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Der türkische Präsident rühmt sich seiner Kontakte zum russischen Amtskollegen. Jetzt will Erdogan einen neuen Getreidedeal aushandeln. Doch Putin hat besondere Vorstellungen.

© Gestaltung: Tagesspiegel/K. Schuber/Fotos: dpa/picture alliance, imago (2)

Getreide-Deal ohne Kiew?: Das fordert Putin von Erdogan für ein neues Abkommen

Der türkische Präsident rühmt sich seiner Kontakte zum russischen Amtskollegen. Jetzt will Erdogan einen neuen Getreidedeal aushandeln. Doch Putin hat besondere Vorstellungen.

Russland will die Türkei für einen neuen Getreide-Deal ohne die Ukraine gewinnen. Das Thema steht im Zentrum eines Gesprächs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin an diesem Montag im Schwarzmeer-Badeort Sotschi.

Erdogan will bei seinem ersten Treffen mit dem Kremlchef seit seiner Wiederwahl im Mai versuchen, Putin zur Rückkehr zum Istanbuler Getreideabkommen zu überreden, das Moskau im Juli aufgekündigt hatte. Doch Putin hat andere Pläne.

Der türkische Präsident möchte sich in Sotschi als Vermittler im Ukraine-Krieg zurückmelden. Das Istanbuler Abkommen von 2022, das den Export von mehr als 30 Millionen Tonnen ukrainischem Getreide zu den Weltmärkten ermöglichte, war ein diplomatischer Erfolg für ihn, an den er jetzt anknüpfen will.

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Seit dem Ende des Getreide-Deals greift Russland ukrainische Schwarzmeer-Häfen an. Der Westen und Kiew prüfen trotz der Attacken neue Exportrouten für ukrainisches Getreide im Schwarzen Meer durch die Hoheitsgewässer der Nato-Staaten Rumänien und Bulgarien. Doch die Regierung in Ankara hat sich von diesen Plänen distanziert.

Erdogan steuert im Ukraine-Krieg einen Kurs zwischen Ost und West und argumentiert, das mache ihn bei Verhandlungen mit Putin glaubwürdig. Der türkische Präsident versucht damit auch, Vorteile für sein Land herauszuschlagen.

Moskau stundet türkische Schulden

So stundete Moskau im Frühjahr türkische Schulden für Gaslieferungen in Höhe von 600 Millionen Dollar. Russland ist zur Erhöhung der Gaslieferungen bereit und will der Türkei ein Verteilzentrum für den Weiterexport von russischem Gas einrichten, das vom Westen boykottiert wird.

30 Millionen
Tonnen ukrainischen Getreides konnte durch das Istanbuler Abkommen von 2022 exportiert werden.

Vor der Reise nach Sotschi schickte Erdogan seinen Außenminister Hakan Fidan zu Gesprächen mit dessen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow nach Moskau, aber Fidan erzielte keine erkennbaren Fortschritte. Russland will nur dann zum Istanbuler Abkommen zurückkehren, wenn westliche Hürden für den Export von russischem Getreide und Dünger fallen. Moskau verlangt unter anderem, dass die russische Landwirtschaftsbank wieder ins internationale Zahlungssystem Swift aufgenommen wird.

Getreideverladung im Hafen: „Wenn Russland an sein Geld kommen kann, ist der Weg frei.“
Getreideverladung im Hafen: „Wenn Russland an sein Geld kommen kann, ist der Weg frei.“

© AdobeStock

Katar soll die Getreidelieferungen für Afrika bezahlen

Als Ersatz für das Istanbuler Abkommen schlägt Russland eine neue Vereinbarung mit der Türkei vor. Moskau will eine Million Tonnen Getreide in die Türkei verschiffen, die von dort aus in afrikanische Staaten weiter exportiert werden sollen. Katar soll die Lieferungen bezahlen.

Diese Abmachung würde die Ukraine ausschließen und Russland keine militärische Zurückhaltung auferlegen, wie es das Istanbuler Abkommen vorsieht. Ukrainische Häfen und Schiffe wären also weiter von russischen Angriffen bedroht. Russland sehe das neue Modell als „optimale Alternative“ zum Istanbuler Vertrag, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax.

Die russischen Sicherheitsbehörden stufen derzeit fast alle Auslandsreisen Putins als riskant ein und raten davon ab.

Orhan Gafarli, Russland-Experte an der Universität Ankara

Die beiden Präsidenten wollten in der Frage der Getreide-Exporte zumindest Fortschritte erreichen, sagt Orhan Gafarli, Russland-Experte an der Universität Ankara. Moskau versuche vor allem, die Einnahmen aus russischen Getreide-Exporten zu sichern, sagte Gafarli dem Tagesspiegel.

„Wenn Russland an sein Geld kommen kann, ist der Weg frei“ für eine Neuauflage der Istanbuler Vereinbarung. Erdogan hat Verständnis für die russische Position gezeigt, konnte die westlichen Staaten bisher aber nicht zu einem Entgegenkommen an Moskau bewegen. Bei dem Treffen in Sotschi dürfte sich zeigen, ob sich das türkisch-russische Verhältnis nach einer Abkühlung in den vergangenen Monaten wieder erholt hat.

Der Kreml ist verärgert über die Türkei

Erdogan hatte den Nato-Beitritt von Finnland ermöglicht, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Istanbul empfangen und ukrainische Kriegsgefangene freigelassen, die aus Russland in die Türkei gebracht worden waren. Der Kreml kritisierte die Freilassungen als Verstoß gegen Vereinbarungen zwischen Moskau und Ankara.

Erdogan kündigte seit dem Frühjahr mehrmals an, Putin werde in die Türkei kommen, aus den Besuchen wurde allerdings nichts. Nach Einschätzung von Russland-Experte Gafarli gründen die Absagen auf Sicherheitsbedenken der russischen Seite.

„Die russischen Sicherheitsbehörden stufen derzeit fast alle Auslandsreisen Putins als riskant ein und raten davon ab“, sagt Gafarli. Dazu gehöre auch ein Besuch im Nato-Land Türkei. Dass Erdogan nun nach Russland reise, sei deshalb eine freundschaftliche Geste des türkischen Präsidenten.

Putin, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen des Ukraine-Krieges vorliegt, war im August dem Gipfeltreffen der Brics-Staaten in Südafrika ferngeblieben. Auch an der UN-Vollversammlung in New York und am Gipfel der G-20-Staaten in den kommenden Wochen will er nicht teilnehmen. Dagegen hält er an einer Reise nach China im Oktober fest.

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