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Letzte große Wahlkampfrede: Harris spricht am Ort, an dem Trump zum Kapitol-Sturm aufrief
In der US-Hauptstadt versucht die demokratische Präsidentschaftskandidatin, einen optimistischen Ton für die letzte Wahlkampf-Woche zu setzen. Aber die Vergangenheit lässt sie nicht los.
Stand:
Der Ort ist die Botschaft: Hier auf der Ellipse stand der damalige Präsident Donald Trump am 6. Januar 2021 auf einer Bühne. Tausende seiner Anhänger verteilten sich in dem Park südlich des Weißen Hauses und vor dem Washington Monument, ausgestattet mit Flaggen und Bannern, in denen von Wahlbetrug die Rede war.
Trump hetzte sie weiter auf, ermunterte sie, gegen das Ergebnis der Wahl zwei Monate zuvor aufzubegehren. „Wir kämpfen wie der Teufel“, sagte der Republikaner. „Und wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben.“
Von der Ellipse aus marschierte ein großer Teil seiner Fans dann die knapp drei Kilometer an der Mall entlang in Richtung Kapitol. Ihr Ziel: zu verhindern, dass der US-Kongress den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden offiziell bestätigte. Bei dem darauffolgenden Angriff auf das Kapitol kamen fünf Menschen ums Leben.
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Genau diese Szenen, die in den vergangenen vier Jahren immer wieder gezeigt wurden und die bis heute die politische Auseinandersetzung prägen, will Kamala Harris den Amerikanern am Dienstagabend in Erinnerung rufen.
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Das hell beleuchtete Weiße Haus im Rücken hält sie ihr Schlussplädoyer, mit dem sie versucht, die noch unentschlossenen Wähler in den entscheidenden Swing States für sich zu gewinnen.
In Washington D.C. muss sie das eigentlich nicht: Hier stimmten 2020 mehr als 92 Prozent der Wähler für Joe Biden. Aber die Bilder des Abends sollen die letzten Tage in diesem aus vielerlei Gründen einzigartigen Wahlkampf prägen. Und die Stimmung ist gut, trotz des hochdramatischen Endspurts.
Harris’ Rallye war ursprünglich für 20.000 Menschen angemeldet. Am Ende sollen es nach Angaben ihrer Kampagne mehr als 75.000 gewesen sein.
Die Kehrseite des großen Zuspruchs: Viele kommen gar nicht erst auf das abgesperrte Gelände. Tausende warten stundenlang geduldig, nur um unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu gehen oder vor einer der wenigen Leinwände zu versuchen, ihre Rede zu verfolgen.
Es bleibt bis auf ein paar Dutzend propalästinensische Demonstranten dennoch harmonisch – in die Hochburg der linksliberalen Wähler haben sich an diesem Abend eine Woche vor der Wahl auch keine Trump-Fans verirrt.

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Für die überwiegende Mehrheit der Rallye-Gänger am Dienstagabend ist Trump dennoch das Hauptargument für ihre Wahlentscheidung. „Es geht um die Demokratie, um unsere Freiheit, darum, dass wir nicht abschätzig behandelt werden“, sagt Marcia im Anschluss an Harris‘ Rede. (Ihren Nachnamen will sie nicht nennen.)
Fast wehmütig erinnert sich die Afroamerikanerin aus Virginia, die am Montag 73 Jahre alt wird, an die Tage und Wochen vor der Wahl von Barack Obama 2008. „Wir waren so optimistisch, so sicher, dass er die Wahl gewinnen würde.“ Auch heute, so sagt sie, gehe sie davon aus, dass die Demokraten die Wahl gewinnen. Aber sie klingt auch besorgt – und die Kandidatin selbst scheint nicht so wichtig.

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Madeline Schulz, eine Politikstudentin an der George Washington University, beschreibt ihre Gefühlslage optimistischer. „Ich bin aufgeregt und hoffnungsvoll, dass sich alles zum Guten wendet“, sagt die 18-Jährige. „Ich glaube, unsere Generation ist sehr motiviert und hat die Chance, das möglich zu machen.“
Auch Kathy McCleskey, die mit zwei Freundinnen aus dem aus rund 80 Kilometer entfernten Baltimore im Bundesstaat Maryland per Zug angereist ist, will positiv bleiben, solange es geht. „Ich bin sehr angespannt, es steht so viel auf dem Spiel“, sagt die 79-Jährige. Trump wolle allen nur Angst einjagen.

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Kathy weiß, welch knappen Ausgang die Umfrage-Institute vorhersagen. „Aber ich muss mir einfach sagen, dass es gut gehen wird.“ Und dennoch: Komisch sei es schon, dass sie in ihrem Alter noch zu solchen Events gehen müsse.
Dass die amerikanischen Wähler genug von Trump haben, darauf setzt auch Kamala Harris selbst. Schon am Montag sagte sie zu Reportern, die eine Reaktion auf die in Teilen rassistische Trump-Kundgebung am Vortag im Madison Square Garden in New York City erbeten hatten: „Das ist der Grund, warum die Menschen von ihm erschöpft sind.“ Sie seien bereit, das alles hinter sich zu lassen. Mit ihr, so die Botschaft, könnten die Amerikaner endlich wieder nach vorn schauen.
Ähnlich klingt Harris auch am Dienstag. Sie spricht über ihren Werdegang und ihre politische Agenda, darüber, wie sie das Leben für viele Amerikaner erschwinglicher machen will. Viel Neues ist nicht dabei. Aber im Zentrum ihrer Argumentation steht ohnehin einmal mehr Trump und die Bedrohung, die ihrer Meinung nach von ihm ausgeht. Ganze 24 Mal erwähnt sie ihn, und nur einmal seinen Nachfolger, den amtierenden Präsidenten Joe Biden.
Die Zuschauer ziehen mit, viele sind ausgestattet mit T-Shirts, Schildern und leuchtenden Armbändern. Sie rufen „USA, USA“ oder „Kamala, Kamala“ und vor allem „Wir gehen nicht zurück“, wann immer es in den Redefluss passt. Und das tut es oft.
„Dies ist kein Präsidentschaftskandidat, der darüber nachdenkt, wie er Ihr Leben besser machen kann“, sagt Harris. „Das ist jemand, der instabil ist, besessen von Rache, verzehrt von Missgunst und auf unkontrollierte Macht aus ist.“
Am ersten Tag nach seiner Wahl würde Donald Trump mit einer Liste seiner Feinde ins Oval Office gehen, sagt sie weiter. „Wenn ich gewählt werde, werde ich es mit einer To-Do-Liste betreten.“
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