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Israel entrüstet über Genozid-Vorwurf: UN-Kommission spricht von Völkermord im Gazastreifen
In dem Bericht werden schwere Anschuldigungen gegen die israelische Führung erhoben. Zudem würden im Gazastreifen vier Tatbestände des Völkermordes erfüllt. Israel reagiert empört.
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Die Kriegsführung Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen zielt nach Auffassung von UN-bestellten Menschenrechtlern auf die Zerstörung der Palästinenser ab. Sie kommt zu dem Schluss, dass Israel Genozid, also Völkermord, begeht.
Vier der fünf in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 erwähnten Tatbestände seien erfüllt, befindet die dreiköpfige Kommission.
„Der Straftatbestand des Völkermordes umfasst Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“, führt die Kommission auf.
Der Bericht bezieht sich auf die Geschehnisse seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer Extremisten auf Israel am 7. Oktober 2023.
In dem Bericht werden Anschuldigungen gegen mehrere ranghohe israelische Politiker erhoben. Regierungschef Benjamin Netanjahu, Präsident Isaac Herzog und der frühere Verteidigungsminister Joav Gallant hätten „zum Völkermord angestiftet“, hieß es darin.
Die israelischen Behörden hätten es „versäumt, Maßnahmen gegen sie zu ergreifen, um diese Anstiftung zu bestrafen“. Die Kommission hat nach Angaben der Mitglieder auf Anfragen an Israel nie Antworten erhalten.
Israel wirft UN-Kommission antisemitische Neigungen vor
Nun allerdings reagierte Israel und verurteilte den Bericht als skandalös. „Israel weist die verleumderische Tirade kategorisch zurück“, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums, die der Botschafter Israels in Genf, Daniel Meron, verlas.
Mit keinem Wort würden die Terrorakte der Hamas erwähnt. Dabei habe die Hamas die Absicht, Völkermord in Israel zu begehen. Meron warf den Kommissionsmitgliedern antisemitische Neigungen vor.
Israel erkennt wie die USA unter Präsident Donald Trump den UN-Menschenrechtsrat als Autorität nicht an und wirft ihm und seinen Kommissionen grundsätzlich vor, gegen Israel voreingenommen zu sein.
Zur Position der Bundesregierung hinsichtlich der Beurteilung der Kommission sagte Europa-Staatsminister Gunther Krichbaum in Brüssel: „Zunächst schließen wir uns diesem Urteil nicht an. Wir reden hier nicht von einem Genozid, wenngleich die humanitäre Versorgung der Menschen in Gaza nach wie vor zutiefst besorgniserregend ist.“

© AFP/Menahem Kahana
Der Menschenrechtsrat besteht aus 47 Ländern, die jeweils für drei Jahre von der UN-Generalversammlung gewählt werden. Der Rat hatte die Kommission 2021 eingerichtet und drei von den UN unabhängigen Experten dafür bestellt.
Kommission fordert Stopp von Waffenlieferungen
Niemand müsse auf ein Urteil des internationalen Gerichtshofs zum Genozid-Vorwurf warten, sagte die Kommissionsvorsitzende, Navi Pillay. Sie war dort früher Richterin und auch UN-Hochkommissarin für Menschenrechte.
Der Gerichtshof hat bislang nur festgestellt, es bestehe eine „reale und unmittelbare Gefahr“, dass Israels Handlungen und Unterlassungen die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser aus der Genozid-Konvention verletzen könnten. Eine abschließende Beurteilung steht noch aus.
Alle Länder seien schon jetzt verpflichtet, Völkermord zu verhindern, sagte Pillay. Das gehe nicht, wenn man auf ein Urteil warte. „Wir empfehlen allen Mitgliedstaaten, insbesondere denen, die Einfluss auf Israel haben, (...) Waffenlieferungen oder finanzielle Unterstützung, die zu weiteren Völkermordhandlungen beitragen könnten, auszusetzen“, sagte sie.
Israel betont stets, es bekämpfe im Krieg im abgeriegelten Gazastreifen die Hamas und nicht die Zivilbevölkerung. Die Hamas missbrauche die Zivilisten immer wieder als „menschliche Schutzschilde“.
Der Krieg könne sofort enden, wenn die Hamas die 48 verbliebenen Geiseln freilasse und die Waffen niederlege. Das israelische Militär bestätigte am Dienstag, seine Bodenoffensive auf die Stadt Gaza begonnen zu haben. (dpa)
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