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Alle Geiseln kommen frei: Israel und Hamas einigen sich auf erste Phase des Gaza-Friedensplans
US-Präsident Donald Trump hat eine Einigung in den Gaza-Friedensgesprächen verkündet. Israel und die Hamas bestätigten das. Alle Geiseln sollen offenbar am Montag freikommen.
Stand:
Israel und die radikal-islamische Hamas haben der ersten Phase eines von den USA vorgeschlagenen Abkommens für den Gazastreifen zugestimmt. US-Präsident Donald Trump selbst verkündete den historischen Durchbruch auf seiner Online-Plattform Truth Social.
Eine entsprechende Vereinbarung sollen die beiden Konfliktparteien am Donnerstag um 11 Uhr MESZ in Ägypten offiziell unterzeichnen, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus mit der Sache vertrauten Kreisen.
„Das bedeutet, dass sehr bald alle Geiseln freigelassen werden und Israel seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen wird, als erste Schritte zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden“, schrieb Trump am Mittwochabend (Ortszeit Washington).
„Es wird so viel unternommen, um die Geiseln freizubekommen, und wir glauben, dass sie alle am Montag zurückkommen werden“, sagte er kurz darauf in einem Interview mit dem Sender Fox News. Dazu gehörten auch die Leichen der Geiseln, die nicht mehr am Leben seien.
Die Nachrichten über die Einigung lösten im Gazastreifen und in Israel spontane Jubelfeiern aus. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Diese betreffen etwa den Zeitplan, eine Verwaltung für den Gazastreifen nach dem Krieg und das Schicksal der Hamas. Es ist zudem unklar, wer den Gazastreifen nach Kriegsende regieren wird.
Der Rückzug der israelischen Truppen aus einem vereinbarten Gebiet in Gaza soll kurz vor der Freilassung der Geiseln geschehen. Andere Themen, wie die Entwaffnung der Hamas oder die künftige Verwaltung des Gazastreifens, erwähnte Trump nicht.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte nach Angaben der „New York Times“ in einer knappen Stellungnahme: „Mit Gottes Hilfe werden wir sie (die Geiseln) alle nach Hause bringen.“
Am Donnerstag plant Netanjahu offenbar, die Regierung einzuberufen, um das Abkommen mit der Hamas zu ratifizieren. Er sprach von „einem großen Tag für Israel“ und betonte, das Land könne seine Ziele weiterverfolgen und den Frieden mit seinen Nachbarn ausweiten.
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Netanjahu habe sich bei Trump telefonisch für seine Bemühungen und seine „weltweite Führungsrolle“ bedankt, teilte das Büro des israelischen Regierungschefs mit. „Die beiden führten ein sehr emotionales und herzliches Gespräch und gratulierten einander zu dem historischen Erfolg“, heißt es in der Stellungnahme. Zudem habe Netanjahu den US-Präsidenten eingeladen, vor dem israelischen Parlament zu sprechen.
Was sagt die Hamas?
Auch die Hamas bestätigte die Einigung mit Israel. Die Vereinbarung sehe ein Ende der Kampfhandlungen in Gaza, einen Rückzug des israelischen Militärs, Zugang für Hilfsgüter und einen Austausch von Geiseln und Häftlingen vor, hieß es in einer Mitteilung der Terrororganisation.
In der Erklärung forderte die Gruppe den US-Präsidenten, arabische Vermittler und internationale Akteure auf, „die Besatzungsregierung [Israel] dazu zu zwingen, die Verpflichtungen der Vereinbarung vollständig umzusetzen und ihr nicht zu gestatten, sich der Umsetzung zu entziehen oder sie zu verzögern“.
Zum Schluss erklärte die Gruppe, sie werde dem „Versprechen treu bleiben und die Rechte unseres Volkes – einschließlich Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – nicht aufgeben“.
Wie geht es mit den Geiseln weiter?
Die Geiseln sollen nach Angaben der Hamas binnen 72 Stunden nach der Unterzeichnung des Abkommens freikommen. Während der ersten Phase der Vereinbarung sollen insgesamt 20 lebende Geiseln im Austausch gegen rund 2000 in israelischen Gefängnissen inhaftierte Palästinenser freigelassen werden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag aus Kreisen der Palästinenserorganisation. 250 der freizulassenden palästinensischen Häftlinge verbüßen lebenslange Freiheitsstrafen.
Die israelischen Streitkräfte bereiten sich nach eigenen Angaben bereits auf den Austausch vor. Der Stabschef habe angeordnet, die Ausführung der Operation zur Rückkehr der Geiseln vorzubereiten, aber auch „auf alle Szenarien vorbereitet zu sein“, erklärte die Armee am Donnerstag im Onlinedienst X.

© AFP/AHMAD GHARABLI
Die Angaben der Hamas widersprechen den Aussagen Trumps, wonach bis Montag alle Verschleppten, die lebenden und die toten, übergeben werden müssen.
Zuvor hatte die „New York Times“ unter Berufung auf einen Regierungsvertreter berichtet, dass die Körper der verstorbenen Geiseln nur nach und nach zurückgegeben werden können, da es aufwendiger sei, diese im Kriegsgebiet zu lokalisieren. Nach dem 7. Oktober 2023 begann Israel eine groß angelegte Offensive in Gaza zur Zerstörung der Hamas. Rund 66.000 Menschen fielen diesem nach palästinensischen Angaben zum Opfer; darunter Kämpfer, aber auch viele Zivilisten.
In den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers hatte die Hamas Israel überfallen und regelrechte Massaker angerichtet. Mehr als 4000 Menschen wurden verletzt, etwa 1200 getötet und mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt. Mittlerweile befinden sich noch 48 Geiseln in der Gewalt der Terroristen, 20 von ihnen sind offenbar noch am Leben.
Angehörige der Geiseln reagierten mit gemischten Gefühlen auf die jüngsten Entwicklungen. Das „The Hostages and Missing Families Forum“, eine Gruppe zur Unterstützung der Familien der Geiseln, erklärte am Mittwoch auf X, das Abkommen habe „eine Mischung aus Aufregung, Erwartung und Sorge“ ausgelöst.
Die Gruppe äußerte „tiefe Dankbarkeit“ gegenüber Präsident Trump und forderte die israelische Regierung auf, „sofort zusammenzutreten“, um das Abkommen zu genehmigen. „Jede Verzögerung könnte für die Geiseln und Soldaten einen hohen Preis bedeuten“, hieß es in der Erklärung.
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Einigung und forderte alle Parteien auf, sich vollständig daran zu halten. „Alle Geiseln müssen in würdevoller Weise freigelassen werden“, erklärte Guterres. „Eine dauerhafte Waffenruhe muss sichergestellt werden. Die Kämpfe müssen ein für alle Mal beendet werden.“ Außerdem forderte er die sofortige, ungehinderte Einfuhr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen.
Wie kam es zu dem Deal?
Seit Montag hatten Unterhändler der Konfliktparteien und Vermittlerstaaten im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich verhandelt.
Daran beteiligt waren Medienberichten zufolge auch der US-Sondergesandte Steve Witkoff, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der israelische Regierungsvertreter Ron Dermer, der türkische Geheimdienstchef Ibrahim Kalin und Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Letztere gelten als gewichtige Figuren mit einem Draht zur islamistischen Hamas, während die USA der wichtigste Verbündete Israels sind.
Noch am Mittwoch hieß es, die Gespräche würden stocken, da beide Seiten fest auf ihren Positionen beharrten. Dann aber kam es doch zum Durchbruch. Wie CNN berichtet, gab Donald Trump die Verkündung des Gaza-Deals, fast genau zwei Stunden nachdem ihm ein Zettel über die Einigung überreicht wurde, bekannt.
Darauf war ein Hinweis, dass auf Truth Social ein Beitrag zu seiner Freigabe bereitstehe, der den Abschluss eines Abkommens verkünde. Warum er zunächst abwartete, ist unklar.
Es sei ein „großartiger Tag für die arabische und muslimische Welt, Israel, alle umliegenden Nationen und die Vereinigten Staaten von Amerika“. Trump bedankte sich außerdem bei den Vermittlern aus Katar, Ägypten und der Türkei. Zudem kündigte er an, am Wochenende möglicherweise selbst in den Nahen Osten zu reisen.
In seinem Interview mit Fox News unterstrich Trump, dass er eine Rolle beim Wiederaufbau des Gazastreifens und der Wahrung von Frieden und Sicherheit spielen wolle. „Wir werden dabei involviert sein, ihnen zum Erfolg zu verhelfen und dafür zu sorgen, dass es friedlich bleibt“, sagte der US-Präsident. Er sei „sehr zuversichtlich, dass es Frieden im Nahen Osten geben wird“.
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