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Parks umschließen das Zentrum von Perth am Swan River.

© Tourism Western Australia

Perth: Warum man den sonnenreichsten Ort Australiens besuchen sollte

Perth galt als „langweilige Stadt von Filialleitern“. Mit neuen Museen, Fahrradwegen und Matcha-Eis arbeitet die Metropole nun heftig dagegen an.

Begehrte Randlage

Adie Chapman findet für den Yagan Square nur zwei Worte. „Ziemlich revolutionär“, sagt die Mittzwanzigerin, sei der neue Platz im westaustralischen Perth. Damit könnte die Stadtführerin mehrere Dinge meinen: Der Platz ist für Fußgänger entworfen, er verbindet von Autobahnen abgetrennte Viertel miteinander und erinnert mit einer Stahlskulptur an die Ureinwohner des Landes, die Aborigines. Alles undenkbar vor wenigen Jahren.

Die Stadt am Indischen Ozean prosperiert, weil um sie herum wertvolle Bodenschätze vorkommen und Dutzende Bergbauunternehmen in Perth ihren Sitz haben. Dabei liegt kaum eine andere Millionenmetropole so isoliert wie die Hauptstadt des Bundesstaates Western Australia. Die nächstgrößere Stadt, Adelaide, findet sich rund 2600 Kilometer entfernt. Dazwischen gibt es Wüste, Grasland, Berge und viele Strände. Man kam nicht einfach so nach Perth, also besuchte auch kaum ein Tourist den Ort. Warum auch? Ein Ring von Einfamilienhäusern dehnt sich kilometerweit um das Wolkenkratzerzentrum aus, das nach Büroschluss wie ausgestorben wirkte. Eine „langweilige Stadt von Filialleitern“ nannte sie der australische Schriftsteller Robert Drewe in seinem Bestseller „The Shark Net“.

Nun verändert sich Perth. Spätestens, seit vor einem Jahr die einzigen Nonstop-Flüge aus Europa am Swan River landeten, kommen mehr Urlauber in die Stadt und wollen mehr sehen als das Umsteigeterminal. Plötzlich gibt es Fahrradwege, kostenlose Buslinien, gelockerte Ausschankregeln, schicke Restaurants, neue Museumsprojekte, Ideen, die Innenstadt zu beleben. Junge Menschen wie Adie Chapman wollen nicht mehr draußen im Grünen, sondern nahe der Ausgehviertel wie Northbridge und Leederville wohnen. Nicht zuletzt wegen dieses Wandels wählte die „New York Times“ Perth zu einem Ort, den man dieses Jahr unbedingt besuchen sollte.

Der Yagan Square ist ein gutes Beispiel dafür, was die Stadt nun anders macht. Der Platz funktioniert wie ein Atrium, an dem sich besonders abends die junge Generation trifft. Gemeinsam flanieren die Gruppen aus der City hinüber nach Northbridge, einem Viertel mit Kolonialhäusern. Dort können sie auf einem Parkhausdach Kinofilme gucken, auf der Straße Falafel essen oder neben dem Kunstmuseum einen Espresso trinken – natürlich alles unter freiem Himmel.

Frische Farben

Die Parkplätze und Innenhöfe der Innenstadt sahen nach Arbeitsschluss oft trostlos aus. Vor einigen Jahren kamen Künstler auf die Idee, den Nichtorten eine neue Ästhetik zu geben. Da schaukelt auf einer Parkplatzwand ein seltsames Wesen, lacht ein Bär in einer Garagenausfahrt oder schlängelt sich ein meterhoher Seedrache über eine Mauer. Besonders rund um die Wolf Lane haben sich mehrere Kreative verewigt.

Dorthin führt Adie Chapman seit einigen Jahren Touristen. Eigentlich hat sie Maschinenbau studiert, was man eben tut in Perth, weil in der Branche nach wie vor die besten Jobchancen bestehen und die höchsten Gehälter gezahlt werden. Nach Studienabschluss fühlte sie sich zu jung für eine „Fifo“-Karriere – eine Karriere nach dem Fly-in-fly-out-Prinzip. Für drei Wochen in einer abgelegenen Mine arbeiten, eine Woche zu Hause in Perth bleiben.

Adie Chapman wollte nicht zu diesen Menschen gehören. Also gründete sie mit ihrer Schwester eine Agentur und organisiert seitdem Spaziergänge durch die Stadt. Zeigt den Touristen, wo die beste Street-Art zu finden ist, wo Art-Deco-Bauten in der Fußgängerzone stehen, wo die schönsten Farben an den Fassaden kleben.

Demnächst bietet die Stadt noch mehr Design. Kommendes Jahr eröffnet der Neubau des Museums of Western Australia. Ein Stahl- und Glaskasten überragt dann den alten Backsteinbau und wird die Ausstellungsfläche auf 6000 Quadratmeter erhöhen, eine Kooperation von Rem Koolhaas’ Designschmiede OMA mit Australiens größtem Architekturbüro Hassell.

Manchmal muss man einfach in den Schatten

„Pinnacles“ heißen diese Kalksteinformationen im Nationalpark Nambung.
„Pinnacles“ heißen diese Kalksteinformationen im Nationalpark Nambung.

© Daniel Fernandez Campos

Köstliche Ungetüme

Adie Chapman steht in der Innenhalle der restaurierten State Buildings und zeigt auf einen holzgetäfelten Container, der zu einer mobilen Bar umgebaut wurde. „Hier gibt es den besten Kaffee der Stadt“, verkündet sie. Das „Telegram“ hat bereits der „Lonely Planet“ zu einer der besten Kaffeebars des Kontinents erhoben. Bis nachmittags um vier bestellen Banker und Hipster brasilianischen und mexikanischen Kaffee. Danach herrscht wie in der gesamten Stadt Lattedürre.

In einem anderen Innenhof im selben Komplex hat das thailändische Restaurant „Long Chim“ eröffnet. Unbedingt vorher reservieren und den Fried Rice mit Ente oder das angenehm scharfe Pad Thai probieren. Von den Tischen kann man wunderbar die Wandgemälde im Hof bewundern und ein Foto von den hängenden bunten Schirmen machen.

Eine andere Empfehlung ist der „Hummus Club“ in Northbridge (258 William Street), ein charmantes Restaurant mit exzellenter mediterraner Küche: knackig frittierter Blumenkohl mit Mandeln, Brotsalat zu Wassermelone, cremiger Hummus. Natürlich kann man das Essen auf der Terrasse genießen. Abends fallen die Temperaturen auf angenehme 24 Grad, geradezu erfrischend, wenn tagsüber das Thermometer an heißen Sommertagen bis zu 40 Grad anzeigt.

Nebenan verführt die Whisk Cremerie (246 William Street) zu dekadenten Desserts. Matcha-Eis mit Erdbeeren und roten Bohnen? Oder lieber das Chocolate-Sandwich, bei dem sich Schichten von belgischem Schokoladeneis, Milchschokoladensauce und Erdbeeren zu einem kaum verschlingbaren Ungetüm auftürmen.

Schattige Plätzchen

Perth hat pro Jahr rund 265 Sonnentage mit durchschnittlich neun Stunden Sonnenschein. Das macht sie zur sonnenreichsten Stadt des gesamten Kontinents. Manchmal muss man einfach in den Schatten.

Zum Beispiel im Kings Park, zehn Minuten Fußweg westlich vom Zentrum. Er ist größer als der Central Park in New York und in einen kultivierten Botanischen Garten sowie eine naturbelassene Buschlandschaft aufgeteilt. Besucher können dort leicht Schwärme von schwarzen Kakadus entdecken. Ihr Geschrei ist definitiv nicht zu überhören.

Die meisten Städter erholen sich jedoch an den 80 Kilometer langen Stränden im Stadtgebiet. Am Scarborough Beach aalen sich Besucher und Einheimische auf einem weißen Sandstrand und schauen Surfanfängern bei ihren ersten hilflosen Versuchen zu. Je weiter man nach Norden gelangt, umso einsamer werden die Strandabschnitte. Doch Vorsicht: Trotz der hohen Lufttemperatur ist das Wasser ozeanfrisch und selten mehr als 20 Grad warm.

Winzige Kängurus

Mit einer Fähre vom Zentrum gelangt man in etwa 90 Minuten nach Rottnest Island. Autos sind auf der 19 Quadratkilometer großen Insel nicht erlaubt, mit dem Leihfahrrad lassen sich die zerklüfteten Buchten jedoch gut erkunden. Und ganz nebenbei kommen Radler den Lieblingen des Eilands nahe.

Begegnung mit Quokkas, den pelzigen Ureinwohnern von Rottnest Island.
Begegnung mit Quokkas, den pelzigen Ureinwohnern von Rottnest Island.

© Daniel Fernandez Campos

Einfach das Rad abstellen und warten, bis aus dem Gebüsch Mini-Kängurus heranhopsen. Die Quokkas sind auf dem Festland beinahe ausgestorben und haben auf Rottnest Island nur überlebt, weil dort keine aus Europa eingeführten Tiere leben. Die größte Belastungsprobe bei solchen Begegnungen: in die Knopfaugen zu schauen und kein Futter zu spendieren.

Knapp zwei Stunden nördlich von Perth befindet sich eine der kuriosesten Steinformationen Westaustraliens. Die Pinnacles sind von Wind, Wasser und Sonne geformte Kalksteingebilde, die am Rande der Wüste stehen. Besonders zum Sonnenuntergang lohnen sich Ausflüge. Von den majestätischen Hügeln sieht man kilometerweit zum Meer hinunter, wo in der Dämmerung Emus aus dem Dickicht hervorstelzen und die Sonne blutrot im Ozean verschwindet.

Reisetipps für Perth

Hinkommen

Qantas fliegt von London direkt nach Perth, 16 Stunden dauert die Reise. Mit Zubringer ab Berlin kostet ein Ticket ab 1500 Euro.

Unterkommen

Das Como The Treasury liegt in den denkmalgeschützen State Buildings, ab 195 Euro. (comohotels.com) Das Hotel hat die Reise unterstützt. Alternative: Melbourne Hotel ab 90 Euro (melbournehotel.com.au).

Rumkommen

Ausflüge zu den Pinnacles buchbar unter exploretoursperth.com, die Stadtspaziergänge mit Adie Chapman unter ohheywa.com.au.

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