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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg and die finnische Regierungschefin Sanna Marin.

© AFP/Heikki Saukkomaa

Doch ohne Schweden?: Warum Finnland im Alleingang Nato-Mitglied werden könnte

Die Regierung in Helsinki will so rasch wie möglich dem Militärbündnis beitreten. Im Parlament soll dafür der Weg geebnet werden. Doch es gibt in Finnland auch Widerstand.

Eigentlich wollten Finnland und Schweden den Weg in die Nato „Hand in Hand“ gehen. Im Mai beantragten sie zusammen die Mitgliedschaft im Militärbündnis, beide nordischen Länder stimmten sich im Vorfeld eng ab und wollten gemeinsam ihre jahrzehntelange Bündnisfreiheit aufgeben.

Doch anders als Helsinki kam Stockholm seitdem immer wieder ins Straucheln, erfüllte türkischer Lesart zufolge die Bedingungen eines trilateralen Nato-Abkommens nicht. Nun prescht Finnland vor.

In Helsinki diskutierte das Parlament am Dienstag einen Gesetzesvorschlag für die Nato-Mitgliedschaft, der Auswärtige Ausschuss hatte die Annahme vorab ausdrücklich empfohlen. Doch die beiden linken Parlamentarier Markus Mustajärvi und Johannes Yrttiaho brachten einen Gegenentwurf ein.

Abstimmung zur Nato-Mitgliedschaft am Mittwoch

Die finnische Linkspartei Vasemmistoliitto hat einen Beitritt ins Militärbündnis stets abgelehnt und ihre Haltung erst nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine geändert. Nur zaghaft, wie sich jetzt zeigt.

Mustajärvi und Yrttiaho kritisieren, dass die finnische Position zur Stationierung von Atomwaffen im Entwurf deutlicher gemacht werden müsse. Denn das Atomenergiegesetz verbietet sowohl die Herstellung als auch die Einfuhr von Nuklearwaffen. Dies müsse als Bedingung für einen Nato-Beitritt im Gesetz festgeschrieben sein.

Am Mittwochmittag muss das Parlament deshalb abstimmen. Eine einfache Mehrheit ist für die Annahme des Gesetzes nötig. Innenpolitisch wäre damit der Weg in die Nato frei.

Die Gesetzgebung sollte ursprünglich erst nach den Parlamentswahlen im April ausgearbeitet werden. Mit der vorgezogenen Entscheidung verhindert Helsinki nun aber, dass sich das weitere Prozedere in die Länge zieht – es gilt als wahrscheinlich, dass es im April zu einem Regierungswechsel kommt.

Zugleich erhöht Finnland damit den Druck auf die Nato-Mitgliedsländer Ungarn und die Türkei und signalisiert: Wir sind bereit, wenn ihr es seid.

Beide Länder haben den Beitrittsgesuchen Schwedens und Finnlands bisher nicht zugestimmt. Ankara hat insbesondere Stockholm in den vergangenen Monaten scharf kritisiert und erwartet die Auslieferung Dutzender angeblicher kurdischer Terroristen sowie ein komplettes Ende der Aktivitäten kurdischer Gruppen in Schweden.

Kommende Woche treffen sich Vertreter:innen aller drei Länder nach Wochen des Stillstands wieder in Brüssel, um im Nato-Hauptquartier weiter über die Norderweiterung des Bündnisses zu sprechen. Bei einem Besuch in Helsinki machte Nato-Chef Jens Stoltenberg noch vor der Parlamentsdebatte am Dienstag deutlich, dass er die türkischen Forderungen sowohl in Finnland als auch in Schweden als erfüllt ansehe. Er freue sich, beide Länder schon bald in der „großen Nato-Familie“ willkommen zu heißen.

Die vorgezogene Abstimmung ermöglicht Finnland nun auch einen eigenständigen Nato-Beitritt. In den vergangenen Wochen hat das Land zunehmend die Geduld verloren, das angespannte Verhältnis zwischen Schweden und der Türkei macht eine Ratifizierung durch Ankara für beide nordischen Länder zugleich immer unwahrscheinlicher.

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Einer aktuellen Umfrage der finnischen Zeitung „Ilta-Sanomat“ zufolge, zeigen sich auch immer mehr Finninnen und Finnen für einen Alleingang bereit: 53 Prozent befürworten einen Beitritt auch ohne den Nachbarn Schweden. Aus finnischer Sicht brauche das Land allein durch die mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland eine Nato-Mitgliedschaft dringender als Schweden.

An diesem Mittwoch beginnt auch die parlamentarische Debatte in Budapest, seit dem Sommer steckt die Abstimmung über die Nato-Norderweiterung fest. Offiziell wollte das Land die von der Europäischen Union geforderten Reformen zur Korruptionsbekämpfung erst verabschieden. Eine Entscheidung zum Nato-Prozess wird nun für die zweite Märzhälfte erwartet.  

Regierungschef Viktor Orbán pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und äußerte Ende vergangener Woche erstmals Bedenken bezüglich einer Nato-Mitgliedschaft der Nordeuropäer. Finnland und Schweden hätten in der Vergangenheit „unverhohlt Lügen“ über die Rechtsstaatlichkeit seines Landes verbreitet.

Ein bemerkenswerter Zeitpunkt nach Monaten der Stille. Wegen fehlender Rechtsstaatlichkeit im Land hat die EU im Dezember Zahlungen in Milliardenhöhe eingefroren, im Januar hat Schweden die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Einer der Schwerpunkte ist Rechtsstaatlichkeit als europäisches Fundament.

Im Juni werden die EU-Mitgliedsländer darüber in Stockholm diskutieren. Es dürfte dabei auch um die Frage gehen, wie die Union – unter schwedischer Führung – weiter mit Ungarn verfahren will. Ob Ungarn ähnlich wie die Türkei die Ratifizierung der Nato-Mitgliedschaft taktisch nutzen will, ist nicht auszuschließen.

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