
© AFP/HANDOUT
Festnahme von Chinesen in der Ukraine: Was über den mutmaßlichen Spionagefall bekannt ist
Die Ukraine hat am Mittwoch die Festnahme zweier chinesischer Staatsbürger bekanntgegeben. Worauf sie es abgesehen hatten und warum dies nicht nur für die Ukraine von Bedeutung ist.
Stand:
Im Krieg ist Wissen über Technologie genauso viel wert, wie das Vorhandensein von Munition selbst. Genau einen solchen Fall hat der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) kürzlich aufgedeckt: den Versuch, Zeichnungen der ukrainischen Anti-Schiffs-Rakete „Neptun“ nach China zu schmuggeln.
In diesem Zusammenhang waren zwei chinesische Staatsbürger festgenommen worden: Vater und Sohn.
Was ist passiert?
Anfang Juli deckte der Sicherheitsdienst der Ukraine das Mini-Spionagenetzwerk auf. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Bürger der Volksrepublik China – einen 24-jährigen ehemaligen Studenten der Technischen Universität Kiew und dessen Vater. Nach Angaben der Ermittler sollen sie versucht haben, Dokumente über ukrainische Raketen vom Typ „Neptun“ nach China zu schmuggeln.
Der Jüngere versuchte demnach, einen ukrainischen Spezialisten mit Zugang zu Verteidigungstechnologien zu rekrutieren, während sein Vater als Vermittler für die Übermittlung der Materialien ins Ausland fungieren sollte. Der ukrainische Geheimdienst dokumentierte den Versuch, nahm die Verdächtigen fest und beschlagnahmte Korrespondenz.

© AFP/HANDOUT
Das „Neptun“-Programm ist ein wichtiger Bestandteil der ukrainischen Rüstungsindustrie. Die Mitteilung des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) über die Festnahmen folgt auf Behauptungen Kiews aus den vergangenen Monaten, dass Peking – das sich in Bezug auf den Ukraine-Krieg um ein neutrales Image bemüht hat – die Kriegsanstrengungen des Kremls unterstützt, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters auf ihrer Website.
Es war nicht der erste Versuch von ausländischen Personen, an die Baupläne von „Neptun“ zu gelangen. Noch vor Kriegsbeginn, im Jahr 2020, deckte der SBU eine Gruppe von elf Personen auf, die einen ähnlichen Auftrag aus Russland hatten. Im selben Jahr wurde das Raketensystem RK-360MC „Neptun“ mit einer Reichweite von etwa 280 Kilometer in das Waffenarsenal der ukrainischen Armee aufgenommen.
Was sollte gestohlen werden – und warum ist das so wichtig?
Im Fokus der chinesischen Spione standen Zeichnungen, technische Spezifikationen, Navigationsalgorithmen und Aktualisierungen des Gefechtskopfes der Rakete. Diese Daten sind von entscheidender Bedeutung, denn der „Neptun“ wurde modernisiert und seine Fähigkeiten erheblich verbessert.
Die Reichweite beträgt nun 1000 Kilometer. Die Zielgenauigkeit wurde verbessert, der „Neptun“ ist weniger anfällig gegen Störsender, und der Sprengkopf wurde optimiert. Der geschätzte Wert eines „Neptun” beträgt 1,5 Millionen Dollar. Zum Vergleich: „Storm Shadow“ oder „Tomahawk“ kosten mehr als 4,5 Millionen Dollar.
Ab 2025 dürfte die Ukraine in der Lage sein, 30 bis 40 Raketen pro Monat aus ukrainischer Produktion herzustellen.
Wie hat sich der Einsatzzweck der „Neptun“-Rakete verändert?
Die Rakete RK-360MC „Neptun“ basiert auf der sowjetischen Anti-Schiffs-Rakete X-35, wurde jedoch von ukrainischen Ingenieuren grundlegend überarbeitet. Ursprünglich handelte es sich um ein System der Klasse „Land-See”, das zur Zerstörung von Überwasserzielen – Schiffen, Fregatten und Landungsschiffen – bestimmt war.
Zum ersten Mal wurde „Neptun“ weltweit bekannt, als im April 2022 mit genau dieser Rakete das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte Russlands, der Raketenkreuzer „Moskwa“, zerstört wurde. Später wurde die Rakete umgebaut. Sie wurde für Angriffe auf Bodenziele modernisiert, das heißt in eine Rakete der Klasse „Land-Land“ mit hoher Treffgenauigkeit und erweitertem Spektrum umgewandelt.
Welche erfolgreichen Einsätze von „Neptun“ sind bekannt
Der Angriff auf das russische Flaggschiff „Moskwa“ war sicherlich der bekannteste, erfolgreiche Einsatz der Rakete, es gab aber noch einige andere. Im Oktober 2024 zerstörte eine Neptun-Rakete ein Lagerhaus mit Shahid-Kamikaze-Drohnen in der Nähe von Jeisk in der Region Krasnodar.
Am 14. Januar dieses Jahres wurde ein Objekt in einem Vorort von Rostow am Don – einem großen Logistik- und Militärzentrum Russlands – angegriffen. Damals traf die ukrainische Rakete ein Lager mit Munition und Aufklärungsdrohnen. Das befand sich auf dem Gelände eines zivilen Transportunternehmens, das für die Lieferung von Waffen an die Front genutzt wurde.
Nach Angaben der ukrainischen Militär- und Analysezeitschrift „Defense Express“ wurde die Operation nach einem klassischen Szenario durchgeführt: Zunächst stiegen billige Drohnen in die Luft, um das Luftabwehrsystem zu überlasten, in dem es gezwungen war, die Drohnen abzuschießen. So öffnete sich ein Fenster für die Flügelrakete, die dann den Hauptschlag ausführte.
Vor einem Monat fand ein weiterer Angriff statt, den Analysten der OSINT-Community mit der „Neptun“-Rakete in Verbindung bringen. Diesmal war das Ziel ein Testgelände und ein Lager für Luftabwehrsysteme in der russischen Region Brjansk. Infolge des Angriffs wurde eine Reihe von starken Explosionen registriert.
Eine offizielle Bestätigung für den Einsatz von „Neptun“ gab es aber nicht. Laut der OSINT-Community wurde aber dieselbe Methode des kombinierten Angriffs angewendet: Drohnenimitationen aktivierten das Luftabwehrsystem, woraufhin die ukrainische Rakete das Objekt präzise traf.
- China
- Hochschulen
- Krieg in der Ukraine
- Russland
- Ukraine
- Українські журналісти в Tagesspiegel/Ukrainische Journalistinnen im Tagesspiegel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: