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Erstmals seit Beginn des Konflikts: Libanesische Armee schießt offenbar nach israelischem Beschuss zurück
Israels Militär beschießt erneut Ziele im Nachbarland, das von der Hisbollah genutzt worden sein soll. Auch aus dem Libanon fliegen wieder Geschosse auf Israel. Nur hat diesmal auch die Armee zurückgefeuert.
Stand:
Nach dem Tod eines zweiten libanesischen Soldaten hat die Armee des Landes nach eigenen Angaben in Richtung der israelischen Armee zurückgefeuert. „Ein Soldat wurde getötet, nachdem der israelische Feind in der Region von Bint Dschbeil im Süden einen Militärposten ins Visier genommen hatte, und das militärische Personal hat die Schüsse erwidert“, erklärte die libanesische Armee am Donnerstag.
Ein Militärvertreter sagte AFP, es sei das erste Mal seit Oktober 2023, dass die libanesische Armee israelisches Feuer erwidert habe.
Zuvor hat Israels Luftwaffe Armeeangaben zufolge rund 200 Ziele der Hisbollah im Libanon angegriffen. Darunter seien Waffenlager und Beobachtungsposten der vom Iran unterstützten Miliz gewesen.
Das israelische Militär tötete eigenen Angaben nach bei einem Angriff auf ein kommunales Gebäude in einem Dorf im Südlibanon auch rund 15 Mitglieder der Miliz. Aus dem Libanon gab es zunächst keine Bestätigung dafür. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete aber israelische Angriffe auf den Ort, ohne Details zu nennen.
Die Schiitenorganisation habe das Gemeindegebäude in Bint Dschubail genutzt und dort auch Waffen gelagert, hieß es von Israels Armee weiter. „Die Terrororganisation Hisbollah verstößt systematisch gegen das Völkerrecht, indem sie Regierungs- und Zivilgebäude sowie die Bevölkerung brutal als menschliche Schutzschilde für terroristische Aktivitäten ausnutzt.“
Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Zuvor hatte Israels Armee mitgeteilt, dass am Morgen rund 25 Geschosse aus dem Libanon registriert worden seien. Vielerorts gab es in Nordisrael wieder Raketenalarm.
Israelische Armee greift Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdienstes
Bei ihren Angriffen in der Region Beirut hat die israelische Armee nach eigenen Angaben am Donnerstag auch das Hauptquartier des Geheimdienstes der pro-iranischen Hisbollah-Miliz getroffen. Israelische Kampfflugzeuge hätten am Nachmittag „Ziele angegriffen, die zum Geheimdienst-Hauptquartier der Hisbollah in Beirut gehören“, erklärte die israelische Armee.
Darunter seien auch Mittel zur Informationssammlung, Kommandozentren und andere Infrastruktur gewesen. Die Armee veröffentlichte dazu ein Video, das die Zerstörung eines Gebäudes, offenbar auf einem Hügel zeigt.
Auch Angriffe auf Wohngebiete in Beirut
Israels Armee setzte die Angriffe auf die Hisbollah-Miliz im Libanon fort. Auch Wohngebiete der Hauptstadt Beirut wurden zum Ziel. Das Militär meldete dort am späten Abend einen „präzisen“ Angriff. Im Stadtviertel Basta-Bachoura wurden nach Behördenangaben mindestens sechs Menschen bei einem Luftangriff getötet.
Zwei von ihnen seien sofort ums Leben gekommen, vier weitere seien ihren Verletzungen erlegen, teilte das libanesische Gesundheitsministerium in der Nacht zum Donnerstag mit. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP in Beirut hörten eine laute Explosion.

© AFP/FADEL ITANI
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums vom Mittwochabend wurden bei israelischen Angriffen innerhalb von 24 Stunden in verschiedenen Teilen des Landes 46 Menschen getötet und 85 weitere verletzt.
Erstmals seit Beginn der israelischen Bodenoffensive im Libanon ist zudem ein libanesischer Soldat getötet worden. Die Streitkräfte hätten zusammen mit dem Libanesischen Roten Kreuz Menschen aus dem Ort Taiba im Süden evakuieren wollen, teilte die Armee mit. Ein weiterer Soldat sei verletzt worden.
Aus Hisbollah-Kreisen hieß es derweil, dass Israel am Mittwochabend drei Angriffe auf südliche Vororte der libanesischen Hauptstadt gestartet habe. Es war die dritte Serie israelischer Angriffe auf die Hochburg der pro-iranischen islamistischen Miliz in den vergangenen 24 Stunden.
Das israelische Militär forderte derweil Menschen in 25 Orten im Südlibanon zur Flucht auf. Die Armee werde dort gegen die Hisbollah vorgehen und wolle Zivilisten dabei keinen Schaden zufügen, hieß es in einem Aufruf, den ein israelischer Militärsprecher in arabischer Sprache veröffentlichte. Demnach sollen sich die Menschen in den Norden, hinter den Fluss Awali begeben. Der Fluss liegt mehr als 60 Kilometer von der Grenze entfernt.
Schwiegersohn von Nasrallah angeblich getötet
Unterdessen teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, der Schwiegersohn Nasrallahs, Hassan Dschaafar al-Kasir, sei bei einem israelischen Luftangriff in Damaskus getötet worden. Insgesamt seien bei dem Angriff am Mittwoch in der syrischen Hauptstadt vier Menschen getötet worden.

© dpa/Marwan Naamani
Aus dem Umfeld der Hisbollah-Miliz hieß es, Hassan Dschaafar al-Kasir sei der Bruder von Dschaafar al-Kasir, der für Waffenlieferungen vom Iran in den Libanon verantwortlich gewesen und israelischen Angaben zufolge am Dienstag bei einem Luftangriff im Süden von Beirut getötet worden war.
Biden gegen Attacke auf Atomanlagen
Derweil sprach sich US-Präsident Joe Biden nach dem Raketenangriff des Irans auf Israel gegen eine Attacke auf Atomanlagen der Islamischen Republik aus. „Die Antwort ist nein“, sagte Biden auf die entsprechende Frage eines Reporters. Israel habe aber ein Recht, auf Irans Angriff zu reagieren. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.

© AFP/Saul Loeb
Biden hatte dafür geworben, die Reaktion auf den iranischen Raketenangriff vom Dienstag gut abzuwägen. In einer gemeinsamen Schalte der Gruppe sieben großer demokratischer Industrienationen (G7) sei auch über neue Sanktionen gegen den Iran gesprochen worden, wie das Weiße Haus mitteilte.
Man arbeite an einer gemeinsamen Erklärung, hieß es weiter. Israel bereite sich darauf vor, auf den iranischen Raketenangriff mit Attacken innerhalb des Irans in den kommenden Tagen zu reagieren, berichtete das US-Nachrichtenportal „Axios“.
Greift Israel die iranischen Atomanlagen an?
Laut israelischen Beamten könnten Ölförderanlagen und andere strategische Einrichtungen im Iran ins Visier genommen werden, berichtete das Nachrichtenportal weiter. Die „New York Times“ hatte zuvor unter Berufung auf US-Beamte gemeldet, in einem möglichen Szenario könnte Israel auch Irans Nuklearanlagen angreifen.
Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms, könnten im Visier stehen, hieß es. Der Iran behauptet, es diene nur zivilen Zwecken. Das sehen Israel und der Westen anders.
Israel darf diese einmalige Gelegenheit zur Zerstörung des iranischen Atomprogramms nicht verpassen.
Ministerpräsident Naftali Bennett
„Israel darf diese einmalige Gelegenheit zur Zerstörung des iranischen Atomprogramms nicht verpassen“, schrieb der frühere israelische Ministerpräsident Naftali Bennett auf der Plattform X. „Wenn wir es jetzt nicht tun, sehe ich nicht, dass es jemals passieren wird“, meinte er.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien erneut zu einer Waffenruhe auf. „Die wütenden Brände im Nahen Osten entwickeln sich rasch zu einem Inferno“, sagte er bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.

© dpa/Uncredited
Guterres ging nicht darauf ein, dass Israel ihn zuvor zur „unerwünschten Person“ erklärt und dies unter anderem damit begründet hatte, dass der UN-Generalsekretär den iranischen Raketenangriff nicht eindeutig verurteilt habe. Die Vereinten Nationen sehen in Israels Erklärung einen politischen Schachzug. Es handle sich um einen weiteren Angriff auf einen UN-Mitarbeitenden durch Israels Regierung, sagte Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric. (dpa/AFP)
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