
© Getty Images via AFP/CHIP SOMODEVILLA
Demokraten ohne Gegenstrategie: In den USA droht der nächste Shutdown
Kommt es bei der Budgetabstimmung am Freitag zu keiner Einigung, stellen die USA ihre Dienstleistungen größtenteils ein. Zum Zorn über Trumps Zumutung kommt Frustration über das Fehlen einer Gegenstrategie.
Stand:
Da steht die Drohung erneut im Raum – wie so oft in den vergangenen Jahren: Die US-Regierung darf kein Geld ausgeben, weil der Kongress nicht rechtzeitig ein Budget verabschiedet hat. Der Staat stellt seine Dienstleistungen bis auf lebenswichtige Funktionen ein.
Ein Government Shutdown bedeutet: Ministerien und Nationalparks schließen. Staatsangestellte werden nicht mehr bezahlt, staatliche Hilfsleistungen nicht mehr ausgezahlt.
Zumeist hat ein wirksames Druckmittel diesen politischen Offenbarungseid in letzter Minute verhindert: Demokraten und Republikaner einigten sich in letzter Minute auf eine „Continuing Resolution“ (CR), einen vorläufigen, in der Sache eng begrenzten Finanzierungsbeschluss. Denn beide Parteien werden von der Furcht getrieben, andernfalls von den Wählern für das Scheitern verantwortlich gemacht zu werden.
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Zuletzt wurde der Shutdown kurz vor Weihnachten 2024 so vermieden. Es war eine politische Niederlage Donald Trumps vor der Amtseinführung.
Ein Republikaner stimmt gegen Trumps Wunsch
Nun ist es wieder so weit. In der Nacht von Freitag zu Samstag beginnt der Government Shutdown, sofern zuvor nicht mindestens acht Demokraten im Senat mit den Republikanern für einen Ausweg stimmen.
Mitunter liest man, es seien mindestens sieben demokratische Stimmen nötig. Das gilt aber nur, wenn alle 53 republikanischen Senatoren für die Lösung stimmen. Ein Republikaner, Rand Paul, hat jedoch ein Nein angekündigt. Deshalb brauchen die Republikaner nun acht Demokraten, um auf 60 Stimmen zu kommen.
Die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus hat am Dienstag mit 217 zu 213 Stimmen eine Budgetvorlage für die nächsten sechs Monate beschlossen, die viele Demokraten für eine Zumutung halten. Die Mittel für nicht-militärische Programme werden um 13 Milliarden Dollar gekürzt. Betroffen sind Ausgaben für mentale Gesundheit, Therapien gegen Drogenmissbrauch, medizinische Forschung und manches mehr.
Erpressung nach der Devise: Friss oder stirb
Danach haben sich die Abgeordneten in eine Sitzungspause verabschiedet und Washington verlassen – um klarzumachen: Es gibt keine Nachverhandlungen. Der Senat steht vor einer „Friss Vogel oder stirb“-Wahl: das Paket so anzunehmen oder die USA in den Shutdown zu schicken.
Ein Shutdown wäre auch für die Demokraten eine Katastrophe.
Rachel Tausendfreund, US-Expertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Die demokratischen Senatoren haben in zwei emotionalen Fraktionssitzungen am Dienstag und Mittwoch die Lage diskutiert. Fraktionschef Chuck Schumer, New York, sagt, die nötigen 60 Stimmen im Senat werden nicht zusammenkommen. Er bietet eine Übergangslösung für 30 Tage an. Diese neue Variante ginge jedoch nur in Kooperation mit dem Repräsentantenhaus. Dessen Führung ist aber nicht präsent für Nachverhandlungen.
Man darf den Eindruck gewinnen: Die Demokraten sind weiter uneins, was sie tun soll: opponieren und den Shutdown heraufbeschwören oder klein beigeben. Der Frust und Zorn über das Fehlen einer effektiven Gegenstrategie ist mindestens so groß wie der Ärger über die Erpressung durch die Republikaner.
Viele Demokraten hatten wohl gehofft, House Speaker Mike Johnson werde es nicht gelingen, die hauchdünne republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus zu organisieren, und auf die Opposition zukommen müssen. Das war ein Fehlkalkül.
Ich sehe keine wirksamen Druckmittel auf unserer Seite.
John Hickenlooper, demokratischer Senator aus Colorado
Progressive Demokraten warnen vor dem Protest der Basis, wenn die Demokraten zustimmen, obwohl Donald Trump und Elon Musk gerade die Ministerien und die staatlichen Förderprogramme mit der Kettensäge klein machen. „Wer dumm genug ist, dafür zu stimmen, wird die Konsequenzen tragen müssen“, droht der Abgeordnete Jared Huffman aus Kalifornien.
Zentristen warnen dagegen vor Selbstüberschätzung. „Ich sehe keine wirksamen Druckmittel auf unserer Seite“, sagt John Hickenlooper, Senator aus Colorado. John Fetterman aus Pennsylvania will für das Notbudget stimmen. „Wer bereits fürchtet, dass wir uns auf eine Rezession zubewegen, sollte über die Folgen nachdenken, wenn wir es zum Shutdown kommen lassen.“
„Die Demokraten sind in einer schwierigen Lage. Sie können nur verlieren“, analysiert Rachel Tausendfreund, US-Expertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Es ist schwer zu sagen, was die klügere Strategie für sie ist. Klar ist aber auch: Es wird sehr schwer, die Unterstützung der Fraktion für einen Shutdown aufrechtzuerhalten.“
Das Dilemma für Tausendfreund: „Warum sollen die Demokraten Trump eine Verlängerung des Notbudgets für sechs Monate geben, bei der der Kongress weniger Kontrolle hat als bei einem ordentlichen Haushalt? Trump untergräbt bereits die Befugnisse des Kongresses.“
Ein Shutdown wäre andererseits „auch für die Demokraten eine Katastrophe“, sagt Tausendfreund. „Sie bekämen zumindest einen Teil der Verantwortung. Der Ausfall staatlicher Dienstleistungen ist unpopulär. Und er lenkt die Aufmerksamkeit von Musks Angriffen auf den Staatsapparat ab. In diesen Punkten sind die Demokraten immer im Nachteil. Jedes Regierungsversagen fördert regierungsfeindliche Stimmungen, auch wenn die Republikaner die Ursache sind. Den Nutzen davon hat Trump.“
Zweimal in den letzten rund 20 Jahren ist es tatsächlich zum Shutdown gekommen. In der ersten Amtszeit Donald Trumps über den Jahreswechsel 2018/19. Er dauerte 34 Tage, das ist Rekord. Der Streitpunkt: Der Senat weigerte sich, die Mittel zu beschließen, die Trump für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko forderte.
Trumps Zustimmungswerte fielen während des Shutdown. Am Ende stand ein Kompromiss: Es gab etwas Geld für „Grenzbarrieren“, das Wort „Mauer“ wurde vermieden. Aber auch die „Dreamer“, also die Kinder illegaler Migranten, erhielten Förderung.
Zuvor hatte die US-Regierung Anfang Januar 2013 in Barack Obamas zweiter Amtszeit 16 Tage lang nur rudimentär arbeiten können. Damals drehte sich der Streit um die Umsetzung der Gesundheitsreform „Obamacare“.
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