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Irans Revolutionsführer Ali Chamenei.

© Reuters/WANA/Office of the Iranian Supreme Leader

Der Iran rüstet auf: Droht Teheran ein Angriff durch Israel?

Die Führung in Teheran bereitet sich auf einen möglichen Militärschlag Israels vor. Experten analysieren, was für ein solches Szenario spricht – und was dagegen.

Stand:

Als Revolutionsführer Ali Chamenei vor einigen Tagen neue militärische Errungenschaften der Streitkräfte vorgestellt bekam, sollte davon eine klare Botschaft ausgehen: Wer es wagt, den Iran anzugreifen, wird die wiedererlangte Kampfkraft des Landes zu spüren bekommen.

Marschflugkörper, ballistische Raketen, Hightech-Munition: Die Islamische Republik investiert seit Monaten sehr viel Geld und Arbeit, um seine militärischen Fähigkeiten auszubauen und zu modernisieren. Zum Beispiel bei der Drohnentechnologie.

Höhepunkt der Veranstaltung war die Präsentation der Kamikaze-Drohne Hadid 110. Stolz erklärten die Technologieexperten dem mächtigsten Mann des Landes, dass der neue Düsenantrieb dieser Waffe höhere Geschwindigkeit und größere Wendigkeit ermögliche – ideal, um hochwertige Ziele zu bekämpfen.

Das Regime in Teheran bemüht sich offenbar, seine Verteidigungskapazitäten hochzufahren. Dahinter steckt die Furcht, Israel könne – womöglich sogar mit Unterstützung der USA – zu einem entscheidenden Schlag gegen den Iran ausholen.

Die Sorge kommt nicht von ungefähr. Der „Gottesstaat“ ist nach einem umfassenden Angriff Israels im Oktober vergangenen Jahres fast wehrlos. Das betrifft vor allem die iranische Flugabwehr.

„Diese war bereits unzureichend und wurde durch die Ausschaltung der russischen S-300-Systeme im April und Oktober 2023 weiter geschwächt“, sagt Fabian Hinz, Waffenexperte im Berliner Büro des britischen Thinktank International Institute for Strategic Studies.

Noch bedeutsamer ist Hinz zufolge jedoch, dass der Iran einen großen Teil seiner Fähigkeit eingebüßt hat, Angriffe durch die Drohung mit Gegenschlägen zu verhindern.

Israel könnte somit jederzeit so gut wie jedes Ziel erreichen und zerstören – womöglich sogar iranische Atomanlagen. Benjamin Netanjahu ist bekennender Befürworter einer Attacke auf Einrichtungen, die mutmaßlich der nuklearen Aufrüstung dienen.

Am 1. Oktober griff der Iran erstmals Israel direkt an.

© Reuters/Amir Cohen

Aus Sicht des israelischen Regierungschefs könnte der Zeitpunkt für einen Angriff angesichts der Schwäche der Islamischen Republik kaum günstiger sein. „Es wird dem Iran schwerfallen, auf weitere Angriffe angemessen zu reagieren“, vermutet Hinz.

Zwar könnte Teheran auf alternative Maßnahmen zurückgreifen, etwa den Versuch, die Straße von Hormus – eine der wichtigsten Schiffswege der Welt – zu blockieren oder Ölanlagen in der Region attackieren. „Es bleibt jedoch fraglich, ob solche Aktionen Israel tatsächlich abschrecken könnten“, sagt Hinz.

Womöglich plant Netanjahu bereits ganz konkret, wann und wie Israel dem iranischen Nuklearprogramm ein Ende bereiten könnte.

Die US-Zeitungen „Washington Post“ und die „New York Times“ haben kürzlich unter Berufung auf US-Geheimdienste berichtet, Israel bereite sich darauf vor, schon in den kommenden sechs Monaten die Atomanlagen in Fordo und Natanz zu bombardieren.

Was will Trump?

Ob die Regierung in Jerusalem dabei auf militärische Unterstützung aus den USA zählen kann, ist keine ausgemachte Sache. US-Präsident Donald Trump mag ein Freund Israels sein und den Iran für einen Aggressor halten. Doch von einem Krieg scheint er zum jetzigen Zeitpunkt wenig zu halten.

Dem US-Sender Fox sagte Trump jüngst: „Alle glauben, Israel wird mit unserer Hilfe oder unserem Einverständnis da hineingehen und sie in die Hölle bomben. Mir wäre es lieber, das würde nicht passieren.“

Es gebe zwei Möglichkeiten, Teheran zu stoppen: mit Bomben oder mit einem Stück Papier. „Ich würde am liebsten einen Deal mit den Iranern machen und sie nicht bombardieren.“

Nur: Niemand kann voraussagen, ob mögliche Verhandlungen über Irans Atomprogramm erfolgreich sein werden oder scheitern.

„Trump hat eine Rückkehr zur Politik des maximalen Drucks gegen die Islamische Republik aus seiner ersten Amtszeit angekündigt und gleich mehrere Befürworter eines harten Iran-Kurses in seine Administration aufgenommen“, sagt David Jalilvand, Leiter des Beratungsunternehmens Orient Matters.

Kann Netanjahu US-Präsident Donald Trump davon überzeugen, dass die USA Israel bei einem Angriff auf den Iran unterstützen?

© dpa/Evan Vucci

Zugleich sei der US-Präsident bei seiner Ablehnung von militärischen Interventionen in den vergangenen Jahre recht konstant geblieben und habe jetzt Schlüsselpositionen sowohl im Weißen Haus als auch im Verteidigungsministerium mit Verfechtern einer zurückhaltenden Außenpolitik besetzt.

Bunkerbrechende Bomben für Israel

Ein weiterer Hinweis darauf, dass Trump offenbar zweigleisig fährt: Er genehmigte jetzt die Lieferung von MK84-Bomben an Israel, was sein Vorgänger Joe Biden noch verhinderte. Biden war besorgt, dass diese vom israelischen Militär wahllos in dicht besiedelten Gebieten Gazas eingesetzt werden könnten.

MK84 sind die größten ungelenkten Fliegerbomben im Arsenal der USA. Sie können sowohl Beton- als Metallstrukturen durchschlagen und werden auch eingesetzt, um unterirdische Bunker zu treffen. Irans Atomanlagen sollen sich unter der Erde befinden, um sie vor Angriffen zu schützen.

Trump hat eine Rückkehr zur Politik des maximalen Drucks angekündigt. Zugleich ist er bei seiner Ablehnung von militärischen Interventionen die vergangenen Jahre über recht konstant geblieben.

David Jalilvand, Leiter des Beratungsunternehmens Orient Matters

In dieser Situation hat Teheran nach Einschätzung von Fabian Hinz kaum erfolgversprechende Optionen. „Möglicherweise könnte sich das Regime entscheiden, den letzten Schritt auf der Eskalationsleiter zu gehen und eine Atombombe zu bauen. Doch genau das könnte einen israelischen Präventivschlag provozieren.“

Was könnte die Führung in Jerusalem konkret vorhaben? Israel werde womöglich sowohl das Atomprogramm und weitere militärische Ziele als auch zivile Infrastruktur ins Visier nehmen, etwa den fragilen Energiesektor, sagt Nahost-Experte Jalilvand.

Ein mögliches Vorbild ist seiner Einschätzung nach das israelische Vorgehen gegen die Hisbollah im Libanon. „Nach und nach wurden zentrale Elemente der militärischen Struktur der Miliz ausgeschaltet.“

Und Netanjahu? Der hofft zwar weiter auf eine „gemeinsame Front“ mit den Vereinigten Staaten. Aber nach seinem Treffen mit US-Außenminister Marco Rubio betonte der Israeli am Sonntag auch, er sei fest entschlossen, „den Job im Kampf gegen den Iran zu Ende zu bringen“. Das sollte wohl heißen: Notfalls werde Israel auch alleine gegen den Feind vorgehen.

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