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Emotionale Videos mit Familien: Hamas lässt drei weitere Geiseln frei – Grenzübergang in Rafah geöffnet
Hamas-Terroristen hatten die drei Männer vor 484 Tagen während des Massakers in Israel in den Gazastreifen verschleppt. Besonders das Schicksal der Familie von Jarden Bibas bewegt die Welt.
Stand:
Kurz nach der Freilassung durch die radikalislamische Hamas ist die dritte freigelassene Geisel laut Angaben der israelischen Armee nach Israel zurückgebracht worden. Der US-Israeli Keith Siegel habe in Begleitung von Soldaten und Mitgliedern der Sicherheitsbehörden „die Grenze zu israelischem Gebiet“ überquert, hieß es am Samstag in einer Erklärung. Zuvor war er in der Stadt Gaza von Hamas-Kämpfern an das Rote Kreuz übergeben worden.
Die Hamas hatte im Zuge einer Waffenruhe-Vereinbarung zuvor bereits Ofer Kalderon (54) und Jarden Bibas (35) in Chan Junis im Süden des Gebiets freigelassen. Nun sind alle drei Männer zurück in Israel. Terroristen hatten die drei Männer vor 484 Tagen während des Hamas-Massakers in Israel in den Gazastreifen verschleppt.
183 Palästinenser sollen freikommen
Sie kommen im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der islamistischen Hamas frei. Im Gegenzug sollen 183 Palästinenser freigekommen – 72 aus israelischen Gefängnissen und 111 nach dem 7. Oktober im Gazastreifen festgenommene Personen.
Die ersten palästinensischen Gefangenen kamen bereits am Samstag frei. Angehörige der 32 Betroffenen empfingen sie in der Stadt Ramallah im Westjordanland, wie palästinensische Medien meldeten. Dorthin wurden sie mit Bussen des Roten Kreuzes gebracht.

© REUTERS/Ramadan Abed
Berichten zufolge soll Israel bei den 111 Palästinensern festgestellt haben, dass sie nichts mit dem Hamas-Terrorüberfall zu tun haben. Unter den 72 Häftlingen sind palästinensischen Angaben zufolge auch mehrere zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilte Gefangene.
Zudem wurde der Grenzübergang in Rafah im südlichen Gazastreifen zum ersten Mal seit Mai 2024 wieder geöffnet. 50 Patienten seien über den Grenzübergang nach Ägypten gebracht worden, erklärte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen.
Im staatsnahen ägyptischen Fernsehsender Al-Kahera News waren Aufnahmen zu sehen, wie 50 Evakuierte und 53 Begleitpersonen die Grenze zu Ägypten überquerten, um dort behandelt zu werden.
Der Direktor der Krankenhäuser im Gazastreifen, Mohammed Sakut, sagte, er hoffe, dass die Zahl der von Ägypten genehmigten Fälle steige. „Wir haben jetzt 6000 Fälle“, die zur Überstellung bereit seien. Es gebe zudem „mehr als 12.000 Fälle“, die dringend behandelt werden müssten.
Der einzige Grenzübergang, der nicht über israelisches Gebiet führt, wurde geschlossen, nachdem Israels Armee dort im vergangenen Mai auf palästinensischer Seite die Kontrolle übernommen hatte. Es gab zunächst aber keine Hinweise darauf, dass auch die Hilfslieferungen nach Gaza über Rafah wieder starten würden. Diese kommen seit Monaten nur über von Israel kontrollierte Übergange nach Gaza.
Keine großen Menschenmengen bei Freilassungen
Die beiden Übergaben verliefen im Vergleich zur vergangenen geordnet und zügig. Keine große Menschenmenge hat sich dieses Mal vor Ort versammelt. Bewaffnete und vermummte Hamas-Kämpfer in Uniform säumen eine Straße, durch die das Fahrzeug mit Siegel fuhr. Fernsehaufnahmen zeigten eine Frau, die Rosenblätter und glitzerndes Konfetti in Richtung der Hamas-Kämpfer streut.
Vor jeder Übergabe unterschrieben Hamas und Vertreter des Roten Kreuz „Freilassungsdokumente“. Auf Fernsehaufnahmen war zu sehen, wie Kalderon und Bibas nacheinander auf eine Bühne traten und dort Anwesenden winken mussten. Sie standen dabei vor Plakaten, auf dem getötete Hamas-Führer abgebildet sind.
Hinter der Bühne, auf die Keith Siegel zwei Stunden danach am Hafen der Stadt Gaza geführt wurde, war das Mittelmeer zu sehen. Auf einem an der Bühne angebrachten Banner ist in hebräischer Schrift zu lesen: „Der Zionismus wird nicht siegen“. Unter dem Begriff versteht man das Streben nach der Gründung eines jüdischen Staates. In ihrer Charta fordert die Terrororganisation Hamas die Zerstörung des Staates Israel und die gewaltsame Errichtung eines islamischen Staates Palästina vom Jordan-Fluss im Osten bis zum Mittelmeer im Westen.

© dpa/Mohammed Hajjar
In der Küstenmetropole Tel Aviv jubelten etliche Menschen, die live-Aufnahmen der Übergabe der Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen sahen.
Schicksal der Bibas-Familie bewegt die Welt
Die Entführung der Familie Bibas mit ihren zwei kleinen Jungen, einer davon ein Baby, hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch die Kinder sowie die Mutter, die neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sind für die Freilassung in der ersten Phase der Vereinbarung vorgesehen. Nun kam der Vater vor ihnen frei – obwohl Frauen und Kinder Vorrang bei der Freilassung haben sollen.
Die Hamas hatte vor langer Zeit mitgeteilt, dass die Frau und die beiden Jungs bei israelischen Bombardements getötet worden sein sollen. Israel bestätigte ihren Tod – anders als in anderen Fällen – nicht. Es gebe aber große Sorge um das Schicksal der drei, hieß es von offizieller Seite.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) begrüßte die Freilassung. Dies sei „für uns alle ein Grund zur Freude“, erklärte sie am Samstag in Onlinenetzwerken. Während der israelisch-französische Bürger Ofer Kalderon und der US-Israeli Keith Siegel „endlich wieder ihre Liebsten umarmen können“, gehe jedoch für Yarden Bibas „der Hamas-Terror auch in Freiheit weiter“.
„Wir alle haben noch (Bibas“ Frau) Shiri vor Augen, wie sie ihre beiden kleinen Kinder Ariel und Kfir fest im Arm hält, um sie vor den Terroristen zu schützen“, schrieb Baerbock weiter. „Dass ihr Mann Yarden zurückkehrt, die drei aber nicht, verstärkt die schlimmsten Befürchtungen. Meine Gedanken sind bei der Familie.“
Videos zeigen Wiedersehen mit Familien
Israels Regierung verbreitete Aufnahmen des freudigen Wiedersehens von Ofer Kalderon mit seinen vier Kindern. Die beiden Jüngeren wurden ebenfalls am 7. Oktober von Terroristen entführt. Sie wurden Ende November während eines ersten Abkommens zwischen Israel und der Hamas freigelassen.
Ein Video zeigt den Vater, wie er seine beiden Töchter und beiden Söhne umarmt und anschließend mit ihnen Scherze macht. „Ich habe nicht aufgegeben“, ließ er die vier wissen. „Es ist vorbei, Papa, jetzt bist du bei uns“, sagte seine älteste Tochter zu ihm. Zu seinem ältesten Sohn, der den Terrorüberfall andernorts in einem Schutzraum überlebte, sagte er scherzend, dieser habe sich besser versteckt.
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Auf einem weiteren von der israelischen Regierung verbreiteten Video ist Jarden Bibas lächelnd und in enger Umarmung mit seinem Vater und seiner Schwester zu sehen. Sein Humor sei geblieben, hört man seinen sichtlich erleichterten Vater zu dem 35-Jährigen sagen. Immer wieder küsst er seinen Sohn.
Eine andere Aufnahme zeigt Bibas lächelnd mit israelischen Soldaten nach seiner Ankunft in Israel. Israelischen Medienberichten zufolge jubelte ihm bei seiner Ankunft in einem Krankenhaus anschließend auch eine große Menschenmenge zu.
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Auch Keith Siegels Familie reagierte auf die Freilassung des 65-Jährigen mit großer Freude. „Er sieht gut aus“, sagte seine glücklich wirkende Frau Aviva, als sie Aufnahmen der Freilassung gemeinsam mit ihrem Sohn sieht. Die Israelin wurde ebenfalls während des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt, kam aber im Rahmen eines ersten Gaza-Deals im November 2023 frei.
„Wir sind erfüllt von unbeschreiblicher Aufregung“, teilte Siegels Familie in einer Erklärung nach dessen Ankunft in Israel mit. „Endlich, nach 484 langen, furchterregenden Tagen und Nächten voll immenser Sorge um unseren Vater, können wir wieder aufatmen.“
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Noch 79 Geiseln im Gazastreifen
Bei der letzten Geiselfreilassung am Donnerstag hatten sich chaotische Szenen abgespielt. Aufnahmen zeigten, wie etwa eine Deutsch-Israelin von vermummten und bewaffneten Islamisten durch eine drängelnde und schreiende Menschenmenge geführt wurden. Viele Palästinenser versuchten dabei auch, die verängstigt aussehende Frau mit ihren Handys zu fotografieren.
Israel drängte nach diesen bedrohlichen Szenen darauf, dass die Staaten, die das Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas vermittelt haben, dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Die Vermittlerstaaten gaben israelischen Angaben zufolge ihre Zusage für künftig sichere Übergaben der Geiseln.
Nach der Freilassung aller drei Verschleppten werden noch 79 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, 35 von ihnen sind israelischen Angaben zufolge tot. Die nächsten Geiseln sollen am kommenden Wochenende freikommen.
Das Abkommen über eine Waffenruhe trat am 19. Januar in Kraft. Es sieht vor, dass in einer ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln im Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden - 15 Geiseln kamen bereits an den vergangenen beiden Wochenenden sowie am Donnerstag frei. Die Hamas teilte zuletzt mit, dass acht der 33 Geiseln tot seien. Um wen genau es sich dabei handelt, ist unklar.
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Der Überfall war der Auslöser des Krieges in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.400 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. (dpa, AFP, Reuters)
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