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Der enge Berater von Donald Trump und US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, spricht bei einem Termin in Kiew.

© AFP/Ukrainian Presidential Press Service

Im Fall der Eroberung der Ukraine: Trumps Sondergesandter Kellogg erwartet Angriff Putins auf ein Nato-Land

Russland provoziert aktuell wiederholt an der Nato-Ostflanke. Für den Trump-Berater Kellogg ist klar: „Das ist ein Test.“ Er widerspricht in einem Interview dem US-Präsidenten – und warnt eindringlich.

Stand:

Erst ein schwerwiegender Vorfall mit russischen Drohnen in Polen, nun massive Luftraumverletzungen durch die Streitkräfte des russischen Machthabers Wladimir Putin im Ostseeraum: Mitten in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine lässt der Kremlchef seine Armee in seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg nie dagewesener Form gegen den Westen agieren.

Die Nato ringt nach den Attacken auf die Bündnispartner Polen und Estland um Antworten. Der frühere US-General Keith Kellogg hat jetzt eindringlich vor einer zu zögerlichen Reaktion des Westens auf die russischen Drohungen und Provokationen gewarnt.

Der enge Berater von Donald Trump und US-Sondergesandte für die Ukraine geht davon aus, dass Putin nach einer Eroberung der Ukraine als Nächstes ein Nato-Land angreifen würde.

Auf eine entsprechende Frage sagte Kellogg der britischen Zeitung „Telegraph“ ohne zu zögern: „Auf jeden Fall. Man muss Putin und Russland als expansionistische Macht betrachten. Er will das Russische Reich wiederherstellen – schauen Sie sich nur die Geschichte an. Gib ihm einen Finger, und er nimmt die ganze Hand.“ Ähnlich hatte sich zuletzt der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence über einen möglichen Angriff geäußert.

Kellogg vergleicht Putin mit Hitler

Kellogg zog historische Parallelen. „In München 1938 sagte Hitler, er wolle nur das Sudetenland. Dann kam das Rheinland, dann Polen, und schon befanden wir uns im Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich auf jeden Fall. Genau das passiert hier mit der Ukraine. Wir müssen ihn jetzt aufhalten“, sagte der 81-Jährige.

Russlands Präsident Wladimir Putin besucht eine Waffenschau.

© Imago/SNA/Mikhail Sinitsyn

Bei einem russischen Luftangriff auf die Ukraine war in der vergangenen Woche mindestens 19 russische Drohnen in den Luftraum Polens und damit der Nato geflogen. Die polnische Luftwaffe und andere Nato-Verbündete schossen erstmals einige der Flugkörper ab.

Warschau beantragte nach dem Vorfall Nato-Konsultationen nach Artikel 4. Später kam es zu weiteren Vorfällen, bei denen mutmaßlich gezielt russische Drohnen über Polen und Rumänien gelenkt wurden.

Am Freitag drangen zudem russische Kampfjets in den estnischen Luftraum ein. Polen teilte mit, dass sich zwei russische Kampfjets im Tiefflug einer polnischen Bohrinsel in der Ostsee genähert hätten. Dabei wurde nach Angaben des Grenzschutzes die Sicherheitszone über der Plattform verletzt. Zur Verletzung der Staatsgrenze sei es allerdings nicht gekommen, sagte eine Sprecherin der Behörde dem Sender TVN24.

Kellogg glaubt nicht an russisches Versehen

„Wenn es alles auf einmal passiert wäre, könnte man es vielleicht noch einen Unfall nennen. Aber 19 Drohnen über sechs Stunden? Das ist ein Test“, sagte Kellogg, ein US-Veteran des Vietnam- und Golfkriegs, in dem Interview über die Vorfälle in Polen. Russland wolle damit die Reaktion der Nato prüfen. „Und wir müssen darauf reagieren, als wäre es ein Test.“

Damit widersprach Kellogg der Einschätzung des US-Präsidenten. Trump hatte kurz nach dem Drohnen-Vorfall über ein Versehen spekuliert. „Es könnte ein Fehler gewesen sein“, sagte er zu Journalisten. „Ich bin nicht glücklich über die ganze Situation, aber ich hoffe, dass sie zu einem Ende kommt.“

Putin ist ein KGB-Agent. Er hat nie aufgehört, einer zu sein. Er ist ein Manipulator.

Keith Kellogg, US-Sondergesandter für die Ukraine

Polens Ministerpräsident Donald Tusk wies die Darstellung Trumps in aller Deutlichkeit zurück.  „Wir würden uns auch wünschen, dass der Drohnenangriff auf Polen ein Versehen war. Aber das war er nicht. Und wir wissen das“, schrieb er auf der Online-Plattform X.

Russland hatte erklärt, seine Streitkräfte hätten zum Zeitpunkt des Drohnen-Vorfalls Ziele in der Ukraine angegriffen und nicht beabsichtigt, Polen zu treffen.

Deutschland und Frankreich bestellten wegen des Drohnen-Vorfalls die jeweiligen russischen Botschafter ein. „Mit russischen Drohnen im Nato-Luftraum handelt Putin gefährlich und inakzeptabel“, erklärte das Auswärtige Amt auf der Online-Plattform X. Die Nato stehe fest zusammen, um das Bündnisgebiet und seine Sicherheit zu verteidigen.

Kellogg äußerte sich auch deutlich zu Putins wiederkehrenden nuklearen Drohungen. „Putin ist ein KGB-Agent. Er hat nie aufgehört, einer zu sein. Er ist ein Manipulator. Das Einzige, was man dem entgegensetzen kann, sind Stärke, Macht und Gewalt.“ Abschreckung sei die einzige Sprache, die der Kremlchef verstehe.

Kellogg sieht kein schnelles Ende des Kriegs in der Ukraine

Zur Veranschaulichung gab der General ein Beispiel aus den Gesprächen von Trump mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong UN. „Als der Nordkoreaner ihm sagte, dass sie eine Atommacht seien, antwortete Trump: ‚Ich auch. Ich habe auch einen roten Knopf. Er ist größer als deiner und meiner funktioniert besser.‘ Putin ist ein Realist, und wenn man den Einsatz erhöht, wird er einknicken“, sagte Kellogg.

Ein rasches Ende des Krieges in der Ukraine sieht Kellogg nicht. Frieden könne es erst „nach Putin“ geben – solange Russland nicht zu den „guten Nationen“ zurückkehre, bleibe es ein Paria.

Dennoch plädiert er für einen Waffenstillstand als ersten Schritt: „Ohne einen Stopp der Kämpfe ist es sehr schwer, Frieden zu erreichen. Trump setzt auf Verhandlungen, ich würde zuerst das Schießen beenden.“

Der General äußerte in dem Gespräch zudem die Vermutung, dass die russischen Verluste in der Ukraine – Tote und Verwundete – über eine Million betragen. „Das ist erschütternd. Russland kümmert sich nicht um Menschenleben. Die Öffentlichkeit auch nicht. Das ist das Beängstigende.“

Kellogg nahm auch Stellung zu dem Einwand, dass viele Ukrainer das Vertrauen verlieren, nachdem Trump Putin bereits mindestens viermal zweiwöchige Ultimaten vom Typ „oder sonst“ gestellt und dann wenig oder gar nichts unternommen habe, um sie durchzusetzen. Auf die Frage, ob Trumps Spitzname „Taco“ („Trump Always Chickens Out“/„Trump kneift immer“) gerechtfertigt sei, reagierte der US-Diplomat dem Bericht zufolge gereizt.

Dieser Konflikt ist moralisch. Es ist gut gegen böse. Putin ist böse.

Keith Kellogg, US-Sondergesandter für die Ukraine

„Nein, das ist nicht fair“, antwortete Kellogg. Trump versuche, der Diplomatie jede Chance zu geben. „Als er sagte, er könne den Krieg in 24 Stunden beenden, zielte er auf ein Vermächtnis ab. Er merkte schnell, dass es schwieriger ist als erwartet – Persönlichkeiten spielen eine Rolle. Die Ukrainer sind bereit für ein Abkommen, aber Putin nicht.“

Der Sondergesandte weiter: „Er glaubt leider, dass er diesen Krieg gewinnt, aber das tut er nicht. Deshalb gibt Trump ihm nur Spielraum und Zeit, um an den Verhandlungstisch zu kommen, aber wir halten weiterhin die Karten in der Hand.“

Aber Trump sei zusehends frustriert über den Prozess, sagte Kellogg weiter. „Er dachte, seine persönliche Beziehung zu Putin würde Ergebnisse bringen. Stattdessen hat Putin ihn nur hingehalten. Hinter verschlossenen Türen ist Präsident Trump viel wütender, als er es öffentlich zeigt.“

Kellogg sieht besseres Verhältnis von Trump zu Merz

Kelloggs Botschaft an den russischen Machthaber: „Dieser Konflikt ist moralisch. Es ist gut gegen böse. Putin ist böse. Nur wenn die Ukraine stark aus ihm hervorgeht, können wir sagen, dass wir den guten Kampf geführt haben.“

Für Europa erwartet Kellogg wachsende Verantwortung. Europa solle sich darauf einstellen, die Ukraine künftig auch ohne die USA zu unterstützen: „Es ist besser, vorbereitet zu sein.“

Zugleich sagte er: „Ich glaube nicht, dass Amerika sich vollständig zurückzieht, aber am besten ist es, wenn Europa auf eigenen Füßen steht.“ Europa sei „inzwischen fast selbsttragend bei der Unterstützung der ukrainischen Kriegsanstrengungen, durch einen Zusammenhalt, den wir zuvor nicht gesehen haben“.

Und auch die Einheit mit dem US-Präsidenten sei real, sagte Kellogg. „Trumps Verhältnis zu den heutigen Führern wie Deutschlands Friedrich Merz oder Italiens Giorgia Meloni ist viel besser als zu deren Vorgängern.“

Als Beispiel nannte er das Treffen im Weißen Haus nach Trumps Gipfel mit Putin in Alaska. „Außergewöhnlich. Putin hat sich darin getäuscht.“

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