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Die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Chefin Ursula von der Leyen.

© REUTERS/KYODO

G7-Gipfel mit Selenskyj: Was am Sonntag in Hiroschima beschlossen wurde

Selten ist ein G7-Gipfel derart von Sicherheit und Militär dominiert gewesen – vor allem, als Wolodymyr Selenskyj überraschend dazustieß und damit die Agenda beeinflusste. Andere Themen wurden in den Hintergrund gedrängt.

Als Fumio Kishida am Sonntagnachmittag im Friedenspark von Hiroshima stand, strotzte er von Ruhe und Überzeugung. „Bei diesem Gipfel haben wir die schwierige Sicherheitssituation diskutiert“, erklärte der japanische Premierminister bei seiner Abschlussrede.

„Die G-7-Staaten haben sehr deutlich und direkt miteinander gesprochen.“ Und man sei sich weiterhin einig, dass jeder Versuch, den Status Quo durch Zwang zu ändern, nicht toleriert werde. Alles in allem gehe ein „historischer Gipfel“ zu Ende.

Historisch war dieser Gipfel der G7 – dazu gehören neben dem diesjährigen Gastgeber Japan noch die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien sowie zusätzlich die EU – tatsächlich in einiger Hinsicht. Schon deshalb, weil er in Hiroshima stattfand: Am 6. August 1945 verwüstete die erste in einem Krieg eingesetzte Atombombe die Stadt. Und an diesem Ort, der sich seither für nukleare Abrüstung einsetzt, haben die G-7-Staaten auch ihrer zunehmenden militärischen Kooperation deutlich Nachdruck verliehen.

Ausgerechnet in der Friedensstadt Hiroshima war der Gipfel also mehr von Sicherheitspolitik geprägt als in der Vergangenheit. Gegenüber China wurde ausdrücklich betont, es solle sich „verantwortungsvoll“ verhalten. Gegen Russland wurden einmal mehr neue Sanktionen beschlossen.

Selenskyj und Ukrainekrieg beherrschen das Treffen

Der Star der Konferenz war aber nicht Gastgeber Fumio Kishida, sondern der kurzfristig angereiste ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Von internationalen Medien wurde Selenskyjs Teilnahme als dessen „wichtigste Reise“ bewertet.

Er hatte in Hiroshima die seltene Möglichkeit, mit vielen der mächtigsten Regierungschefs der Welt gleichzeitig zu sprechen und für mehr Unterstützung zu werben. Um den Gesprächen mit Selenskyj möglichst viel Raum zu geben, veröffentlichten die G-7-Staaten ihr Kommuniqué auch schon am Samstag, einen Tag vor Gipfelende.

Dabei drängte Selenskyjs Anwesenheit auch andere Themen in den Hintergrund. So wurde beklagt, dass die pazifistische Bühne Hiroshimas genutzt wurde, um militärisch geprägte Geopolitik zu betreiben. Das Thema nuklearer Abrüstung dagegen sei zwar in Statements prominent erwähnt, aber kaum konkretisiert worden.

Ähnlich sieht es beim Umgang mit den ärmeren Ländern der Welt aus, die oft auch als „Globaler Süden“ bezeichnet werden. Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit wie Oxfam haben in Hiroshima darauf gedrängt, dass den ärmeren Ländern insbesondere nach den ökonomischen Verwerfungen durch Pandemie und den Ukraine-Krieg deren Schulden gegenüber reicheren Ländern und Internationalen Organisationen erlassen würden.

Japans Premier freut sich über Absage an Atomwaffen

Zudem sollte die Entwicklungszusammenarbeit deutlich verstärkt werden. So würde man die Chancen ämerer Länder auf ökonomische Entwicklung erhöhen und gleichzeitig die Beziehungen des Westens mit ihnen stärken – was durchaus von Bedeutung ist, da etwa Russland und China in diversen Ländern stark investieren. Allerdings hat dieses Thema beim Gipfel praktisch keine Beachtung gefunden.

Japans Premierminister Fumio Kishidas Lesart des Gipfels war eine andere. Nicht nur habe sich ein G-7-Gipfel in einer der Sitzungen erstmals allein dem Fernziel der Abschaffung aller Atomwaffen gewidmet. Ebenso habe es vorher nie eine Besprechung zur Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften gegeben, wenn etwa Probleme in globalen Lieferketten auftreten.

Auch in Bezug hierauf betonte Kishida in seiner Abschlussrede: „Wir müssen unseren Partnern im Globalen Süden zuhören und ihre Herausforderungen verstehen.“

Das Verständnis für Probleme ärmerer Länder mag an diesen Tagen in Hiroshima etwas zugenommen haben. Insbesondere Kishida als Gastgeber hat sich nicht nur mit den Regierungschefs der anderen G-7-Staaten auf bilateraler Ebene getroffen, sondern auch mit diversen Regierungschefs von Ländern, die Japan zusätzlich eingeladen hat. Gegenüber Indien, Indonesien und den Komoren gelobte er vertiefte Zusammenarbeit, auch um die dortige Entwicklung zu fördern.

Typisch für Gipfel: Umwelt, Bildung, Gleichberechtigung bleiben meist Papier

Aber wie viel von dem, was beim Gipfel öffentlich angekündigt wird, dann auch wirklich Umsetzung findet, ist ungewiss. Die kanadische Universität Toronto hat auf Grundlage früherer Gipfel untersucht, welche besprochenen Themen von den Regierungen am ehesten beherzigt werden.

Demnach sieht es für Vereinbarungen rund um Digitalisierung, Wissenschaftskooperationen sowie Sozialpolitik eher gut aus, für die Bereiche Gender, Bildung und Handel dagegen schlecht. Auch Beschlüsse zum Klimaschutz finden vergleichsweise wenig Umsetzung.

Aus Perspektive reicherer Länder wird hinter vorgehaltener Hand argumentiert: Die Welt befindet sich im Wandel, ständig ist irgendwo plötzlich ein neues Problem zu lösen. So haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen ihre Augen schon auf den nächsten Gipfel gerichtet.

Im Anschluss auf das G-7-Treffen sind sie weiter nach Seoul gereist, um sich mit dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol zu treffen. Auch hier soll es um „geopolitische, regionale und globale Fragen“ gehen, also nicht zuletzt wieder Sicherheitspolitik.

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