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Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, und Donald Trump, Präsident der USA, während des G20-Gipfels 2019 in Japan.

© dpa/Susan Walsh

„Auf das Schlimmste vorbereitet sein“: Reaktionen von Ukrainern zu den Friedensgesprächen zwischen Trump und Putin

Die Ankündigung von Donald Trump, sofortige Ukraine-Verhandlungen mit Wladimir Putin aufnehmen zu wollen, stößt auf viel Skepsis in der Ukraine.

Stand:

US-Präsident Donald Trump telefonierte nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Selenskyj äußerte sich zunächst zuversichtlich. In seiner abendlichen Videobotschaft sagte er: „Wir glauben, dass die Stärke Amerikas ausreicht – zusammen mit uns, zusammen mit all unseren Partnern –, um Russland und Putin zum Frieden zu drängen.“

Einen Tag später räumte Selenskyj vor der Presse allerdings ein, es sei „unangenehm“ für ihn, dass US-Präsident Trump zuerst den russischen Präsidenten Putin kontaktiert habe, und erst danach ihn selbst. Er denke aber nicht, dass es sich bei dieser Reihenfolge um ein Zeichen der Prioritäten der USA handele, sagte Selenskyj.

Die Ukraine werde keine bilaterale Vereinbarung über ihr Schicksal akzeptieren, die ohne ihre Beteiligung zwischen den USA und Russland getroffen wurde, betonte Selenskyj. Europa sollte mit am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um ein Ende des Krieges gehe. „Heute ist es wichtig, dass nicht alles nach dem Plan von Putin läuft, der alles tun will, um seine Verhandlungen bilateral (mit den USA) zu führen“, sagte Selenskyj.

Mykhailo Podolyak, ein Berater von Präsident Selenskyj, kritisierte am Donnerstag in einem Gespräch mit dem russischsprachigen Fernsehsender Delphi.ru, dass Trump in dem Gespräch mit Putin nicht klar zum Ausdruck gebracht habe, dass Russland ein Aggressorstaat sei und das Völkerrecht verletze. „Verhandlungen ohne die Beteiligung der Ukraine sind ineffektiv, da der Krieg seit fast drei Jahren auf ihrem Territorium stattfindet und ihre Interessen in erster Linie berücksichtigt werden müssen, um den Krieg zu beenden“, betonte Podolyak weiter.

Putins Macht zählt nicht.

Mykhailo Podolyak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj

Eine Verhandlung könne Podolyaks Meinung nach nur erfolgreich sein, wenn diese aus Vertretern der Vereinigten Staaten, der Ukraine und Vertretern der Europäischen Union auf der einen Seite, und Russlands auf der anderen Seite bestehen. „Andernfalls werden die Verhandlungen nicht nur die Sicherheit der Ukraine, sondern auch die Sicherheit und die Interessen Europas nicht berücksichtigen“.

Eine Verhandlung an der Ukraine vorbei, zwischen den USA und Russland alleine, sei nicht akzeptabel. In Russland gäbe es „schon lange keine legitime Regierung mehr. Putins Macht zählt nicht.“ Der „Aggressor muss für die vom Aggressor verursachte Zerstörung bezahlen“, schloss der Präsidenten-Berater.

Bohdan Nahaylo, Chefredakteur der auf Englisch erscheinenden „Kyiv Post“, zeigte sich in einem Interview mit dem polnischen TV-Sender TVP World besorgt über die Absichten von Putin und Trump. Trump sei ein Geschäftsmann, dessen Interesse alleine darin liege, der amerikanischen Gesellschaft zu signalisieren, dass er in der Lage sei, den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Doch gäbe es keinen fairen Deal, da Putin weiterhin nicht bereit sei, auf besetzte Territorien in der Ukraine zu verzichten. Und Trump offenbar dazu bereit sei, dies zu akzeptieren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in Kiew.

© dpa/Alex Babenko

Der britisch-ukrainische Journalist spielte auf die Pläne der US-Regierung an. Die Trump-Administration legte erstmals dar, wie sie sich einen Deal für ein Kriegsende vorstellt. So soll die Ukraine ihr Streben nach einem Nato-Beitritt aufgeben und auch auf Teile ihres seit 2014 verlorenen Staatsgebiets verzichten. Zudem stellten die USA klar, dass ihr Militär nicht Teil einer möglichen Friedenstruppe sein wird.

Es ist wahrscheinlich noch schlimmer und beängstigender, als wir dachten.

Bohdan Nahaylo, Chefredakteur „Kyiv Post“

„Jetzt wissen wir also genauer, was die neue Regierung von US-Präsident Donald Trump für die Ukraine und Europa im weiteren Sinne bereithält“, schrieb Nahaylo auch in einem Leitartikel für seine Zeitung. Und folgerte: „Es ist wahrscheinlich noch schlimmer und beängstigender, als wir dachten.“

Der Chefredakteur ist überzeugt, dass der Preis für den von Putin und Trump vorbereiteten Deal hoch sein wird für die Ukraine, aber auch für Europa. „In diesem düsteren Moment, am Vorabend des dritten Jahrestages des Beginns der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine, ist es zwar notwendig, auf das Beste zu hoffen, aber vorerst auf das Schlimmste vorbereitet zu sein“, schreibt Nahaylo in seinem Artikel für die „Kyiv Post“.

Keinen Frieden „auf Kosten der Ukraine“

Besorgt äußerte sich auch der frühere Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Gerashchenko. „Die Ukraine und Europa müssen sich aktiv an den Friedensverhandlungen beteiligen und dürfen nicht nur über die Vereinbarungen informiert werden“, schrieb Gerashchenko auf der Plattform X. „Frieden kann nur durch gemeinsame Anstrengungen erreicht werden – gemeinsam mit der Ukraine und den Europäern.“

Das wäre eher ein Schritt, der Putin und seine Verbündeten dazu ermutigt, neue Kriege zu beginnen und Massenmorde zu begehen.

Anton Gerashchenko, frühere Berater des ukrainischen Innenministeriums

Sollte Trump versuchen, einen Frieden „auf Kosten der Ukraine zu erreichen und den Aggressor ungestraft zu lassen, wäre das kein gerechter Frieden, sondern eher ein Schritt, der Putin und seine Verbündeten dazu ermutigt, neue Kriege zu beginnen und Massenmorde zu begehen“, warnte Gerashchenko.

Seit nunmehr fast exakt drei Jahren verteidigt sich die Ukraine gegen die russischen Angreifer. Ein ukrainischer Soldat in einer Stellung bei der Stadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine.

© dpa/Oleg Petrasiuk

Skeptisch äußerte sich auch der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Trump könne zwar kurzfristig einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland bewirken. Dass dauerhaft die Waffen schweigen, hält er aber für unwahrscheinlich, wie er in einem Podcast sagte. 

Dramatische Entwicklungen zwischen Putin und Trump befürchtet

Wenn Trump den Krieg beenden wolle, müsse Putin die ukrainische Unabhängigkeit und die Westorientierung der Ukraine anerkennen, woran Kuleba nicht glaubt. Der Ex-Außenminister befürchtet, dass neue Friedensvereinbarungen wirkungslos blieben. Kuleba betonte in dem Podcast zudem, dass die Ukraine einen Frieden, ohne dass Russland eroberte Gebiete zurückgibt und seine Feindseligkeiten einstellt, nicht akzeptieren werde.

Der Politikwissenschaftler und politische Berater Wolodymyr Fesenko sprach auf seiner Facebook-Seite von dramatischen Entwicklungen. „Einige erwarten morgen Frieden, während andere in Panik geraten, dass Trump sich mit Putin anfreundet und uns zwingt, Frieden zu Russlands Bedingungen zu schließen.“ Er riet allen, sich zu beruhigen. „Mit Putin und vor allem mit Trump kann morgen alles anders sein als heute, geschweige denn gestern. Und was sie sagen, bedeutet nicht, dass es so sein wird“, so der politische Analyst.

Zunächst sei es nötig, sich auf Ort, Datum, Format und Tagesordnung zu einigen. Die Arbeitsgespräche zwischen Russland und der Ukraine sollten von den USA moderiert werden, sagt er. Möglicherweise sollte auch die EU beteiligt sein, so Fesenko. „Wenn wir in naher Zukunft, möglicherweise nach der Münchner Sicherheitskonferenz, konkrete Informationen über den Beginn vollwertiger Friedensgespräche haben, dann können wir definitiv sagen, dass der Verhandlungsprozess in eine qualitativ neue Phase eingetreten ist“, heißt es in seinem Post weiter.

„Wenn nicht, bedeutet das, dass sich an der Position Russlands nichts geändert hat“, so Fesenko. Putin habe begonnen, Trump psychologisch zu beeinflussen, aber er werde keine Kompromisse eingehen, um den Krieg zu beenden, „auch wenn das Trump-Team das gerne hätte”, fügte der Politologe hinzu. (mit Agenturen)

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