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Die deutsch-israelische Geisel Ohad Ben Ami vor der Freilassung durch die Hamas in Deir Al-Balah im Gazastreifen.

© REUTERS/Hatem Khaled

Update

Drei Geiseln zurück in Israel: Freigelassener erfuhr erst jetzt vom Mord an seiner Frau und Töchtern

Auf TV-Bildern erscheinen die drei von der Hamas freigelassenen Männer bleich und abgemagert. Israels Außenminister sagte, sie sähen aus wie „Holocaust-Überlebende“.

Stand:

Drei weitere Geiseln der islamistischen Hamas sind aus dem Gazastreifen zurück auf israelischen Boden gebracht worden, teilte das israelische Militär mit. Zuvor waren Ohad Ben Ami (56), Or Levy (34) und Eli Scharabi (52) am 491. Tag ihrer Geiselhaft in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens an das Rote Kreuz übergeben worden, wie in live-Fernsehaufnahmen zu sehen war.

Auf den Bildern waren drei bleich und abgemagert aussehende Männer zu sehen. Mehrere Familienmitglieder brachen in Tränen aus, als sie die Männer live im Fernsehen sahen, wie israelische Medien berichteten. Eine Verwandte von Ohad Ben Ami, sagte Medien zufolge, der 56-Jährige sehe schlimm und mindestens zehn Jahre älter aus, als er sei.

Der Gesundheitszustand der drei von der Hamas freigelassenen Geiseln ist Krankenhausangaben zufolge schlecht. Or Levy und Eli Scharabi seien in einem „schlechten“ gesundheitlichen Zustand zurückgekehrt, teilte Jael Frenkel Nir, Direktorin des Scheba-Krankenhauses in Ramat Gan, am Samstag vor Journalisten mit.

„Die Folgen von 491 Tagen in Gefangenschaft sind offensichtlich (...) und ihr Gesundheitszustand ist schlecht“, sagte die Krankenhausdirektorin. Es sei das vierte Mal, dass ihr Krankenhaus seit Beginn der Waffenruhe am 19. Januar freigelassene Geiseln untersucht habe, „und die Situation ist dieses Mal ernster“, fügte sie hinzu.

Israels Außenminister hat die von der Hamas freigelassenen Geiseln angesichts ihrer augenscheinlich schlechten körperlichen Verfassung mit Überlebenden der Schoah verglichen. „Die israelischen Geiseln sehen aus wie Holocaust-Überlebende“, schrieb Gideon Saar auf der Plattform X.

Nur die Geiseln hätten offensichtlich Hunger gelitten. Mit Blick auf die bei der Freilassung Anwesenden schrieb er: „Hamas-Terroristen und andere Bewohner des Gazastreifens sehen vollkommen gesund aus.“

„So sieht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus“, erklärte der israelische Staatspräsident Izchak Herzog. „Die ganze Welt muss auf Ohad, Or und Eli blicken, die nach 491 Tagen Hölle, ausgehungert, abgemagert und leidend, zurückkehren.“ Die Männer seien für ein „zynisches und grausames Spektakel“ ausgenutzt worden.

Hamas-Kämpfer mit Ohad Ben Ami, Or Levy and Eli Sharabi in Deir el-Balah.

© AFP/EYAD BABA

Es ist die fünfte Geiselfreilassung seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe am 19. Januar. Im Gegenzug sollen 183 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.

Hunderte Palästinenser versammeln sich um eine Bühne in Deir al-Balah, die für die Übergabe von drei israelischen Geiseln an das Rote Kreuz durch die Hamas errichtet wurde.

© dpa/AP/Mohammad Abu Samra

Darunter sind 18 mit lebenslangen Haftstrafen wegen Mordes und Terrorismus und 111 Palästinenser, die nach dem 7. Oktober im Gazastreifen festgenommen wurden. Fernsehbilder zeigten, wie ein Bus mit freigelassenen Palästinensern ins Westjordanland fuhren.

Ein freigelassener palästinensischer Gefangener in Ramallah im Westjordanland.

© REUTERS/AMMAR AWAD

Hunderte Schaulustige verfolgten die Geiselübergabe, wie Fernsehaufnahmen zeigten. Anders als vor knapp anderthalb Wochen gab es aber keine drängelnde Menge und kein Chaos, durch das sich die Geiseln einen Weg bahnen mussten. Auch zahlreiche vermummte und zumeist mit Maschinenpistolen bewaffnete Hamas-Mitglieder waren anwesend – wie auch bei den vorigen Geisel-Freilassungen.

Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami unter freigelassenen Geiseln

Der 56-Jährige, der Berichten zufolge auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wohnt im Kibbuz Beeri in der Nähe des Gazastreifens. Von dort wurde der Buchhalter der Siedlung während des Massakers der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt.

Dieses undatierte Foto des Hostages Family Forum zeigt Ohad Ben Ami, der am 7. Oktober 2023 entführt und nach Gaza gebracht wurde.

© dpa/AP/Hostage’s Family Forum/Uncredited

Auch seine Frau Ras Ben Ami fiel den Islamisten in die Hände und wurde ebenfalls in den Gazastreifen entführt. Sie kam bei einer Feuerpause im November 2023 frei. Eine der Töchter stellte ein Video ins Netz, in dem die Freude und Erleichterung über die Ankündigung der Freilassung zu sehen ist. „Endlich wird mein Herz wieder eins“, schrieb sie dazu, wie die Zeitung „Times of Israel“ berichtete.

Or Levy

Seine Geschichte ist trauriger. Der 34-Jährige war am 7. Oktober 2023 mit seiner Frau Einav auf dem Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen, als die Islamisten ihr Massaker begannen. Ihren kleinen Sohn hatten sie bei seinen Großeltern gelassen. Vor den marodierenden Palästinensern flüchtete das Paar in einen der Betonschutzbauten, die als Unterstände vor Raketenangriffen aus dem Gazastreifen gedacht waren.

Dieses undatierte Foto des Hostages Family Forum zeigt Or Levy, der am 7. Oktober 2023 entführt und nach Gaza gebracht wurde.

© dpa/AP/Hostage’s Family Forum/Uncredited

Sie sind etwa so groß wie ein Wartehäuschen an einer Bushaltestelle und haben keine verschließbaren Türen. Deshalb wurden sie für viele Schutzsuchende zur Todesfalle, weil die Terroristen Handgranaten hineinwarfen oder hineinschossen. Auch Ors Frau Einav starb dort. Er selbst wurde verschleppt. Nachdem Ors Freilassung angekündigt worden war, sagte sein Bruder dem kleinen Sohn Ors: „Mogi, wir haben Vati gefunden.“ Der Junge sei vor Freude auf dem Bett herumgehüpft.

Die Familie habe ihn so vermisst, sagte die Mutter des 34-jährigen Levy in einer von der Regierung verbreiteten Aufnahme des Wiedersehens. Der mager aussehende Mann ist darauf weinend in den Armen seiner Eltern und seines Bruders zu sehen. Israelischen Medien zufolge wird Levy seinen dreijährigen Sohn aufgrund seines schlechten körperlichen Zustands erst zu einem späteren Zeitpunkt treffen.

Eli Scharabi

Für Eli Scharabi hielt das Wiedersehen mit seinen Angehörigen Medienberichten zufolge schlimme Nachrichten bereit. Der 52-Jährige habe nicht gewusst, dass seine Frau sowie die beiden gemeinsamen Töchter von Terroristen während des Hamas-Massakers vor 16 Monaten ermordet worden seien, berichtete der israelische Sender Channel 12. Die Mädchen waren demnach damals 13 und 16 Jahre alt. Auf Aufnahmen der Regierung ist Scharabi in den Armen seiner Mutter und seiner Schwester zu sehen.

Dieses undatierte Foto des Hostages Family Forum zeigt Eli Scharabi, der am 7. Oktober 2023 entführt und nach Gaza gebracht wurde.

© dpa/AP/Hostage’s Family Forum/Uncredited

Scharabi selbst wurde zusammen mit seinem nebenan wohnenden Bruder Jossi gefangen genommen und in den Gazastreifen verschleppt. Gut drei Monate später bestätigten die israelischen Behörden, dass auch der Bruder getötet worden und seine Leiche im Gazastreifen sei.

Die Familie von Scharabi schrieb einem Bericht „Times of Israel“ zufolge: „Heute wollen wir ihm mehr denn je zeigen, dass er nie allein war.“ Aber es wird schwer werden, weiß sein Bruder Scharon. „Meine Lebensaufgabe ist es, Eli lebend zurückzubringen, aber ich weiß nicht, wie er weiterleben soll, wenn er erfährt, dass er keine Familie mehr hat. Wie kann man jemandem helfen, sich davon zu erholen“, sagte er der Zeitung „Haaretz“ im vergangenen Herbst.

Deutsch-Israelische Familie weiterhin im Gazastreifen

Palästinensischen Medienberichten zufolge könnten die Geiseln an zwei verschiedenen Orten im Zentrum des Gazastreifens übergeben werden. Für medizinische Untersuchungen würden die Männer dann zunächst in zwei Kliniken in Tel Aviv gebracht, berichtete die Zeitung „The Times of Israel“ unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. 

Die in Israel erhoffte Freilassung einer Mutter und ihrer beiden kleinen Kinder, die ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen sollen, verzögert sich damit weiter. Der Familienvater Jarden Bibas, ein Israeli mit zusätzlich argentinischer Staatsbürgerschaft, wurde bereits freigelassen.

Jarden Bibas hält eine Tafel mit der Botschaft „Ich danke allen Menschen in Israel für ihre Unterstützung und Hilfe. Ich habe von meiner Familie gehört, dass ihr für mich gekämpft habt, und ich möchte euch dafür danken. Ich weiß das sehr zu schätzen, und das ist keine Selbstverständlichkeit. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Großvater!“, während er in einem Hubschrauber zu einem Krankenhaus fliegt.

© REUTERS/ISRAEL DEFENSE FORCES

Das Schicksal der drei übrigen Familienmitglieder ist ungewiss: Die islamistische Hamas hatte vor langer Zeit mitgeteilt, sie seien bei israelischen Bombardements getötet worden. Israel bestätigte ihren Tod – anders als in anderen Fällen – nicht.

„Leider ist meine Familie noch nicht zu mir zurückgekehrt. Sie sind immer noch da. Mein Licht ist noch dort, und solange sie da sind, ist hier alles dunkel“, schrieb Bibas in seiner ersten Stellungnahme seit seiner Freilassung auf der Nachrichtenplattform X. „Ministerpräsident Netanjahu, bringen Sie meine Familie zurück, bringen Sie meine Freunde zurück, bringen Sie alle zurück“, appellierte er. 

Bisher 16 Geiseln freigelassen

Derzeit werden israelischen Angaben zufolge noch 76 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. 35 von ihnen dürften jedoch vermutlich nicht mehr am Leben sein.

Während der ersten sechswöchigen Phase der Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas sollen 33 Gaza-Geiseln gegen 1904 inhaftierte Palästinenser ausgetauscht werden.

Bisher kamen bei fünf Freilassungsaktionen 16 israelische Geiseln frei. Die Hamas ließ auch fünf Thailänder frei, was jedoch nicht Teil der Vereinbarung war. Im Gegenzug ließ Israel bisher 583 Palästinenser frei. (dpa, Reuters)

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