zum Hauptinhalt
Gaza aus dem Blick einer Drohnenkamera (Symbolbild)

© REUTERS/Dawoud Abu Alkas

„Die Israelis sind nervös und skeptisch“: So ringt die Trump-Regierung um die internationale Schutztruppe für Gaza

Soldaten verschiedener Staaten sollen helfen, Trumps Friedensplan umzusetzen. Washington will einem Bericht zufolge die Pläne bald finalisieren. Für die Zukunft der Region bleiben noch viele Fragen.

Stand:

Es ist eine der Säulen von Trumps Friedensplan für Gaza und gleichzeitig das vielleicht komplizierteste Thema in den Verhandlungen um den 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten: Die Schutztruppe, die den Frieden in dem fast vollständig zerstörten Gebiet sichern und für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen soll.

Wie wackelig die Waffenruhe in Gaza ist, zeigte sich in dieser Woche, als Israel Luftangriffe flog, nachdem militante Palästinenser laut Militärangaben israelische Soldaten im Süden des Küstenstreifens angegriffen hatten. Auf die im Friedensplan vorgesehene internationale Stabilisierungstruppe (ISF) käme also eine ebenso heikle wie potenziell gefährliche Aufgabe zu.

Entsprechend zäh sind derzeit auch die Verhandlungen für den Friedensplan, wie das US-Nachrichtenportal „Axios“ berichtet. Denn selbst knapp drei Wochen nach der Verkündung der Waffenruhe ist noch völlig unklar, welche Staaten sich an der ISF beteiligen wollen – und sollen.

Trumps 20-Punkte-Plan zufolge ist der Einsatz der ISF eine Voraussetzung für den weiteren Rückzug Israels aus den rund 50 Prozent des Gazastreifens, die es noch kontrolliert. Die Truppe soll zudem die Grenzen Gazas zu Israel und Ägypten sichern sowie Waffenschmuggel in den Küstenstreifen verhindern.

US-Außenminister Marco Rubio besucht das zivil-militärische Koordinationszentrum im Süden Israels.

© dpa/FADEL SENNA

All das hängt jedoch davon ab, ob die Hamas bereit ist, ihren Einfluss und zumindest einen Teil ihrer Waffen aufzugeben. Ob das der Fall ist, ist bisher ungeklärt.

USA wollen Pläne eng mit Israel abstimmen

Voraussetzung für die Truppe ist laut US-Außenminister Marco Rubio, dass auch Israel ihrer Zusammensetzung zustimmt. Aber auch hier gibt es Probleme: So hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereit erklärt, Truppen zu stellen, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte sich aber gegen eine Beteiligung der Türkei ausgesprochen.

Die USA hingegen wollen dem Bericht zufolge, dass die Türkei zusammen mit Katar und Ägypten beteiligt wird, da sie diese Länder als am besten geeignet ansehen, die Hamas „zum Einverständnis und zur Mäßigung zu bewegen“, wie ein US-Beamter sagte. „Die Türken waren sehr hilfreich bei der Erzielung des Gaza-Abkommens, und Netanjahus Kritik an der Türkei war sehr kontraproduktiv“, sagte der US-Beamte.

„Wir sind uns der israelischen Bedenken bewusst und arbeiten daran, etwas zu schaffen, das Stabilität bringt und für beide Seiten akzeptabel ist“, fügte der Beamte hinzu.

Kämpfer der Hamas sind mit Waffen zu sehen.

© dpa/Abdel Kareem Hana

Grundsätzlich soll die ISF folgendermaßen funktionieren: Laut „Axios“ soll die Federführung beim Zentralkommando der US-Streitkräfte liegen. Vorgesehen sei demnach auch eine neue palästinensische Polizeitruppe, die von den USA, Ägypten und Jordanien ausgebildet und überprüft werden soll, sowie die ISF-Truppen aus arabischen und muslimischen Ländern.

Trump will Türkei und Katar einbinden

Neben der Türkei haben sich Länder wie Indonesien, Aserbaidschan und Ägypten bereit erklärt, Truppen zu entsenden, wie „Axios“ schreibt. Andere Länder, die an den Gesprächen teilnehmen, äußerten gegenüber den USA Bedenken angesichts der chaotischen Sicherheitslage im Gazastreifen. „Wenn wir im Gazastreifen keine verlässliche Sicherheit und Regierungsführung haben, der die Israelis zustimmen, werden wir in einer Situation feststecken, in der Israel ständig angreift“, zitiert das Portal eine an den Planungen beteiligte Quelle.

Die ISF sei ein zentrales Thema bei den Treffen gewesen, die Trumps Gesandte Steve Witkoff und Jared Kushner, Vizepräsident Vance und Rubio während ihrer jüngsten Besuche mit Militärs in Israel hatten, sagten die Informanten „Axios“ demnach weiter. Ein hochrangiger israelischer Beamter sagte dem Bericht zufolge, die US-Seite habe dabei ihre Vorstellungen über die Größe der Truppe dargelegt.

Die Israelis sind nervös und skeptisch, weil sie nicht die Kontrolle haben und nicht mehr die Karten in der Hand halten.

Beamter der Trump-Regierung

Die Israelis hätten dagegen betont, dass die Größe weit weniger wichtig sei als ihre Legitimität bei der lokalen Bevölkerung und ihre Bereitschaft, bei Bedarf zu kämpfen und zu töten. Etwas, das die muslimischen Länder wegen möglicher innenpolitischer Konflikte tunlichst vermeiden wollen.

„Die Israelis sind nervös und skeptisch, weil sie nicht die Kontrolle haben und nicht mehr die Karten in der Hand halten. Wir haben ihnen gesagt: ‚Lasst uns die richtigen Umstände schaffen und sehen, ob es der Hamas ernst ist oder nicht‘“, sagte ein US-Beamter dem „Axios“-Bericht zufolge.

Israelische Soldaten und Panzer sind im Gazastreifen zu sehen.

© AFP/Jack Guez

Als wäre diese Gemengelage nicht schon kompliziert genug, haben die USA noch ein weiteres Problem: Sie müssen die Zustimmung der Hamas zum Einsatz der ISF zu erreichen. „Wenn man in ein Umfeld kommt, in dem die Hamas einen als Besatzungsmacht betrachtet, wird es schwierig. Aber wenn die Hamas zustimmt, ist die Situation eine andere“, sagte der US-Beamte demnach weiter.

In einem solchen Szenario müsste die ISF keinen Krieg gegen die Hamas führen, sondern nur den Frieden durchsetzen und gegen Organisationen vorgehen, die versuchen, die neue Regierung und den Wiederaufbau zu stören. Ein zentraler Punkt sei, dass die Hamas davon überzeugt sein müsse, dass ihre Kämpfer tatsächlich Amnestie erhalten, wenn sie sich bereit erklärt, den Friedensplan weiter umzusetzen.

Und falls die Hamas nicht zustimmt und sich vielleicht nur teilweise entwaffnet? In einem solchen Szenario würde die ISF zunächst im südlichen Teil des Gazastreifens eingesetzt werden, wo Israel und nicht die Hamas die Kontrolle hat, um eine sichere Zone für den Wiederaufbau zu schaffen, fügte der Beamte hinzu.

Jacob Magid, US-Korrespondent für die Zeitung „The Times of Israel“ bestätigte in einem aktuellen Podcast, dass es bei den Verhandlungen das Szenario gibt, dass der Gazastreifen vorerst geteilt wird: In eine von der Hamas und in eine von Israel kontrollierte Zone. Staaten wie Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate seien aber der Ansicht, dass eine Aufteilung Gazas, „den Status Quo zementieren würden. Dies würde Israel den Osten überlassen und der Hamas den Westen.“

Welche Rolle wird die UN bei der Schutztruppe spielen?

Die vier Staaten plädieren Magid zufolge dafür, den Fokus darauf zu legen, in Gaza eine technokratische Regierung aufzubauen, die mit der aktuellen Verwaltung, der Palästinensischen Autonomiebehörde, im Westjordanland verbunden sein soll. Durch eine solche alternative Regierung solle die Hamas geschwächt werden. Die vier Staaten seien ausschließlich bereit, Truppen und finanzielle Mittel für dieses Szenario bereitzustellen.

Israel wiederum sieht diesen Ansatz skeptisch. Solange die Hamas Waffen habe, sei kein Land bereit, Truppen in den Gazastreifen zu schicken. Aus Sicht Israels sollte daher „die Priorität auf der Entwaffnung der Hamas liegen“.

Eine weitere Frage im Gaza-Friedensprozess ist auch, ob und wie die Vereinten Nationen eingebunden werden sollen. Wie es in dem Bericht heißt, soll die US-Administration in den vergangenen Tagen erhebliche Fortschritte bei der Ausarbeitung einer Resolution des UN-Sicherheitsrats erzielt haben, die die ISF unterstützen und als rechtliches Mandat dienen soll, um Ländern die Entsendung von Truppen zu ermöglichen.

Gleichzeitig werde die Resolution die ISF nicht zu einer UN-Friedenstruppe machen, und die USA könnten die Federführung der Schutztruppe übernehmen, wie im Friedensplan von Trump vorgesehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })