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EU beugt sich Druck von Ölstaaten auf COP30: Abschlusstext der Klimakonferenz soll keine Abkehr von fossilen Energieträgern nennen
Mehr als 80 Länder fordern in Belém ein nachhaltiges Klimaabkommen. Der Widerstand ist allerdings groß. Nun scheint ein Durchbruch erzielt, der jedoch keine Energiewende vorsieht.
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Wortgefechte, Brandbriefe und Proteste – bei der Weltklimakonferenz in Brasilien ist am ersten Tag der Verlängerung offenbar eine vorläufige Einigung in Sicht. Die Europäische Union hat sich bei der UN-Klimakonferenz (COP30) mit ihrer Forderung nach einem Fahrplan zur Abkehr von fossilen Energieträgern nicht durchsetzen können.
Der am Samstag im brasilianischen Belém vorgelegte übergreifende Beschlussentwurf enthält das Wort „fossile“ nicht, er verweist lediglich auf einen Aufruf bei der vorletzten COP in Dubai zu einem „Übergang weg von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen“. Außerdem wird in der neuen Vorlage die Notwendigkeit betont, den globalen Treibhausgas-Ausstoß drastisch zu verringern.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte, die EU hätte sich im Ergebnis „mehr Ambitionen“ gewünscht. Aber die EU unterstütze den von der brasilianischen Konferenzleitung vorgelegten Kompromiss „weil er zumindest in die richtige Richtung weist“.
Die Europäer, darunter Deutschland, wollten nach den fast zweiwöchigen Verhandlungen in Belém dringend Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen und ein grundsätzlichen Bekenntnis zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas erreichen, da deren Verbrennung der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Dagegen stellten sich unter anderem China, Indien und die Ölländer Saudi-Arabien und Russland.
Wir waren hier mit einer sehr stark auftretenden Petro-Industrie konfrontiert.
Carsten Schneider (SPD), Bundesumweltminister
Kurz vor dem Abschlussplenum warf Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) den Öl-Staaten vor, ehrgeizige Beschlüsse zum Klimaschutz verhindert zu haben. Zugleich hätten ärmere Staaten nicht konsequent dagegengehalten.
„Wir waren hier konfrontiert mit einer sehr stark auftretenden Petro-Industrie – Ländern, die sich mit Öl und Gas ihr Geld verdienen, die hier eine Blockade-Mehrheit organisiert haben gegen jeden Fortschritt in diesem Bereich“, sagte der SPD-Politiker in Belém. „Ich bin ein bisschen enttäuscht, klar.“
„Ich hätte erwartet, dass insbesondere von den am meisten betroffenen Ländern, den Inselstaaten, Afrika, eine lautere Stimme auch für das Thema Klimaschutz zu hören war“, beklagte Schneider. „Das war ehrlicherweise nur von Europa zu hören.“
Arme Staaten begrüßen Verdreifachung der Anpassungsfinanzierung
Bereits am Samstagvormittag hatte es nach Angaben der am wenigsten entwickelten Staaten eine Einigung geben. „Um 8.00 Uhr war das Paket beschlossen. Es war eine schwierige Nacht voller Kompromisse. Wir haben nicht in allen Bereichen gewonnen, aber wir haben eine Verdreifachung der Anpassungsfinanzierung bis 2035 erreicht“, schrieb der Vorsitzende der Gruppe aus 44 Staaten, Evans Njewa aus Malawi, auf X.
Auf den Klimakonferenzen verhandeln die Staaten in Ländergruppen mit ähnlichen Interessen. Mit Anpassungsfinanzierung ist Geld gemeint, das reiche Staaten an ärmere geben, um mit den Folgen der Erderwärmung besser zurechtzukommen – also etwa Dürren, Stürmen oder Waldbränden.
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Die EU beriet allerdings am späten Vormittag noch über die Vorschläge der Präsidentschaft, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen erfuhr. Ein förmlicher Beschluss des Plenums stand noch aus. Es sollte um 11.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) beginnen.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte zuvor gemahnt, die Menschen weltweit schauten zu. „Sie haben reichlich Ausreden gehört. Sie fordern Ergebnisse.“ Die zweiwöchigen Beratungen hätten offiziell um 18.00 Uhr Ortszeit (22.00 MEZ) am Freitag enden sollen. Auch in den vergangenen Jahren wurden die Treffen aber stets um Stunden oder gar Tage verlängert.
Brandbrief von Deutschland und anderen Staaten
Der brasilianische Präsident der Weltklimakonferenz, André Corrêa do Lago, betonte, es gehe nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um einen Konsens fast aller Staaten der Erde, was einen Wert an sich habe. „Die Welt schaut auf uns“, sagte er. Gelinge keine Einigung, spiele das den Gegnern des Multilateralismus, also der internationalen Zusammenarbeit, in die Hände. Ausdrücklich erwähnte er in diesem Zusammenhang die USA, die der Konferenz ferngeblieben waren.
Deutschland und Dutzende weitere Länder waren mit harten Ansagen und einem Brandbrief in die Endphase des Klimagipfels gestartet. Nötig sei ein klarer Fahrplan zur Abkehr von der klimaschädlichen Verbrennung von Öl, Gas und Kohle, heißt es in dem von der Bundesregierung unterstützten Schreiben an die brasilianische Konferenzleitung. „Wir können kein Ergebnis unterstützen, das keinen Fahrplan enthält für eine geordnete und gerechte Abkehr von fossilen Brennstoffen.“
Ein Textentwurf für mögliche Beschlüsse, den die brasilianische Präsidentschaft am Freitagmorgen veröffentlicht hatte, sorgte für viel Unmut. Deutschland, die EU und andere kündigten an, das Papier auf keinen Fall zu akzeptieren. Bundesumweltminister Carsten Schneider betonte schon Stunden vor der Verlängerung der Konferenz, es seien „noch harte Verhandlungen“ zu erwarten.

© dpa/Andre Penner
Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte, Indien und China müssten von der Idee eines Plans zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, auf der COP30 Roadmap genannt, überzeugt werden. Außerdem gelte es, reiche Ölstaaten wie Saudi-Arabien zu isolieren, „so dass diese nicht mehr im Weg stehen können“. Sie haben eine Blockademacht, weil einstimmige Entscheidungen nötig sind.
Ärmere Staaten verweisen auf Verantwortung der Industrieländer
Ärmere Staaten und Schwellenländer verweisen auf die Verantwortung der Industrieländer als Hauptverursacher der aktuellen Erderwärmung. Sie fürchten, dass zu viel Tempo beim Klimaschutz ihre Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigt. Ölförderländer wollen hingegen ihr Geschäftsmodell sichern.
Entwicklungsländer fordern unter anderem, dass die Industriestaaten ihre staatlichen Klimahilfen zur Anpassung an die Folgen der Erderhitzung deutlich erhöhen. Ein Vorschlag ist eine Verdreifachung bis 2030 auf mindestens 120 Milliarden US-Dollar (aktuell 104 Milliarden Euro) pro Jahr. Bei den Folgen geht es unter anderem um heftigere und häufigere Stürme, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen.
Entwicklungsstaaten sind in den vergangenen 30 Jahren am verheerendsten von Wetterextremen wie Hitzewellen, Stürmen und Überflutungen getroffen worden. Dies zeigt der Klimarisiko-Index 2026 der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
Gipfel in Brasilien steht unter Zeitdruck
Um sich der Klimakrise so gut es geht anzupassen, ist der Bedarf gigantisch. Der neue UN-Report zur „Anpassungslücke“ zeigt, dass Entwicklungsländer bis 2035 jährlich mindestens 310 Milliarden US-Dollar dafür brauchen – das Zwölffache der derzeitigen internationalen öffentlichen Finanzmittel.
Die Zeit in Belém wird nun knapp, denn viele Delegierte haben am Wochenende Flüge nach Hause und müssen ihre Unterkünfte verlassen. Auch Kreuzfahrtschiffe, die als zusätzliche Schlafmöglichkeiten in Belém genutzt wurden, sollten die Stadt im Amazonasgebiet wieder verlassen.
Eine Einigung in Brasilien ist angesichts der eskalierenden Klimakrise Experten zufolge dringend nötig. Beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entstehen die meisten klimaschädlichen Treibhausgase, sodass sich der Planet immer mehr aufheizt.
Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen waren die vergangenen zehn. Inzwischen geht die Wissenschaft davon aus, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5-Grad-Grenze spätestens zu Beginn der 2030er Jahre befristet überschritten wird. (dpa, AFP)
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