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Der Parkplatz des Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza nach dem Raketeneinschlag

© Imago/Wang Dongzhen

Explosion am Al-Ahli-Krankenhaus: 500 Tote oder einige Dutzend? Was wir nach einer Woche wissen – und was nicht

Die Hamas hatte, ohne Belege zu liefern, Israel die Schuld zugesprochen. Videoanalysen und Geheimdienste hingegen kommen zu dem Schluss, dass es sich wohl um eine palästinensische Rakete handelte.

Mehr als eine Woche ist es nun her, dass sich auf dem Parkplatz des Al-Ahli-Krankenhauses im Gazastreifen eine fatale Explosion ereignete. Am Dienstagabend um 18.59 Uhr Ortszeit schlug eine Rakete ein, etliche Menschen kamen ums Leben. Wie viele genau, darüber herrscht immer noch Unklarheit.

Die terroristische Hamas-Miliz spricht mittlerweile von mehr als 470 Todesopfern. Europäische Geheimdienste schätzen die Zahl der Opfer hingegen auf ein paar Dutzend Menschen. „Es gibt nicht 200 oder gar 500 Tote, sondern eher ein paar Dutzend, wahrscheinlich zwischen zehn und 50“, sagte eine anonyme Quelle aus europäischen Geheimdiensten gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. US-Geheimdienste schätzten die Zahl der Toten auf 100 bis 300.

Bereits unmittelbar nach dem Vorfall beschuldigten die Terroristen Israel, das Krankenhaus mit einer Rakete angegriffen zu haben. Die Lesart der Hamas verbreitete sich umgehend und weltweit. Israel wies die Vorwürfe vehement zurück und legte Belege vor, die zeigen sollen, dass es sich um eine fehlgeleitete Rakete des Islamistischen Dschihads handelte. Hier der Wissensstand eine Woche nach der Explosion.


Al-Ahli-Krankenhaus: Wie wirkte sich die Explosion aus?

Videos zeigten am Morgen nach der Explosion, dass vor allem der Parkplatz vor dem Krankenhaus getroffen wurde, die Gebäude selbst weitgehend unbeschädigt waren. Diese Bilder nährten erste Zweifel an der von der Hamas verkündeten sehr hohen Opferzahl.

Der Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhaus im Zentrum des Gazastreifens am 18. Oktober 2023.
Der Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhaus im Zentrum des Gazastreifens am 18. Oktober 2023.

© AFP/MAHMUD HAMS

Zu erkennen waren auf einem Parkplatz ein kleiner Einschlagskrater und vor allem zerstörte Fahrzeuge, einige davon völlig deformiert, viele ausgebrannt. Handyvideos von dem Ort zeigten aber auch, dass sich Menschen auf dem Hof und den umliegenden Wiesen aufgehalten hatten, denn dort waren etwa Decken und andere persönliche Gegenstände zu sehen. Wie viele Menschen sich genau in dem Innenhof aufhielten, ist bisher unklar.

„Wir haben in dem Krankenhaus operiert, es gab eine starke Explosion, und die Decke stürzte auf den Operationssaal“, sagte Ghassan Abu Sittah, ein Arzt von „Ärzte ohne Grenzen“, der bis zur Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus arbeitete, dem britischen TV-Sender BBC. Teile des Krankenhauses sollen Feuer gefangen haben, überall hätten Glassplitter gelegen.

Abgesehen von zerborstenen Fensterscheiben und teilweise beschädigten Dächern waren auf den Videos vom Krankenhaus kurz nach der Explosion größere Schäden an Gebäuden oder verstaubte Trümmer – wie bei Raketenangriffen eigentlich üblich – nicht zu entdecken. Auch Aufnahmen aus dem Inneren des Krankenhauses, wo sich Zivilisten aufgehalten haben, zeigten keine starken Zerstörungen.

Trotzdem wurde ein Teil der Patienten ins nahe gelegene Al-Shifa-Krankenhaus verlegt, das zentrale Krankenhaus im Gazastreifen. In diesem arbeitet derzeit auch Ghassan Abu Sittah.

Die Bilder vom Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhaus muteten apokalyptisch an.
Die Bilder vom Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhaus muteten apokalyptisch an.

© Reuters/Mohammed Al-Masri


Welche Beweise hat Israel nach der Explosion vorgelegt?

Die israelische Armee (IDF) veröffentlichte am Tag nach der Explosion einen Videozusammenschnitt von Luftaufnahmen, die den Zustand des Parkplatzes vor dem Krankenhaus vor und nach dem tödlichen Vorfall vergleichen.

Auf den Aufnahmen sei kein typischer Krater zu sehen, wie er sonst bei israelischen Luftangriffen entstehe, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Entsprechend gebe es keine Anzeichen dafür, dass die Explosion durch einen Luftangriff verursacht worden ist.

Stattdessen soll eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad dort eingeschlagen sein. Hagari erklärte, es sei wahrscheinlich, dass die palästinensische Rakete von einem Friedhof hinter dem Krankenhaus abgefeuert worden sei.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari zeigt Beweise für den Einschlag einer palästinensischen Rakete.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari zeigt Beweise für den Einschlag einer palästinensischen Rakete.

© AFP/Gil Cohen-Magen

In einem von Israel abgefangenen Telefongespräch zwischen zwei Mitgliedern der Hamas sei ebenfalls von der Fehlfunktion einer palästinensischen Rakete die Rede gewesen. Sie hätten gesagt: „Oh, da gab es offenbar eine Fehlfunktion oder eine Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist“, berichtete der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN.

Außerdem gebe es Radaraufzeichnungen von einer Salve von Raketen, die kurz vor der Explosion vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert worden sei. Die Armee habe auch Luftaufnahmen ausgewertet. Es gebe zwei unabhängige Videos, die als Beweis für eine fehlgeleitete Rakete dienten.

Sowohl die Regierungen in den USA, Frankreich, Kanada und Großbritannien sowie der europäische Geheimdienst stützen die israelische Darstellung.

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Welche Beweise hat die Hamas ihrerseits vorgelegt?

Die im Gazastreifen herrschende Hamas hat bislang keine Beweise dafür vorlegen können, dass Israel die Schuld an der Explosion am Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen hat.

Die Hamas habe auf Anfrage mitgeteilt, dass es keine Spuren von der Munition gebe, die die Explosion an der Klinik beziehungsweise den Brand auf dem Parkplatz davor ausgelöst habe, schrieb die „New York Times“.

„Das Geschoss hat sich aufgelöst wie Salz im Wasser“, sagte Hamas-Sprecher Ghasi Hamad der Zeitung am Sonntag (Ortszeit). „Es ist verdampft. Nichts ist übrig.“

Die Hamas hatte bereits direkt nach der Explosion Israel beschuldigt, das Krankenhaus beschossen zu haben. Zur Frage nach Belegen ihrerseits schrieb der Leiter des Medienbüros der Hamas-Regierung, Salama Maruf, der „New York Times“ in einer Nachricht: „Wer sagt, dass wir verpflichtet wären, die Überreste jeder Rakete zu präsentieren, die unsere Leute getötet hat? Im Allgemeinen können Sie vorbeikommen und sich anhand der Beweise, die wir besitzen, selbst überzeugen.“


Videomaterial vom Krankenhaus: Zu welchem Schluss kommen Analysen?

Eine Videoanalyse des „Wall Street Journals“ zeigt Aufnahmen von vier verschiedenen Videokameras, die offenbar die Momente vor, während und nach dem Vorfall aufgezeichnet haben. Kamera eins habe sich zu dem Zeitpunkt im Süden von Tel Aviv befunden, einer Großstadt im Norden Israels, die wie der Gazastreifen direkt an der Küste des Mittelmeers liegt.

Dem gegenübergestellt werden Aufnahmen einer Überwachungskamera in Israel direkt an der südlichen Grenze zum Gazastreifen. Die Aufnahmen einer dritten Kamera stammen, wie es heißt, von einer Liveübertragung des arabischen Senders „Al Jazeera“, der vom Westen Gazas in Richtung des Krankenhauses filmte.

Die Aufnahmen einer vierten Kamera kämen schließlich von einem Handyvideo eines Augenzeugen, der die Explosion vom Südosten des Krankenhauses aus mitgeschnitten hat.

Luftaufnahme des Al-Ahli-Krankenhauses nach der Explosion
Luftaufnahme des Al-Ahli-Krankenhauses nach der Explosion

© Reuters/Planet Labs PBC

Kamera zwei nahe der Grenze zu Gaza zeigt demnach um 18.59 Uhr israelischer Zeit einen Raketenhagel, dessen Urheber sich im Westen von Gaza befindet. Die sogenannten Kurzstreckenraketen seien in Richtung Israel abgefeuert worden.

20 Sekunden später ist dann laut der Analyse auf Kamera 1 in Tel Aviv zu sehen, wie eine Langstreckenrakete in die Luft geschossen wird – ebenfalls in Richtung Israel. Zehn Sekunden nach dem Start lassen sich ein Lichtblitz und ein Richtungswechsel der Rakete beobachten – gen Westen.

Dieser Richtungswechsel sei Experten zufolge mit einer Explosion des Raketenmotors beziehungsweise -triebwerks zu erklären. Zugleich ist die Explosion auf Kamera 3 festgehalten worden. Dort ist auch ein Feuerschweif zu sehen. 15 Sekunden nach dem Start bricht die Rakete auseinander.

Anschließend sind auf den Aufnahmen von Kamera 3 eine kleine Explosion und eine deutlich größere zu sehen – die größere in direkter Nähe zum Krankenhaus. Die Aufnahmen des Augenzeugen zeigen die größere Explosion auf dem Innenhof des Krankenhauses.

Experten zufolge sei diese durch die große Menge an Brennstoff in der Rakete zu erklären. Sprengstoffexperten sehen anhand des Filmmaterials der Explosion und der Fotos von den Nachwirkungen klare Belege dafür, dass eine fehlgeleitete Rakete Ursache für die Explosion am Krankenhaus ist. (mit Agenturen)

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