zum Hauptinhalt
Wahlkampfveranstaltung in Bagdad.

© Reuters/THAIER AL-SUDANI

Iran könnte zum Wahlverlierer im Irak werden: Teheran fürchtet Einflussverlust beim Nachbarn

Bei der Parlamentswahl im Irak steht viel auf dem Spiel – auch für den Iran. Verliert Teheran nach Syrien und Gaza auch in Bagdad an Bedeutung?

Stand:

Wenn nach der Parlamentswahl im Irak an diesem Dienstag die Stimmen ausgezählt werden, dürften Politiker beim Nachbarn Iran mindestens so gespannt auf das Ergebnis warten wie ihre Kollegen in Bagdad.

Für den Iran geht es bei der Wahl um die Frage, ob er nach seinen vielen Niederlagen in der Region in den vergangenen Jahren jetzt auch noch seinen Einfluss auf den Irak einbüßt. Ein Teil der Elite bereitet sich schon darauf vor, die Beziehungen zu Bagdad neu zu ordnen.

Mehr als 21 Millionen Wähler sind zur Neuwahl des Parlaments mit seinen 329 Sitzen aufgerufen; Mitglieder der Sicherheitskräfte und Binnenflüchtlinge konnten schon am Sonntag ihre Stimmen abgeben.

Regierungschef sucht zweite Amtszeit

Bei der Abstimmung bewirbt sich Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani, der in den vergangenen Jahren einen Kurs zwischen den USA auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite gefahren hat, um eine zweite Amtszeit.

42
Prozent der Stimmberechtigten machten bei der Wahl 2021 im Irak ihr Kreuz.

Eine der großen Unbekannten ist, wie sich die Desillusionierung der Menschen auswirken wird. Die Wahlbeteiligung war bei der Abstimmung vor vier Jahren auf 42 Prozent gesunken.

Viele junge Iraker – jeder zweite Bürger ist jünger als 21 Jahre – haben das Vertrauen in die Politik verloren. Das liegt zum einen an der schlechten wirtschaftlichen Situation: Trotz des Ölreichtums des Landes liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei nur 5.000 Euro im Jahr.

Zudem gilt der Politbetrieb als korrupt und undurchsichtig. Im Irak stellen die Schiiten traditionell den Ministerpräsidenten, die Kurden den Staatspräsidenten und die Sunniten den Parlamentspräsidenten. Nach der Wahl 2021 dauerte die Regierungsbildung ein Jahr.

Pro-iranische Parteien und Milizen im Irak sind Teil dieses Systems. Sie gehören zur „Achse des Widerstandes“, wie Teheran sein Netzwerk aus verbündeten Staaten und Gruppen im Nahen Osten nennt. Die Achse ist wegen der militärischen Erfolge Israels gegen die Hamas in Gaza und die Hisbollah im Libanon brüchig geworden. Seit dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad voriges Jahr ist Syrien kein Verbündeter der Iraner mehr. Israel und die USA zerstörten im kurzen Juni-Krieg dieses Jahres zudem Teile von Teherans Atom- und Regierungseinrichtungen.

Der Irak, in dem schiitische Muslime wie im Iran in der Mehrheit sind, ist seit zwanzig Jahren unverzichtbar für die iranische Außenpolitik.

Pro-iranische Parteien hoffen im Irak auf ein Comeback

Seit dem verlustreichen Krieg der 1980er Jahre nach dem Angriff des damaligen irakischen Machthabers Saddam Hussein auf den Iran will Teheran verhindern, dass vom Nachbarn noch einmal eine Bedrohung ausgehen kann.

Zudem diente der Irak lange Zeit als Transportkorridor für iranische Waffen und Kämpfer nach Syrien und in den Libanon. Teheran-treue Politiker verhinderten eine enge Anbindung der Regierungen in Bagdad an den Westen.

Kämpft um eine zweite Amtszeit: Iraks Premier Mohammed Shia al-Sudani.

© Reuters/Alaa al-Marjani

Pro-iranische Parteien hatten jedoch bei der vergangenen Wahl eine Schlappe erlitten und hoffen nun auf ein Comeback.

Ein Vorteil für sie liegt heute darin, dass die Bewegung des einflussreichen schiitischen Predigers und Populisten Moktada al-Sadr die diesjährige Wahl boykottieren will. Ein Teil der schiitischen Wähler sei dadurch politisch heimatlos geworden, sagt die Nahost-Expertin Carolyn Moorman vom Institut für Kriegsstudien in den USA.

Gute Beziehungen zu den USA

Zudem sei das pro-iranische Lager diesmal vor der Wahl trotz interner Differenzen geeint geblieben, schreibt Moorman auf der Internetseite ihres Instituts.

Auch vorzeitiges Wählen ist für die mehr als 20 Millionen Stimmberechtigten im Irak möglich.

© AFP/Safin Hamid

Allerdings bevorzugen viele irakische Wähler die USA als Partner für ihr Land, obwohl Amerika wegen seiner Invasion zum Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 und dem anschließenden Bürgerkrieg, bei vielen Irakern unbeliebt ist, sagt der Irak-Experte Munqith Dagher in einer Analyse für das Washington-Institut für Nahost-Politik.

Der aktuelle irakische Premier al-Sudani hat gute Beziehungen zu den USA aufgebaut, zugleich aber auch mit dem Iran kooperiert.

Ein Teil der Teheraner Elite wolle die Beziehungen zu Bagdad neu ordnen, sagt Arash Azizi von der Universität Boston. Diese Gruppe in der Führung plädiere dafür, die Einflussnahme im Irak zu beenden und stattdessen „Beziehungen zwischen zwei souveränen Staaten“ aufzubauen, sagte Azizi dem Tagesspiegel. Diesem Lager wäre ein erneuter Sieg von al-Sudani recht.

Iranische Hardliner um die Revolutionsgarde wollten dagegen den Teheraner Einfluss in Bagdad mithilfe verbündeter Milizen und Parteien wieder ausbauen, sagt Azizi. Deshalb blicke das politische Iran auch auf das Abschneiden von kurdischen und sunnitischen Parteien im Irak, die den Trend zur Loslösung von Teheran unterstützen.

Wie für viele Wähler im Irak steht auch für den Iran das politische Überleben von al-Sudani als Premier bei der Wahl am Dienstag im Mittelpunkt, wie Azizi sagt. Bleibe der 55-Jährige an der Macht, werde er darüber entscheiden, wie es mit den Beziehungen zum Iran, zu den USA und zu den arabischen Staaten wie Saudi-Arabien weitergehe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })