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Gesundheit: „Entschieden zu viel Hollywood“

Der Klonexperte Miodrag Stojkovic wünscht sich eine offene Diskussion über Stammzellforschung

Miodrag Stojkovic, einer der weltweit führenden Stammzellforscher, wurde bekannt als „Vater“ der ersten europäischen geklonten menschlichen Embryonen. Der Veterinärmediziner studierte in Belgrad, forschte ab 1991 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, war später für drei Jahre im englischen Newcastle upon Tyne und ist seit letztem Jahr im Centro de Investigación Principe Felipe im spanischen Valencia tätig. Am Mittwoch hielt er an der Berliner Uniklinik Charité einen Vortrag über Stammzellen.

Warum sind Sie eigentlich von Deutschland nach England gegangen?

Ich wollte immer mit embryonalen Stammzellen arbeiten. Ihr Potenzial fasziniert mich. In Deutschland wird diese Forschung eher diskriminiert. Auf jeden Fall ist man als Wissenschaftler wenig flexibel, ganz im Unterschied zu Schweden oder Großbritannien. Dort darf man mit Stammzellen arbeiten, die von überzähligen Embryonen abgeleitet werden, und es gibt die Lizenz zum therapeutischen Klonen. Die Zelllinien, mit denen in Deutschland nach dem Stammzellgesetz gearbeitet werden darf, sind dagegen mit tierischen Zutaten verunreinigt. Falls Behandlungen mit embryonalen Stammzellen möglich werden, dann bestimmt nicht auf Basis dieser alten Zelllinien. Dabei gibt es auch hier überzählige Embryonen, die nach Behandlungen in der Fortpflanzungsmedizin übrig bleiben und aus denen man Zelllinien gewinnen könnte. Bei der Entwicklung geht es auch um Patentschutz – den andere beantragen werden, wenn in Deutschland nicht auf diesem Gebiet gearbeitet werden darf.

Was sollte sich aus Ihrer Sicht in Deutschland ändern?

Ich wünsche mir eine offenere Diskussion über Stammzellforschung, in der die verschiedenen Stammzell-Arten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Gegner der Forschung mit embryonalen Stammzellen machen ja manchmal unverantwortliche Aussagen, vor allem über das therapeutische Klonen. Da werden teilweise Horrorszenarien über das Klonieren von Menschen entwickelt, es wird entschieden zu viel Hollywood beigemischt. In England, wo es schon seit den 70er Jahren eine breite Aufklärung über diese Themen gibt, lernt man die Argumente schon in der Schule kennen. Ich selbst habe dort oft sogar schon vor Grundschülern gesprochen. Aber nicht nur ich, sondern auch Gegner dieser Forschungsrichtung!

Was in der Öffentlichkeit ankommt, wenn es um das therapeutische Klonen geht, sind auch Geschichten von Lug und Trug. Das weckt nicht gerade Vertrauen in diese Forschungsrichtung.

Sie meinen die gefälschten Daten von Hwang Woo Suk aus Südkorea. Das ist eine traurige Geschichte, in der es nicht zuletzt um großen Druck und große Privilegien der Forscher ging.

Auch bei Ihnen in Newcastle gab es Streit um die Veröffentlichung der Daten. Ein Wettlauf mit Südkorea?

Wir waren nie eine Konkurrenz für die Südkoreaner. Sie verfügten ja über ein enormes Budget und Tausende eigens für diese Versuche gespendeter Eizellen, wir hatten nur ein paar Dutzend Eizellen, die sonst verworfen worden wären. Wir haben ihren Daten also geglaubt. Wenn es eine Erkenntnis aus dem Skandal gibt, dann die, dass Bescheidenheit weiter- führt. Der Umgang mit den Medien ist dabei ein ganz wichtiges Thema: Bei unserem Konflikt in Newcastle ging es darum, dass einige beteiligte Forscher mit unseren Ergebnissen in die Öffentlichkeit gehen wollten, bevor sie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht waren. Man muss aber unbedingt zuerst den Fachleuten beweisen, dass es klappt.

Woran forschen Sie jetzt in Valencia und wie sind die Arbeitsbedingungen in Spanien?

Einerseits laufen die Vorbereitungen für Versuche auf Hochtouren, bei denen wir in entkernte menschliche Eizellen das genetische Material eines anderen Menschen einsetzen wollen. Ich würde gern dort weitermachen, wo ich in Newcastle aufgehört habe. Die Ausstattung und der Wille dazu sind da, wir warten nur noch auf die Lizenz. Auf jeden Fall hat die Regierung des überwiegend katholischen Landes eine sehr positive Einstellung zu dieser Forschung, sie wird auch finanziell großzügig unterstützt.

Weil man sich schnelle Therapieerfolge erhofft?

Nein, Ziel dieses „therapeutischen Klonens“ ist nicht nur, eines Tages maßgeschneiderte Stammzelltherapien zu haben. Wir wollen vor allem etwas über erbliche Erkrankungen lernen. Diese Versuche machen zudem nur fünf Prozent unserer Arbeit aus. Hauptsächlich arbeiten wir mit embryonalen Stammzellen. Wir interessieren uns dafür, wie man die Kulturbedingungen für sie verbessern kann. Und wir wollen zum Beispiel wissen, wie man sie dazu bringen kann, Zellen zu werden, die Insulin produzieren.

Wird Diabetes das Gebiet sein, auf dem die Therapie mit embryonalen Stammzellen zuerst gelingt?

Ich tippe eher auf die Behandlung von Rückenmarksverletzungen, die zum Beispiel zu Querschnittslähmungen führen. Zwei Forschungsgruppen aus den USA sind hier im Tierversuch erstaunlich weit gekommen: Sie haben Ratten mit embryonalen Stammzellen behandelt, und diese Tiere konnten nach vier Monaten wieder laufen. Bisher sind allerdings Studien an Menschen noch nicht genehmigt worden, weil die bisherigen Versuche mit alten Stammzelllinien erfolgten, die zu hohe Risiken bergen. Ein anderes hoffnungsvolles Feld ist das Herz, denn es ist schon gelungen, embryonale Stammzellen dazu zu bringen, dass sie sich wie Herzmuskelzellen verhalten.

Das Gespräch führte Adelheid Müller-Lissner.

Miodrag Stojkovic (42) ist Stammzellforscher in Valencia/Spanien. Er gilt als erster Europäer, der menschliche Embryonen klonte.

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