zum Hauptinhalt
Geflüchtete Frauen in Tschad. Seit April 2023 tobt ein brutaler Machkampf im Sudan.

© imago/Le Pictorium/Adrien Vautier

„Straflosigkeit für sexualisierte Gewalt muss enden“: Frauen im Sudan zwischen Gewalt, Hunger und Vertreibung

Vor allem Frauen leiden unter dem Krieg im Sudan. Dennoch kämpfen sie für Frieden und Gerechtigkeit. Die „Aktion gegen den Hunger“-Chefin würdigt den Mut der Frauen im Kriegsgebiet.

Ein Gastbeitrag von Helene Mutschler

Stand:

Der Sudan versinkt im Chaos. Seit April 2023 tobt ein brutaler Machtkampf, der das Land an den Rand des Abgrunds treibt. Doch während Armee und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) um die Macht ringen, leiden die Menschen – und ganz besonders die Frauen und Mädchen.

Sie sind nicht nur den tagtäglichen Kriegsgräueln ausgesetzt, sondern werden Opfer systematischer sexualisierter Gewalt, die als perfide Waffe im Konflikt eingesetzt wird. Gleichzeitig verschärfen Hunger und Vertreibung die ohnehin katastrophale Lage.

Hilfsorganisationen wie Aktion gegen den Hunger schlagen bereits seit langem Alarm. Unsere Teams vor Ort berichten von Vergewaltigungen, sexueller Versklavung und Ausbeutung. Die Fälle von Menschenhandel und Zwangsheirat häufen sich. Aus Scham und Angst vor Repressalien schweigen viele Frauen.

Hunger ist im Sudan allgegenwärtig

Die Täter, meist Milizionäre, agieren oft ungestraft. Die ohnehin fragile Infrastruktur des Landes ist durch den Krieg weiter zusammengebrochen, medizinische und psychosoziale Hilfe für die Opfer kaum vorhanden. Was Frauen und Mädchen in diesem Krieg erleiden, ist unvorstellbar.

Gewalt ist eine Facette des Leids; Hunger und Vertreibung sind zwei weitere. Der Krieg hat die Wirtschaft des Sudans zerstört und Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Felder liegen brach, Märkte sind geschlossen, und die Preise für Lebensmittel explodieren.

Hunger ist allgegenwärtig, besonders in den umkämpften Regionen Darfur und Kordofan. 35 Millionen Menschen leiden an Hunger und 750.000 Menschen sind vom Hungertod bedroht. Es ist die weltweit größte Hungerkatastrophe. Frauen und Kinder sind am stärksten betroffen, viele leiden an Unterernährung und Krankheiten.

Die Vertreibung verschärft die Situation zusätzlich. Rund 14 Millionen Menschen haben ihre Häuser verlassen und suchen Schutz in überfüllten Lagern im Land und in den Nachbarländern oder bei Verwandten. Es ist die weltweit größte Geflüchtetenkrise.

Die Lebensbedingungen sind katastrophal, es fehlt an Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung. Frauen und Mädchen sind in den Lagern besonders gefährdet, sie sind schutzlos der Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt. „Frauen und Mädchen leiden im Sudan enorm. Wir brauchen Frieden“, sagt eine Kollegin aus dem Sudan, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte.

Frauennetzwerke dokumentieren mutmaßliche Kriegsverbrechen

Doch die Frauen im Sudan sind nicht nur Opfer. Sie sind auch eine treibende Kraft für Frieden und Versöhnung. Inmitten des Leids organisieren sie sich, leisten humanitäre Hilfe und setzen sich für einen Waffenstillstand ein.

Besonders gefährdet: Die Gewalt gegen Frauen und Mädchen findet Hilfsorganisationen zufolge vor allem in Flüchtlingslagern an.

© AFP/GUEIPEUR DENIS SASSOU

Frauennetzwerke wie die Plattform „Frieden für den Sudan“, der mehr als 49 von Frauen geführte Initiativen und Organisationen angehören, von denen viele schon vor dem Konflikt aktiv waren, spielen eine wichtige Rolle bei der Dokumentation von Kriegsverbrechen und der Unterstützung der Opfer.

Sie verteilen Lebensmittel, Medikamente und Hygieneartikel, sie organisieren Bildungsangebote für Kinder und schaffen sichere Räume für Frauen und Mädchen.

Deutschland, das sich einer feministischen Außenpolitik verschrieben hat, trägt hier eine besondere Verantwortung.

Helene Mutschler

Bei Aktion gegen den Hunger wissen wir, dass humanitäre Hilfe ohne diese lokalen Organisationen kaum möglich ist, deshalb unterstützen wir sie und arbeiten eng mit ihnen zusammen.

Frauen als Rückgrat der Gesellschaft: Eine von Freiwilligen betriebene Gemeinschaftsküche in Omdurman im Landesinneren kocht und verteilt Mahlzeiten an die lokale Bevölkerung.

© Reuters/Mazin Alrasheed

Wir betreiben eine sichere Telefonhotline für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt und leisten medizinische und psychosoziale Hilfe. Unsere Teams organisieren Aufklärungsveranstaltungen, bilden Frauengruppen aus und unterstützen bei der Gründung von Initiativen, die über geschlechtsspezifische Gewalt in Schulen aufklären.

Die internationale Gemeinschaft darf diese Frauen nicht im Stich lassen.

Es braucht dringend mehr humanitäre Hilfe und vor allem gezielte Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und die Straflosigkeit für sexualisierte Gewalt muss ein Ende haben.

In einem Ende 2023 veröffentlichten Bericht über geschlechtsspezifische Gewalt berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk, dass Frauen und Mädchen im Sudan die Hauptlast der Kriegsfolgen tragen: Vergewaltigung, Belästigung und sexualisierte Ausbeutung sind für viele Alltag.

© Reuters/El Tayeb Siddig

Zugleich muss die Stimme der Frauen im Friedensprozess gestärkt werden.

Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind essenziell für eine nachhaltige Lösung des Konflikts. Nur wenn Frauen gleichberechtigt an den Verhandlungstischen sitzen, kann ein gerechter und dauerhafter Frieden im Sudan gelingen.

Deutschlands besondere Rolle

Es ist ein langer und mühsamer Weg. Doch die Frauen im Sudan geben die Hoffnung nicht auf. Ihr Mut und ihre Widerstandskraft sind ein Zeichen der Stärke inmitten des Chaos. Es ist an der Zeit, dass die Welt ihnen zuhört und ihnen die Unterstützung gibt, die sie verdienen.

Deutschland, das sich einer feministischen Außenpolitik verschrieben hat, trägt hier eine besondere Verantwortung.

Die Bundesregierung hat bereits erste Schritte unternommen, um den Opfern des Konflikts zu helfen.

Angaben des International Rescue Committe zufolge sind 90 Prozent der Menschen, die die Grenzen zum Tschad überqueren, Frauen und Kinder.

© REUTERS/ZOHRA BENSEMRA

Doch angesichts des Ausmaßes der Krise sind weitere Anstrengungen nötig. Mit ihrem Besuch im Tschad, wo Hunderttausende Vertriebene aus dem Sudan geflohen sind, hat Entwicklungsministerin Svenja Schulze kürzlich auf die dramatischen Folgen des Konflikts aufmerksam gemacht.

Deutschland muss seine Rolle als internationaler Akteur wahrnehmen und die humanitäre Hilfe für den Sudan und den Nachbarländern wie dem Tschad oder Südsudan, wohin viele Sudanesinnen und Sudanesen geflüchtet sind, aufstocken und gezielt Projekte fördern, die Frauen und Mädchen zugutekommen.

Dazu gehören der Zugang zu medizinischer Versorgung, psychosozialer Betreuung und sicheren Unterkünften, aber auch Bildungsangebote und wirtschaftliche Unterstützung. Zugleich sollte die Bundesregierung alle diplomatischen Kanäle nutzen, um zu einer Beilegung des Konfliktes beizutragen – und sich aktiv für die Rechte und den Schutz von Frauen im Sudan einsetzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })