
© dpa/Kay Nietfeld
Im Alter von 103 Jahren: Berliner Holocaust-Überlebende Margot Friedländer gestorben
Noch am Mittwoch trat Margot Friedländer in Berlin auf. Ihr Tod erfüllt viele mit Trauer. Vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Kreuzberg liegen Blumen neben den Stolpersteinen für ihre ermordete Familie.
Stand:
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist tot. Sie starb am Freitag im Alter von 103 Jahren, wie die Margot Friedländer Stiftung in Berlin mitteilte. Friedländer war nach Jahrzehnten als Emigrantin in New York im hohen Alter nach Deutschland zurückgekehrt.
Die Berliner Ehrenbürgerin engagierte sich unermüdlich gegen das Vergessen, besonders die junge Generation lag ihr am Herzen. Bekannt wurde ihre Geschichte durch einen Dokumentarfilm und ihre Memoiren. Sie bekam für ihren Einsatz viele Preise und viel Anerkennung – bis hin zum Besuch von US-Präsident Joe Biden, bei dem sie im Schloss Bellevue mit dabei war.
Noch am Mittwoch dieser Woche trat sie in Berlin öffentlich auf. „Ihre letzten öffentlichen Worte anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 7. Mai 2025 im Berliner Rathaus waren: 'Für Euch. Seid Menschen. Das ist es, was ich Euch bitte zu tun: Seid Menschen!'“ - daran erinnerte ihre Stiftung.
Freitag hätte Friedländer eigentlich bei einem öffentlichen Termin das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland bekommen sollen. Der Termin wurde jedoch abgesagt. Auch an der Gedenkstunde zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am Donnerstag nahm Friedländer nicht mehr teil.
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Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) würdigte Friedländer in einem Post auf X als „großes Vorbild für uns alle“. Ihre Erinnerungsarbeit, ihr Einsatz gegen das Vergessen, ihr Engagement in Schulen oder Universitäten und ihre Gespräche mit Jugendlichen seien laut Wegner von einem unschätzbaren Wert gewesen. „Margot Friedländer mahnte uns, nicht zu vergessen. Sie zeigte uns, was Menschlichkeit bedeutet“, schrieb Wegner weiter.
Trauer in Kreuzberg
Zahlreiche Ehrungen hatte Friedländer bereits in den vergangenen Jahren erhalten. Sie wurde weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. „In großer Dankbarkeit verneigen wir uns vor ihrem eindrucksvollen Lebenswerk“, erklärte die Margot Friedländer Stiftung in ihrer Traueranzeige. „Ihr Vorbild ist uns Auftrag und Verpflichtung.“
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Vor dem ehemaligen Wohnhaus Friedländers in der Skalitzer Straße 32 in Kreuzberg wurden am Freitagabend Blumen niedergelegt. Hier lebte sie bis 1943, bis die die Gestapo ihre Mutter und ihren Bruder Ralph verschleppte und Friedländer sich ab dann im Untergrund versteckt hielt.
Margot Friedländers Vermächtnis sei Mahnung und Verpflichtung, erklärte Bundespräsident Steinmeier. Dies gelte besonders in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt. Es bleibe „unsere Verantwortung, die jüdische Gemeinschaft in unserem Land nie wieder im Stich zu lassen“.
Er selbst habe das Glück gehabt, Friedländer oft zu treffen, erklärte der Bundespräsident weiter. „Ich trauere um eine tief beeindruckende Frau, die mir auch persönlich ihre Freundschaft geschenkt hat. Für diese Freundschaft werde ich immer dankbar sein.“
„Hass ist mir fremd“, sagte sie einmal
Margot Friedländer wurde 1921 in eine jüdische Familie geboren. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Sie selbst konnte dank vieler Helfer zunächst untertauchen, wurde dann aber gefasst und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sie überlebte, so wie ihr späterer Mann, mit dem sie schließlich nach Amerika ging.
Aus Friedländers direkter Familie überlebte niemand außer ihr den Holocaust. Dennoch zog sie mit fast 88, nach dem Tod ihres Mannes, wieder zurück in ihre Heimat, nach Berlin. In das Land der Täter. „Hass ist mir fremd“, sagte sie einmal.
Sie bekam in ihrer alten Heimat viel Anerkennung – eine liebenswerte, rüstige alte Dame, die so eindrucksvoll erzählen konnte. Ein Preis für Schüler-Projekte zum Holocaust und zur heutigen Erinnerungskultur trägt ihren Namen. Im Juni 2018 – mit 96 Jahren – wurde sie Berliner Ehrenbürgerin, zu ihrem 100. Geburtstag erschienen ein Interviewbuch und ein Bildband.
Im Herbst 2023 widmete das ZDF ihr ein Dokudrama - da lag die Pogrom-Nacht von 1938 85 Jahre zurück. Noch im Alter von 102 Jahren war sie zu Gast bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Im April 2025 trat sie als Festrednerin beim Bundespresseball am Brandenburger Tor auf.
Friedländer sprach vor Schülern und bei offiziellen Gedenkfeiern, darunter noch mit 100 Jahren im EU-Parlament in Brüssel. 2011 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Eine ihrer Botschaften war: „Was war, können wir nicht mehr ändern, aber es darf nie wieder geschehen.“ (dpa, Tsp)
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