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Falls Verhandlungen um Regierungskompromiss scheitern: Macron will sich „seiner Verantwortung stellen“
Nach seinem Rücktritt soll Frankreichs Kurzzeit-Premier Sébastien Lecornu vorerst weiter machen. 48 Stunden hat er Zeit, einen Ausweg aus der Regierungskrise zu finden.
Stand:
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will sich „seiner Verantwortung stellen“, falls die Verhandlungen über einen Ausweg aus der Regierungskrise scheitern. Dies verlautete am Montag aus dem Umfeld des Präsidenten. Kurz zuvor hatte Macron den zurückgetretenen Premierminister Sébastien Lecornu beauftragt, bis Mittwochabend „letzte Verhandlungen zu führen, um eine Grundlage für das Handeln und die Stabilität des Landes festzulegen“, wie das Präsidialamt mitteilte.
Dabei blieb unklar, ob damit eine neue Regierung oder eher Grundzüge eines Regierungsprogramms gemeint waren. Lecornu stimmte dem Verhandlungsauftrag zu: „Ich werde dem Staatschef am Mittwochabend sagen, ob es möglich ist oder nicht, damit er dann alle nötigen Konsequenzen ziehen kann“, schrieb er im Onlinedienst X. Lecornu hatte am Montagmorgen seinen Rücktritt eingereicht – nur wenige Stunden nachdem seine Regierung vorgestellt worden war.
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Damit geht der 39-Jährige mit der kürzesten Amtszeit von gerade einmal 27 Tagen in die Geschichte ein. Er war bereits der fünfte Regierungschef in weniger als zwei Jahren.
Generalabrechnung mit politischen Parteien
In einem Pressestatement sagte Lecornu: „Man kann nicht Premierminister sein, wenn die entsprechenden Bedingungen dafür nicht stimmen.“ Zuvor hatte der in seinem Amt bestätigte Innenminister und Vorsitzende der konservativen Républicains, Bruno Retailleau, sich unzufrieden mit der Zusammensetzung der neuen Regierung gezeigt und eine Krisensitzung seiner Partei heute angekündigt. Es drohte ein Bruch der Regierungskoalition. Dem kam Lecornu mit seinem Rücktritt zuvor.
In seinem Statement kritisierte Lecornu das aus seiner Sicht großkotzige Verhalten der verschiedenen Parteien. „Sie führen sich weiterhin alle so auf, als hätten sie alle eine absolute Mehrheit. Jede Partei will, dass die anderen ihr komplettes Programm übernehmen“, warf Lecornu den Regierungspartnern und auch der Opposition vor.
Bei der Zusammenstellung der Regierung sei es vielen nicht um eine konstruktive Lösung fürs Land, sondern um eigene Ambitionen gegangen – auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl. Damit bezog sich Lecornu insbesondere auf Retailleau. „Es hätte nur etwas Bescheidenheit und weniger große Egos gebraucht und die Regierung hätte funktioniert. Man muss immer das Land seiner Partei vorziehen“, betonte Lecornu.
Retailleau schlug Amt aus und kritisierte dann Ersatzlösung
Unterdessen erklärte auch der frisch ernannte Verteidigungsminister Bruno Le Maire, dass er auf sein Regierungsamt – das er noch nicht angetreten hatte – verzichte. Die überraschende Ernennung des 2024 ausgeschiedenen langjährigen Wirtschafts- und Finanzministers, der der Mitte-Partei von Macron angehört, hatte bei den Konservativen für Empörung gesorgt.
Das Amt wurde zuvor vom nun wieder Ex-Premierminister Sébastien Lecornu ausgeübt. Pikant: Laut Informationen des öffentlich-rechtlichen Senders FranceInfo war zunächst Retailleau das Amt angeboten worden, der dies aber ausschlug.

© AFP/THOMAS SAMSON
Möglicherweise dachte Retailleau bereits an die Präsidentschaftswahl 2027 und an seine eigenen Ambitionen. In einer Ipsos-Umfrage hatte Retailleau zuletzt, wenn auch auf niedrigem Niveau, bessere Zustimmungswerte als viele andere mögliche Gegenkandidaten.
Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, zollte Lecornu für seine Entscheidung und seine klaren Worte Respekt. „Es gab noch einen Gaullisten in diesem Land. Er ist gerade mit Ehre und Würde zurückgetreten“, schrieb er bei X. Für Dienstag war Lecornus erste Regierungserklärung erwartet worden. Der rechtspopulistische Parteichef Jordan Bardella forderte umgehend Neuwahlen. Dies hatte Macron bislang ausgeschlossen.
Bundesregierung warnt vor Dramatisierung der Lage
Die Bundesregierung warnte vor einer Dramatisierung der Lage in Frankreich nach dem Rücktritt Lecornus. „Ich habe keinen Anlass daran zu zweifeln, dass auch in Frankreich Stabilität herrscht“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Montag in Berlin. Man müsse Macron nun „einfach mal ein bisschen Raum geben“, um eine neue Regierung aufzustellen. Natürlich sei ein stabiles Frankreich auch ein wichtiger Beitrag für Stabilität in Europa. „Ich würde jetzt vor Dramatisierungen warnen“, fügte Kornelius hinzu. Europa und Deutschland seien handlungsfähig.
Zuvor hatte der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter, gegenüber Reuters von „einer schweren Niederlage für Präsident Macron und Beleg seines politischen Versagens“ gesprochen. „Die innenpolitische Krise in Frankreich ist eine Gefahr für die europäische Stabilität“, warnte er zudem.(mit dpa/Reuters/AFP).
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