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Passanten in Chengdu.

© Reuters/TINGSHU WANG

Update

China erlaubt US-Covid-Medizin: Experten rechnen mit 1,7 Millionen Corona-Toten bis Ende April

In China steigt die Zahl der Corona-Fälle rasant. Die Regierung in Peking gestattet deshalb nun den Einsatz des Medikaments Lagevrio eines US-Herstellers.

| Update:

In der massiven Corona-Welle in China haben die chinesischen Behörden den Einsatz des Medikaments Lagevrio (Molnupiravir) des amerikanischen Herstellers Merck erlaubt. Über die Notzulassung, die an Auflagen gebunden ist, berichtete die chinesische Arzneimittelaufsicht am Freitag auf ihrer Webseite.

Mit dem Medikament könnten Patienten mit zunächst leichten Symptomen behandelt werden, die Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf haben, wie schwere Krankheiten, hohes Alter, Übergewicht, Diabetes, Herz- oder Lungenkrankheiten oder Krebs hätten, teilte die Behörde mit. Im Februar war bereits das Medikament Paxlovid von Pfizer erlaubt worden.

Das bevölkerungsreichste Land der Erde erlebt gerade eine riesige Corona-Welle, der besonders Menschen im hohen Alter oder mit Vorerkrankungen zum Opfer fallen. Krankenhäuser sind überlastet, Krematorien können die Leichen nicht schnell genug einäschern.

Nach westlichen Schätzungen könnten schon Zehntausende ums Leben gekommen sein. Doch wird in China nach einer sehr engen Definition nur jemand als Corona-Toter gezählt, der nach einer Infektion an Lungenentzündung oder Versagen der Atemwege gestorben ist. Die Regierung in Peking hat seit einer Kehrtwende in ihrer Corona-Politik am 7. Dezember zehn Tote in Zusammenhang mit dem Virus gemeldet. 

Nach fast drei Jahren mit Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne hatte China abrupt ein Ende seiner Null-Covid-Politik verkündet. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen.

Experten sahen den Grund allerdings vor allem darin, dass die strikten Maßnahmen mit der explosionsartigen Ausbreitung nicht mehr Schritt halten konnten. Auch belasteten die Beschränkungen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zunehmend.

Wohl 9000 Corona-Tote pro Tag in China

Nach offiziell unbestätigten internen Schätzungen haben sich allein in den ersten drei Dezemberwochen 248 Millionen Menschen oder 18 Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert. Nach Berechnungen des in London ansässigen Forschungsunternehmens Airfinity infizieren sich gerade täglich 1,8 Millionen Menschen neu, während etwa 9000 sterben. Das wäre fast eine Verdoppelung im Vergleich zur Schätzung in der vergangenen Woche.

Der Höhepunkt der jetzigen Welle dürften den Modellrechnungen zufolge am 23. Januar erreicht werden mit etwa 25.000 Toten pro Tag, heißt es weiter. Bis Ende April könnte die Zahl der Corona-Toten den Berechnungen zufolge auf 1,7 Millionen anwachsen. Offizielle Zahlen veröffentlichen die chinesischen Behörden nicht mehr.

Insbesondere der Mangel an transparenten Daten aus China zum Ausmaß der Corona-Welle löst derzeit international wachsende Besorgnis aus. Vor allem ein Fehlen an Daten aus der Gen-Sequenzierung erschwert es laut US-Regierungsvertretern auch, etwaige neue Virusvarianten zu identifizieren und entsprechend zu reagieren.

Am Montag hatte Peking auch das Ende der Corona-Quarantänepflicht für Rückkehrer aus dem Ausland angekündigt und damit einen Ansturm reisewilliger Chinesen bei Buchungsplattformen ausgelöst. Mehrere Länder kündigten danach Beschränkungen für aus China einreisende Personen an – auch die EU-Länder Italien und Spanien.

EU beruft Dringlichkeitssitzung ein – Pflichttests für Chinesen „ungerechtfertigt“

Der Gesundheitsausschuss der EU berief am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ein, um Maßnahmen gegen die sich in China ausbreitende Pandemie zu koordinieren. Die EU-Gesundheitsbehörde (ECDC) bezeichnete nach der Sitzung die Einführung von Pflicht-Untersuchungen von Reisenden aus China trotz des starken Anstiegs der Corona-Fälle in der Volksrepublik als „ungerechtfertigt“.

Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, dagegen hält neue Einreiseregeln für Reisende aus China für sinnvoll. Er sagte der Funke Mediengruppe: „Es ist richtig, Test- und Quarantänevorschriften bei Grenzübertritten aus China verpflichtend vorzusehen, wie es in vielen Ländern der Welt gerade geschieht. Auch Deutschland sollte dies tun – aus Vorsicht.“

Bundesregierung sieht keinen Grund für Einreisebeschränkungen

Genauso wichtig sei es, durch Sequenzierung der positiv gefundenen Fälle aus China einen Überblick über die Virusvarianten zu erhalten, „die unsere Freiheit, unsere Bewegungsmöglichkeiten und unsere Erfolge im Kampf gegen das Virus bedrohen“. 

Die aktuelle Corona-Welle in China stellt aus Sicht der Bundesregierung alleine allerdings noch keinen Grund für neue Einreisebeschränkungen dar. „Wir behalten die Situation sehr aufmerksam im Blick“, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Donnerstag auf Anfrage.

Bislang gebe es aber keine Hinweise auf eine neue Variante des Virus, die gefährlicher sei als die aktuell in Deutschland verbreitete. Dies könne sich aber noch ändern. Deutschland stimme sich in diesen Fragen mit der Weltgesundheitsorganisation und anderen internationalen Partnern ab.

Frankreich erklärte am Donnerstag, Grenzkontrollen seien wegen der Entwicklung in China nicht nötig. „Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen gibt es keinen Grund für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen“, sagte die Chefin des Ausschusses zur Gesundheits-Risikobewertung, Brigitte Autran, dem Sender Radio Classique. Dies könne sich allerdings jeden Tag ändern. (AFP, dpa, Reuters)

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