
© REUTERS/Lisa Leutner
Comeback von Sebastian Kurz in Österreich?: Sehnsucht nach Wunderwuzzi
Nach Sebastian Kurz’ Freispruch in einem Verfahren wegen Falschaussage wird über seine Rückkehr in die Politik spekuliert. Er selbst verneint das – doch seine Anhänger setzen auf ihn.
Stand:
Lange Zeit war es recht still geworden um Sebastian Kurz. Doch in den vergangenen Tagen machte Österreichs Ex-Kanzler wieder Schlagzeilen.
„Die geheimen Pläne für das Kurz-Comeback“ oder: „Folgt jetzt das Polit-Comeback?“ – von reißerisch bis zweifelnd reichten die Spekulationen in den Medien über eine mögliche Rückkehr des 38-Jährigen in die Politik.
Kurz, der inzwischen ein milliardenschweres Softwareunternehmen leitet, dementiert solche Gerüchte. Dennoch wollen Experten ihn als Politiker noch nicht abschreiben.
Grund für die Gerüchte war vorige Woche Kurz‘ Freispruch am Wiener Oberlandesgericht (OLG). Wegen Falschaussage vor einem Parlamentsausschuss war er 2024 zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.
Nostalgiegefühle für den „Tausendsassa“
Kurz ging in Berufung. Dass die Richter ihn am 26. Mai entgegen allen Erwartungen freisprachen, motivierte Freunde und Unterstützer, sein Polit-Comeback zu fordern. Für einige Tage verspürten einige Beobachter sogar so etwas wie Wunderwuzzi-Nostalgie.
Als „Wunderwuzzi“, im österreichischen Jargon ein Tausendsassa, hatte Kurz ab 2008 eine steile Karriere in der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) hingelegt: vom Jugendführer über das Amt des Außenministers bis zum jüngsten Bundeskanzler in der Geschichte Österreichs.
Eine Premiere war auch seine Abwahl: 2019 war Kurz der erste Kanzler seit Ende des Zweiten Weltkriegs, den das Parlament durch ein Misstrauensvotum stürzte – eine Folge der „Ibiza-Affäre“, die 2019 eine politische Lawine in Österreich auslöste und in Neuwahlen resultierte.
Wiedereinstieg dank Wirtschaftskrise?
Sechs Jahre später kriselt es in der Alpenrepublik erneut. Wenngleich aus anderen Gründen: Österreich ist EU-Schlusslicht in puncto Wirtschaftswachstum.
Das klaffende Budgetloch will die Regierung dieses und kommendes Jahr mit einem 15-Milliarden-Euro-Sparpaket stopfen – inklusive unpopulärer Maßnahmen wie höheren Steuern, einem Einfrieren der Familienbeihilfe und der Verteuerung des beliebten „Klimatickets“ für die Bahn.
Im Augenblick ist ein Kurz-Comeback angesichts der stabilen Regierungssituation rund um Kanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker äußerst unwahrscheinlich.
Christoph Hofinger, Meinungsforscher in Wien
Die Wirtschaftskrise als Wiedereinstiegsluke für Kurz? Sozialforscher Christoph Hofinger hegt Zweifel. „Im Augenblick ist ein Kurz-Comeback angesichts der stabilen Regierungssituation rund um Kanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker äußerst unwahrscheinlich“, sagt der Direktor des Meinungsforschungsinstituts Foresight in Wien.
Zudem drohe Kurz noch eine weitere Anklage, erinnert Hofinger: In der sogenannten „Inseratenaffäre“ soll für regierungsfreundliche Berichterstattung Geld geflossen sein. Der frühere Regierungschef bestreitet die Vorwürfe.
Kurz selbst beantwortete eine Nachfrage der auflagenstärksten Tageszeitung „Krone“, ob wirklich kein Weg in die Politik zurückführe, mit einem „Nein“.
In diesem neuen Leben bin ich sehr gut angekommen.
Sebastian Kurz, früherer Bundeskanzler von Österreich
Die von ihm mitbegründete Sicherheitssoftware-Firma „Dream Security“ schaffte vor kurzem den Sprung zum „Unicorn“, ist jetzt also mehr als eine Milliarde Dollar wert. Vor wenigen Tagen wurde Kurz zum zweiten Mal Vater. „In diesem neuen Leben bin ich sehr gut angekommen“, sagt der junge Altkanzler.
Von Aufbruchstimmung keine Spur
Dennoch warnt Experte Hofinger vor voreiligen Schlüssen: Sollte die ÖVP in weiterer Zukunft in Turbulenzen geraten und wieder in eine Führungs-Debatte schlittern, sei eine Führungsriege unter Kurz auf lange Sicht nicht ausgeschlossen.
Schon nach der Parlamentswahl im vergangenen September schien die Stunde der Populisten geschlagen zu haben. Mit fast 29 Prozent schaffte es die rechtsnationale Freiheitliche Partei (FPÖ) auf den ersten Platz.
Deren Chef Herbert Kickl sah sich bereits als nächsten „Volkskanzler. Erst im zweiten Anlauf gelang es der ÖVP, den Sozialdemokraten (SPÖ) und den liberalen Neos, zur „Zuckerl-Koalition“ zusammenzufinden und eine politische Brandmauer gegen Rechts zu bilden.
In etwa einer Woche wird diese 100 Tage alt. Die ersten Monate verliefen größtenteils unfallfrei, Stockers Regierungsstil gilt als besonnen-stabil. Eine Aufbruchstimmung, wie Kurz sie damals mitbrachte, fehlt in der aktuellen Krise aber weiterhin.
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