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Die israelische Armee feuert Raketen auf die Region ab, zudem habe die Streitkräfte eigenen Angaben zufolge Gaza-Stadt mittlerweile eingekesselt.

© Reuters/Mohammed Fayq Abu Mostafa

Update

„Eine Granate ist direkt vor mir eingeschlagen“: Wie ein Berliner im Gazastreifen die Angriffe Israels erlebt

Israels Armee intensiviert die Attacken, die Lage für die Menschen im Gazastreifen wird immer schwieriger. Dies berichtet auch ein junger Mann aus Berlin, der in Gaza-Stadt festsitzt.

Stand:

Im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas verstärkt Israel die Angriffe auf den Gazastreifen immer weiter. Die Armee feuert Raketen auf die Region ab, zudem haben die Streitkräfte eigenen Angaben zufolge Gaza-Stadt mittlerweile eingekesselt. Ziel Israels ist es nach wie vor, die radikalislamische Hamas als Vergeltung für die Raketenangriffe und die Massaker vom 7. Oktober zu vernichten.

Inzwischen konnten zwar Hunderte Ausländer aus dem umkämpften Gazastreifen ausreisen, nach Angaben Ägyptens vom Donnerstag warten aber noch rund 7000 ausländische Staatsangehörige aus 60 Ländern auf ihre Ausreise.

Nach Angaben der Bundesregierung haben mehr als 30 Deutsche den umkämpften Gazastreifen am Freitag verlassen können. Darunter seien auch Familien mit Kindern, wie das Auswärtige Amt am Abend über X, vormals Twitter, mitteilte. Das Ministerium arbeite „mit Hochdruck“ daran, dass auch andere Deutsche, die sich im Gazastreifen aufhalten, ausreisen können, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Das AA gehe von einer „niedrigen dreistelligen Zahl an Deutschen“ dort aus.

Es gebe eine Zusage, dass eine festgelegte Anzahl von Menschen jeden Tag ausreisen könne, sagte der Sprecher weiter. Die Kontrollen am Grenzübergang seien allerdings „aufwendiger als gedacht“. Daher seien bislang weniger Menschen aus dem Gebiet herausgekommen als ursprünglich angenommen.

Es passiert zu viel Leid, es sterben zu viele Menschen. Ich bekomme von zu vielen Verwandten mit, die ihr Leben verloren haben.

Abed Hassan aus Berlin

Einer von ihnen ist der 27-jährige Abed Hassan aus Berlin. Er wollte Verwandte im Gazastreifen besuchen, als der der Terror der Hamas begann und Israel zum Gegenschlag ausholte. Seitdem sitzt der Berliner mit seiner Mutter im Gazastreifen fest, wie er am Donnerstagabend dem ZDF schilderte.

Drohnenflüge und Panzergranaten seien rund um die Uhr zu hören, sagte Hassan dem Sender. „Gestern Abend haben wir einen Einschlag gehabt, ich schätze 250 Meter Luftlinie von uns entfernt, bei dem auch die Splitter bei uns angekommen sind“, berichtete Hassan. „Sie haben meine Cousine knapp verfehlt.“

Dies sei in der aktuellen Lage aber nicht außergewöhnlich gewesen. „Die Bombardierungen finden in jedem Viertel, überall statt.“ Auch er selbst sei beinahe getroffen worden: „Ich war einkaufen und dann ist eine Granate unmittelbar vor mit eingeschlagen.“

Im Gazastreifen gibt es keine Bunker

Hassan sagte weiter, er sei mit seiner Mutter zu seiner Tante nach Gaza-Stadt geflohen. Die Wohneinheiten, in denen er sonst mit seiner Familie wohnt, seien mittlerweile verlassen „und auch zum größten Teil zerstört“, schilderte Hassan. Alle anderen seines Viertels seien in UN-Schulen untergebracht worden, sagt er.

Bunker oder andere Schutzräume gebe es im Gazastreifen nicht. Lediglich die Schulen sowie Krankenhäuser würden als einigermaßen sicher erachtet, sagte Hassan.

Aber Hassan sagte: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wüsste einen Ort, wo es sicher ist, weil es in Gaza nicht wirklich sichere Orte gibt.“

Auch das Wirtschaftsviertel des Gazastreifens sei bombardiert worden, so Hassan. Dabei gingen die Menschen im Gazastreifen bewusst in Viertel wie diese, so sagte er, da sie sich dort sicher fühlen würden. „Aber wir haben Nachbarn, die tatsächlich da hingegangen sind am zweiten Tag und dann dort verstorben sind.“

Hassan sagte: „Es passiert zu viel Leid, es sterben zu viele Menschen. Ich bekomme von zu vielen Verwandten mit, die ihr Leben verloren haben.“

Die Sperranlage um den Gazastreifen hat drei Übergänge: Erez im Norden, Kerem Schalom im Süden und Rafah in Richtung Ägypten.

© Grafik: Tsp/Bartel / Quelle: UN Ocha

Über den aktuellen Alltag im Gazastreifen sagte Hassan: „Seit Beginn des Krieges ist der Strom komplett abgeschaltet und das Wasser ist abgeschaltet.“ Nur noch Brunnenbesitzer hätten Wasser, so der 27-Jährige.

Seine Familie darf das ungefilterte Brunnen-Grundwasser von den Nachbarn trinken. Andere hätten diese Möglichkeiten nicht und müssten auf Reserven zurückgreifen. „Trinkwasser aus Flaschen zu kaufen, ist nahezu unmöglich“.

Auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln sei äußerst schwierig, schilderte der Berliner dem Sender weiter. Strom werde mit Gas erzeugt, so Hassan. „Das ist allerdings auch mittlerweile sehr rar, genau wie Benzin und Diesel“. Um Gas zu sparen, werde auch sehr wenig gekocht, so Hassan.

Versorgung wird im Gazastreifen immer schwieriger

„Ich persönlich esse gerade einmal am Tag“, sagt er und berichtet: „Es ist auch sehr schwierig, Brot zu kaufen. Die meisten Bäckereien sind außer Betrieb, wurden bombardiert oder haben selbst kein Mehl mehr, um Brot zu backen.“

Seine Familie, sagte Hassan, sei „in einer sehr priviligierten Situation“, da sie sich noch kaufen könnten, was „existiert“. „Allerdings wird das, was auf dem Markt da ist (. . . ) es verschwindet langsam“, erzählt Hassan.

Hassan sagte weiter, er sei dankbar, dass es ihm und seiner Familie bisher den Umständen entsprechend gut gehe. Sie warteten nun auf Informationen von den ägyptischen Behörden und der dortigen deutschen Vertretung, die eine Ausreise für Ausländer im Gazastreifen möglich machen sollen.

Einfach an die Grenze fahren, wolle er nicht: „Ich will nicht in Kauf nehmen, dass ich irgendwo hinfahre und mich in Gefahr begebe, um am Ende dann warten zu müssen oder nicht die Möglichkeit zu bekommen, rauszukönnen.“ (lem)

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