgehen mit der Teddy-Ehrung für den besten queeren Film der 70. Berlinale. Auch als die zehn jungen Menschen nah nebeneinander im Rampenlicht der Berliner Volksbühne stehen, ist ihre Verschworenheit zu spüren.

Ein beglückender Anblick, der unmittelbar veranschaulicht, was Regisseur Faraz Shariat schon vorab immer wieder betont hat: „Futur Drei“ ist das Werk eines Kollektivs. Und so hält er – die Trophäe mit dem kleinen, dicken Teddy in der Hand – keine ausschweifende Rede, sondern sagt einfach nochmal allen Danke, die hinter ihm stehen, nennt ihre Namen und ihre Tätigkeit von Kostüm über Schauspiel bis hin zur Musik. Weil es eine lange, fröhliche Reihe ist, fällt kaum auf, dass Benjamin Radjaipour fehlt, einer der drei Hauptdarsteller. Das Kollektiv vertritt ihn.

Ein Film mit autofiktionalen Elementen

Die Teddy-Jury hat mit „Futur Drei“ eine gute Wahl getroffen. Der in Hildesheim angesiedelte Coming-of-Age-Film war auf dem Festival sowohl ein Publikums- als auch ein Kritikerliebling. „Er wirft nicht nur einen Blick in die Zukunft des deutschen Kinos, sondern auch in die Zukunft Deutschlands“, sagte Jurymitglied Ksenia Ilina zur Begründung der Entscheidung. Sie variiert damit ein Zitat aus dem Film, der von einem in Deutschland aufgewachsenen Sohn iranischer Einwanderer erzählt, der sich mit einem aus dem Iran geflüchteten Geschwisterpaar anfreundet.

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Mit leichter Hand verwebt der 1994 in Köln geborene Faraz Shariat, der auch autofiktionale Elemente einbaut, eine schwule Liebesgeschichte mit einer Reflexion über Heimat, Freiheit und Identität. Dass „Futur Drei“ dabei teils sehr unterschiedliche visuelle Stile verwendet, spiegelt die Hybridität seiner Figuren. Vor allem der von Benjamin Radjaipour verkörperte Parvis aus Hildesheim steht für diese postmigrantische Perspektive. Und die wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Schreiminuten gegen Rechtsextremismus

Zu Parvis’ Gegenwart gehört Rassismus, was Shariat beiläufig, aber prägnant thematisiert. Dass es Schwule sind, die diskriminierende Sprüche machen, ist ein aufschlussreiches Detail – und sollte auch auf einer Veranstaltung wie der Teddy-Gala tu denken geben. Denn selbst wenn an diesem Abend immer wieder antirassistische Statements formuliert werden und es zu Beginn statt einer Schweigeminute für die Opfer von Hanau eine Schreiminute gegen Rechtsextremismus gibt, bleibt auch innerhalb der LGBT-Community noch einiges zu tun.

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Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt – viele queere Menschen haben Erfahrung damit. In Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus wächst die Unsicherheit, aber auch der Widerstand. Michael Stütz, erstmals alleiniger Leiter des Panoramas – traditionell die Berlinale-Sektion mit den meisten Filmen über Homosexuelle und trans Menschen –, betont in einer mitreißenden Rede, wie wichtig die rebellische Energie des gegenwärtigen queeren Kinos ist. Es in geschützten Räumen wie einem Festival zu erleben, gebe Inspiration und Kraft in einer oftmals nicht wohlgesonnenen Umwelt zu bestehen.

Regisseur David France (li.) stellt in "Welcome to Chechnya" die Arbeit von Olga Baranova und Maxim Lapunov vor, mit dem Teddy Activist Award ausgezeichnet wurden.
Regisseur David France (li.) stellt in "Welcome to Chechnya" die Arbeit von Olga Baranova und Maxim Lapunov vor, mit dem Teddy Activist Award ausgezeichnet wurden.

© dpa

Ein Film auf den das ganz besonders zutrifft ist „Welcome to Chechnya“ von David France, der die Arbeit einer russischen Hilfsorganisation dokumentiert. Sie ermöglicht Homosexuellen die Flucht aus Tschetschenien, das seit einigen Jahren für deren brutale Verfolgung bekannt ist. Der erstmals verliehene Teddy Activist Award geht an diese Gruppe, der es gelang, über 150 Menschen in Sicherheit zu bringen. Einer von ihnen ist der Russe Maxim Lapunov, der während eines Arbeitsaufenthalts in Tschetschenien verhaftet und gefoltert wurde.

Heute setzt er sich für eine Veränderung der Zustände in dem Land ein. Als Lapunov zusammen mit seinen Rettern David Isteev und Olga Baranova auf die Bühne kommt, erhebt sich der gesamte Saals und applaudiert minutenlang. Es ist der emotionale Höhepunkt eines ansonsten eher unaufgeregten Abends, der von der Aktivistin und Autorin Annie Heger teils recht ungelenk moderiert wird.

Einen kurzen, stillen Höhepunkt setzt Tsai Ming-Liang, als er für seinen wunderschönen, extrem langsamen, dialogfreien Film „Days“ mit dem Jury-Preis ausgezeichnet wird. Er widmet ihn seiner Heimat Taiwan. Und erinnert daran, dass dort im vergangenen Jahr die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt wurde. Es war das erste Land Asiens, in dem das geschah. Tsai Ming-Liang strahlt über das ganze Gesicht, reckt den Arm. Manchmal geht es eben auch voran mit den Homo-Rechten. Nadine Lange

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