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Kanzler Olaf Scholz (SPD).

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

„Sicherstellen, dass es keinen Diktatfrieden gibt“: Scholz warnt Trump vor Nachgiebigkeit gegenüber Russland

Trumps Ankündigung, sofort mit Russland über ein Ende des Ukrainekriegs zu verhandeln, löst Unruhe in Europa aus. EU-Staaten pochen darauf, die Ukraine und sie selbst miteinzubeziehen.

Stand:

Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, sofortige Ukraine-Verhandlungen mit Russland aufnehmen zu wollen, fallen die Reaktionen überwiegend kühl aus.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte davor, zu nachgiebig gegenüber Russland zu sein. „Die nächste Aufgabe ist, sicherzustellen, dass es hier keinen Diktatfrieden gibt“, sagte Scholz im „Berlin Playbook Podcast” des Nachrichtenmagazins Politico. Der Kanzler hält es für geboten, dass die Ukraine „auch nach dem Friedensschluss“ eine Möglichkeit hat, sich zu entwickeln. Auch müsse die Ukraine „eine starke Armee“ haben, die größer sein werde als vor dem Krieg, ausgestattet auch mit westlichen Waffen.

Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin hatten am Mittwoch vereinbart, dass Verhandlungsteams beider Staaten umgehend Gespräche aufnehmen sollten, um Wege zur Beendigung des Ukraine-Kriegs auszuarbeiten. Kurz zuvor stellte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth klar, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Abstriche am Ziel der Herstellung territorialer Integrität hinnehmen muss.

Scholz nimmt die USA indes in die Pflicht. „Ganz klar für mich ist, dass es keine Lösung geben darf, die nicht zugleich auch Lösungen sind, an denen die USA beteiligt ist”, sagte der SPD-Politiker. Er betonte die Bedeutung der transatlantischen Einheit.

Der Kanzler äußerte sich optimistisch, dass Trump der Ukraine auch in Zukunft Rückendeckung gibt: „Meine Gespräche, die ich mit ihm geführt habe und die auch meine Beraterinnen und Berater mit seinen Beratern geführt haben, laufen darauf hinaus, dass wir hoffen und annehmen dürfen, dass auch die USA weiter die Ukraine unterstützen.”

Für vorschnell hält er derweil die Debatte über eine Ukraine-Friedenstruppe, an der die Bundeswehr beteiligt wäre. „Jeder weiß, dass das kein Thema jetzt ist”, sagte Scholz. Es sei „noch nicht mal klar, unter welchen Bedingungen die Ukraine bereit wäre, einem Friedensschluss zuzustimmen”.

Rutte fordert Einbeziehung der Ukraine

Nato-Generalsekretär Mark Rutte forderte am Donnerstag eine „enge Beteiligung“ der Ukraine an möglichen Friedensverhandlungen im Krieg mit Russland. Zudem müsse eine Friedensvereinbarung „dauerhaft“ sein, sagte er bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock pocht darauf, dass die Ukraine und Europa an Gesprächen über einen Frieden in der Ukraine beteiligt werden. „Es darf keine Gespräche über die Köpfe der Ukraine hinweg geben. Es geht um den europäischen Frieden. Deswegen müssen wir Europäer daran beteiligt werden“, sagt sie in einem Deutschlandfunk-Interview. Die Ukraine brauche zudem starke Sicherheitsgarantien. Baerbock räumte ein, dass Europa die USA dabei nicht ersetzen könne.

Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mahnte ebenfalls: „Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten“, sagt Pistorius vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Es müsse aber auch klar sein, dass eine Präsenz der USA in Europa erforderlich sei, um eine wirksame Abschreckung Russlands zu gewährleisten.

Zu einem möglichen Einsatz von Truppen zur Absicherung eines Friedens in der Ukraine sagte Pistorius, diese Debatte komme ihm jetzt zu früh. „Es gibt verschiedene Arten, den Frieden zu sichern.“ An Spekulationen wolle er sich nicht beteiligen.

Klingbeil: Europa muss mehr Verantwortung übernehmen

SPD-Co-Chef Lars Klingbeil nannte die Absprache von Trump mit Putin einen „faulen Deal“. „Es ist gut, dass Präsident Trump das Gespräch mit Putin führt und nach einer diplomatischen Lösung für den Krieg gegen die Ukraine sucht“, sagte Klingbeil am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Aber das, was Trump vorzuschweben scheint, wäre ein fauler Deal. Eine Lösung über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg ist keine Lösung.“ Die Probleme würden nur in die Zukunft verlagert und verschärften die Sicherheitslage auch für Deutschland und Europa.

„Europa, und ja, auch Deutschland, müssen dafür noch deutlich mehr Verantwortung übernehmen“, betonte der SPD-Vorsitzende. Es brauche jetzt ein schnelles und entschiedenes Signal und auch ein Angebot an die USA. „Und die klare Forderung: Europa gehört mit an den Verhandlungstisch. Die Stunde Europas muss jetzt schlagen“, forderte Klingbeil. Das Ziel müsse eine Zukunft der Ukraine als souveräner Staat sein, der eine klare Perspektive für eine stabile Sicherheitsordnung in Europa habe, in der es keine erneute Eskalation gebe.

Aber das, was Trump vorzuschweben scheint, wäre ein fauler Deal. Eine Lösung über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg ist keine Lösung.

SPD-Chef Lars Klingbeil

In einer gemeinsamen Erklärung forderten Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Spanien, Großbritannien sowie die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst eine Beteiligung an möglichen Friedensgesprächen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine.

„Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit unseren amerikanischen Verbündeten das weitere Vorgehen zu erörtern. Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen. Die Ukraine und Europa müssen an den Verhandlungen beteiligt sein“, hieß es in der Erklärung, die das Auswärtige Amt am späten Mittwochabend herausgab.

Es solle ein Frieden sein, der die Interessen der Ukraine und die eigenen Interessen der europäischen Länder garantiere, hieß es weiter. „Wir erinnern daran, dass die Sicherheit des europäischen Kontinents in unserer gemeinsamen Verantwortung liegt. Daher arbeiten wir gemeinsam an der Stärkung unserer kollektiven Verteidigungsfähigkeiten“, schrieben die Länder in der Erklärung weiter.

Der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, bezeichnete die Vereinbarung zwischen Putin und Trump indes als Zeichen der Unbesiegbarkeit Russlands. Das Gespräch von Putin und Trump zeige, dass westliche Hoffnungen, Russland zu besiegen, niemals erreicht werden könnten.

„Es gibt kein und kann kein oberstes Land und keinen obersten Herrscher des Planeten geben“, sagte Medwedew. „Diese Lektion sollten die arroganten amerikanischen Eliten lernen.“ Der enge Putin-Vertraute und Ex-Präsident fügt hinzu: „Es ist unmöglich, uns in die Knie zu zwingen. Und je eher unsere Gegner das erkennen, desto besser.“ (Reuters, AFP, dpa, Tsp)

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