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Russland-Nähe, Geheimdienst-Affäre: Wird Österreich unter Kickl zum Sicherheitsrisiko?
Herbert Kickl könnte mit seiner FPÖ in Österreich die neue Regierung anführen – Sicherheitspolitiker sind wegen der Verflechtungen der Partei mit Russland alarmiert. Drei Experten ordnen die Lage ein.
- Adrian Hänni
- Thomas Riegler
- Gustav C. Gressel
- Sandra Lumetsberger
Stand:
Die rechtspopulistische FPÖ verhandelt derzeit in Österreich mit der konservativen ÖVP über eine neue Regierung, dabei geht es auch um das Bekenntnis zu EU, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit. Genauso wie die Nähe der FPÖ zu Russland, die deutsche und europäische Sicherheitspolitiker besorgt – vor allem, falls Parteichef Herbert Kickl Bundeskanzler wird.
Sanktionen gegen Russland lehnt er ab, genauso wie Hilfen für die Ukraine. Aus dem europäischen Raketenschutzabwehrsystem „Sky Shield“ will er ebenfalls aussteigen. Abseits davon gibt es zahlreiche persönliche Verflechtungen seiner Partei mit Russland:
Immer wieder reisten FPÖ-Politiker nach Moskau, um etwa mit der Partei von Kremlchef Wladimir Putin, „Vereintes Russland“, einen Freundschaftsvertrag zu unterzeichnen. Unvergessen ist auch das „Ibiza“-Video, in dem Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen Oligarchennichte Staatsaufträge in Aussicht stellte, sollte sie seine Partei im Wahlkampf unterstützen. Oder der Hochzeitstanz der ehemaligen Außenministerin Karin Kneissl mit ihrem Gast Putin.

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Für deutlich mehr Unruhe sorgte aber die Affäre im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) 2018 – damals führte Herbert Kickl das Innenministerium. Bei einer illegalen Razzia im BVT wurden sensible Dokumente und Daten, darunter Informationen zu internationalen Geheimdienstoperationen, beschlagnahmt. Der Vorfall führte dazu, dass viele internationale Partner weniger Vertrauen in Österreich hatten.
Laut dem ehemaligen BVT-Chef Peter Gridling besteht auch jetzt Grund zur Sorge: „Russland wird Verbindungen zur FPÖ nutzen“, sagte Gridling dem „Standard“. Kickls Partei sei unter den österreichischen Parteien jene, die am stärksten in russische Spionage verwickelt sei. Er bezeichnete sie als „Einfallstor für russische nachrichtendienstliche Informationsgewinnung“.
Auch der weltweit gesuchte ehemalige Wirecard-Manager Jan Marsalek, der offenbar jahrelang für Moskau spionierte, habe von FPÖ-Verbindungen profitiert, so Gridling.
Deutsche Sicherheitspolitiker wie Roderich Kiesewetter (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, fordern Konsequenzen für die Geheimdienstzusammenarbeit mit Österreich, sollte Kickls FPÖ regieren.
Sind solche Forderungen gerechtfertigt? Wie sehr könnten die Partei und ihr möglicher Kanzler die Sicherheit in Europa gefährden? Drei Experten schätzen die Lage ein. Alle Teile der Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.
Die Beobachter übersehen einen Punkt
Die Sorgen sind nicht unberechtigt, ordnete Kickl als Innenminister doch die Hausdurchsuchung beim damaligen BVT (dem österreichischen Inlandsgeheimdienst) an. Auch war er von 2005 bis 2018 Generalsekretär der FPÖ, just in jener Zeit, in der sich die Russland-Kontakte der FPÖ verfestigten, die zur Ibiza-Affäre führten.
Eine Regierung, die Geheimdienste und Staatsanwaltschaft umfärbt und einengt, oder die Rechte investigativer Journalisten beschneidet, wäre Moskau äußerst dienlich.
Gustav Gressel, Experte für Sicherheitspolitik
Allerdings werden sich die Prioritäten und Ziele einer FPÖ-Regierung von jenen der AfD oder des Rassemblement National unterscheiden: Österreich ist deutlich kleiner als Deutschland oder Frankreich, die Abhängigkeit vom Binnenmarkt ist in Wien deutlich spürbarer.
Auch erwartet Moskau von Wien nicht, die EU-Außenpolitik einzureißen. Vielmehr nutzt es Österreich als stille Drehscheibe für Geldwäsche und Spionage gegen Nachbarstaaten und die europäische Rüstungsindustrie. Zu viel Aufmerksamkeit schadet dem nur.
Aber eine Regierung, die Geheimdienste und Staatsanwaltschaft umfärbt und einengt, oder die Rechte investigativer Journalisten beschneidet, wäre dem äußerst dienlich. Dies übersehen die meisten Beobachter aus dem Ausland: Die Innenpolitik Österreichs ist europapolitisch relevanter als dessen eigentliche Außenpolitik.
Die Postenbesetzung in den Ministerien ist entscheidend
Ja, ein Bundeskanzler Herbert Kickl könnte auch international ein Sicherheitsrisiko darstellen: Wegen der Russland-Nähe von Teilen seiner Partei, der kritischen Haltung zur EU und Nato sowie der ambivalenten Haltung zur Ukraine. Schlecht in Erinnerung geblieben ist Kickls kurze Amtszeit als Innenminister von 2017 bis 2019 aufgrund der Razzia im Hauptquartier des Verfassungsschutzes. Als Konsequenz wurde der Dienst vom Informationsaustausch abgeschnitten.
Viel wird nun davon abhängen, wie Ministerposten, speziell das Innen- und Verteidigungsressort verteilt werden.
Thomas Riegler, Affiliate Researcher am Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies
Es bedurfte eines Reformprozesses, um Vertrauen wiedergutzumachen. Heute ist die Ausgangssituation eine andere. Europa ist nach rechts abgedriftet. Es gibt bereits mehrere „schwarze Schafe“ wie Ungarn und die Slowakei. Viel wird nun davon abhängen, wie Ministerposten, speziell das Innen- und Verteidigungsressort verteilt werden.
Der Bundeskanzler hat zumindest keine Richtlinienkompetenz wie in Deutschland. Und Kickl selbst hat die Kritik an den Russland-Sanktionen vor allem zum Stimmenfang eingesetzt. Fürs Erste heißt es also abwarten.
Persönliches Vertrauen lässt sich nicht einfach zerschlagen
Eine FPÖ-Regierungsbeteiligung birgt sicherlich Belastungspotenzial für die Zusammenarbeit zwischen westlichen Nachrichtendiensten und ihren österreichischen Partnern. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Informationsaustausch mit Österreich in gewissen Bereichen wie dem Ukrainekrieg oder russischer Spionage und anderen Geheimdienstaktivitäten in Europa zumindest (weiter) eingeschränkt wird.
Vor allem, wenn die Blauen den Innenminister stellen und erst recht, wenn sich Hinweise auf einen Informationsabfluss nach Russland ergeben sollten.
Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Informationsaustausch mit Österreich in gewissen Bereichen eingeschränkt wird.
Adrian Hänni, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte in München
Trotzdem wird der Informationsaustausch nicht vollständig zum Erliegen kommen. Gerade Informationen zum islamistischen Terrorismus oder gar konkrete Hinweise auf Anschläge werden weiterhin mit den österreichischen Diensten geteilt werden.
Die internationale Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten erfolgt heute maßgeblich im Alltag zwischen Praktikern, die sich teils über Jahre kennen und vertrauen gelernt haben. Dieses persönliche Vertrauen wird sich durch einen Regierungswechsel nicht einfach über Nacht zerschlagen.
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