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Am Donnerstag übergaben Terroristen der Hamas vier Särge an das Rote Kreuz – umgeben von einer jubelnden Menschenmenge.

© dpa/Abed Rahim Khatib

Hamas zelebriert Übergabe toter Geiseln: Israel trauert und steht unter Schock

Zynisch inszeniert die Terrorgruppe Hamas die Übergabe von vier toten Israelis an das Rote Kreuz. Unter den Toten wird die Bibas-Familie vermutet. Israels Fassungslosigkeit könnte in Wut umschlagen.

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Die Atmosphäre im Süden des Gazastreifens wirkte aufgekratzt, fröhlich, triumphierend. Hunderte Schaulustige, darunter Frauen und Kinder, hatten sich am Donnerstagmorgen dort versammelt, um zuzusehen, wie die Hamas die Särge vier israelischer Geiseln auf einer Bühne präsentierte. Während im Hintergrund beschwingte Musik lief, jubelte die Menschenmenge den vermummten Hamas-Männern zu, die mit Kalaschnikows vor den schwarzen Särgen posierten.

Für Israel ist dieser Tag einer der schwersten seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023. Denn in drei der Särge lagen den Terroristen zufolge die Überreste von Kfir und Ariel Bibas, den jüngsten verbliebenen Geiseln, sowie die Leiche ihrer Mutter Shiri.

Auf jedem der ausgestellten Särge hatte die Hamas ein Porträt der jeweiligen Geisel befestigt. Das Foto von Kfir Bibas, zum Zeitpunkt der Entführung neun Monate alt, zeigte ein lachendes Baby, rothaarig, pausbäckig. Sein Sarg wurde flankiert von dem seines Bruders, entführt im Alter von vier Jahren, und dem seiner Mutter, auf ihrem Foto glücklich lächelnd. Auf dem vierten und letzten Sarg prangte das Bild von Oded Lifshlitz, einem 83-jährigen früheren Journalisten und Friedensaktivisten.

Kaum ein Schicksal hat die Menschen in Israel seit dem Terrorüberfall so bewegt wie jenes der 32-jährigen Shiri Bibas und ihrer zwei kleinen Söhne. Aufnahmen der Mutter, die ihre zwei kleinen rothaarigen Jungen bei der Entführung verzweifelt an sich drückt, gingen um die Welt. Die Familie wurde innerhalb und außerhalb Israels zum Symbol für das Leiden der Geiseln – und den Kampf um ihre Befreiung.

Auch Yarden Bibas, der Vater der kleinen Jungen, war von der Hamas entführt worden. Er kam Anfang Februar im Rahmen der ausgehandelten Waffenruhe frei. Bis vor Kurzem war nicht klar, ob Shiri, Ariel und Kfir Bibas noch am Leben sind oder nicht. Schon Ende November 2023 hatte die Hamas mitgeteilt, die Drei seien bei einem israelischen Luftangriff umgekommen. Israels Armee, die IDF, hatte dies jedoch nicht bestätigt und der Hamas psychologische Kriegsführung vorgeworfen.

Diese hält an ihrer Darstellung fest: Hinter der Bühne, auf der sie die Särge präsentierte, hing ein großes Banner mit einer Karikatur des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, vampirhaft mit spitzen Eckzähnen. Daneben stand auf Arabisch, Hebräisch und Englisch geschrieben: „Der Kriegsverbrecher Netanjahu und seine Nazi-Armee hat sie mit Raketen aus zionistischen Flugzeugen umgebracht.“

Forensiker sollen feststellen, ob es sich tatsächlich um die Bibas-Familie handelt

Bis Donnerstagnachmittag gab es von israelischer Seite noch keine Bestätigung, dass es sich bei den Leichen tatsächlich um jene der drei Bibas-Geiseln handelt: Zunächst sollen Forensiker die Überreste untersuchen und sowohl die Identität der Leichen als auch, sofern möglich, die Todesursache feststellen. Die Bibas-Familie bat in einer Mitteilung darum, von Trauerbekundungen abzusehen, solange es keine offizielle Bestätigung gebe.

Auf einem zentralen Platz in Tel Aviv, den Aktivisten nach dem Hamas-Massaker zum „Platz der Geiseln“ erklärt hatten, versammelten sich Hunderte Menschen, um gemeinsam zu trauern. Während der Live-Berichterstattung von der Übergabe der Särge, die auf dem Platz übertragen wurde, brachen viele in Tränen aus. Tausende weitere Menschen stellten sich zur letzten Ehrerweisung am Rande der Straßen auf, durch die die Polizeiwagen mit den Särgen auf dem Weg zum Nationalen Forensischen Institut in Tel Aviv fuhren.

Qual. Schmerz. Es fehlen die Worte.

Yitzchak Herzog, Israels Staatspräsident

Auch Israels Staatspräsident Yitzchak Herzog äußerste sich in einer Mitteilung zutiefst betroffen. „Qual. Schmerz. Es fehlen die Worte“, sagte er darin. Er bitte um „Vergebung dafür, dass wir euch an dem schrecklichen Tag nicht beschützt haben. Vergebung dafür, dass wir euch nicht sicher nach Hause gebracht haben.“

In den ersten Stunden nach der Übergabe der Leichen herrschten in Israel vor allem Trauer und Fassungslosigkeit. Nach den forensischen Untersuchungen jedoch könnte die Trauer in Wut umschlagen – sollte sich etwa herausstellen, dass Shiri, Ariel und Kfir Bibas, anders als die Hamas es darstellt, erst nach längerer Geiselhaft umgekommen sind.

Viele Geiselfamilien werfen der israelischen Regierung vor, die zweite, derzeit geltende Waffenruhe mit ihrer harten Verhandlungsposition unnötig verzögert und damit das Leben Entführter riskiert zu haben. Und sollte sich nachweisen lassen, dass Shiri Bibas und ihre Söhne tatsächlich unter israelischem Bombardement starben, dürften auch auf die Armee schwierige Fragen zukommen.

Auf der anderen Seite hat die Hamas im Hinblick auf die Geiseln schon vielfach gelogen: So bedeckte sie einmal für ein Video die 20-jährige Geisel Daniella Gilboa mit Staub und Schutt, um deren Tod vorzutäuschen. Und die makabre Inszenierung vor der Leichenübergabe dürfte am Zynismus der Terroristen keine Zweifel lassen.

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