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Korruptionsskandal um Kaili: Polizei durchsucht Räume des EU-Parlaments
Im Zuge der Korruptionsaffäre im Europaparlament finden in Brüssel Durchsuchungen statt. Griechenland friert das Vermögen der EU-Vizepräsidentin Kaili ein.
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Im Zuge des Korruptionsskandals im Europäischen Parlament hat die belgische Polizei am Montagnachmittag Räumlichkeiten des Parlaments in Brüssel durchsucht. Ziel der Durchsuchungen sei es gewesen, die Daten elektronischer Geräte aus den Büros von zehn Abgeordneten sicherzustellen, erklärte die belgische Bundesstaatsanwaltschaft.
Die seit Sonntag in Untersuchungshaft befindliche Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili soll demnach am Mittwoch erstmals zu einer gerichtlichen Anhörung erscheinen. Wie die Ermittler weiter erklärten, waren die bei der Durchsuchung zu beschlagnahmenden Geräte bereits am Freitag „eingefroren“ worden, um ein „Verschwinden für die Ermittlungen nötiger Daten“ zu verhindern.
Die Staatsanwaltschaft informierte über die Durchsuchungen drei Tage nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals im EU-Parlament, in den unter anderen die griechische Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili verwickelt ist. Kaili und drei weitere Beschuldigte sitzen seit Sonntag wegen der Affäre, die im Zusammenhang mit dem WM-Gastgeberland Katar steht, in Untersuchungshaft.
Alle vier Inhaftierten sollen der Staatsanwaltschaft zufolge am Mittwoch erstmals zu einer gerichtlichen Anhörung erscheinen. Insgesamt hätten seit Freitag 20 Durchsuchungen stattgefunden, erklärten die Ermittler in Brüssel weiter, 19 davon in Privatwohnungen und eine im EU-Parlament.
Dabei sei Bargeld in Höhe von 600.000 Euro beschlagnahmt worden. Mehrere hunderttausend davon hätten sich in einem Koffer in einem Brüsseler Hotelzimmer befunden, 150.000 in der Wohnung eines Mitglieds des Parlament. Den Beschuldigten in dem Skandal wird „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption“ vorgeworfen.
Griechenland friert Kailis Vermögen ein
Katar soll mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben, Entscheidungen des Europaparlaments zu beeinflussen. In Katar findet derzeit die Fußball-Weltmeisterschaft statt. In dem Zusammenhang hat es massive Anschuldigungen wegen Menschenrechtsverstößen in dem Golfstaat gegeben.
Auch in Griechenland folgten Konsequenzen im Zuge des Korruptionsskandals. Die griechischen Behörden froren sämtliche Vermögenswerte von Kaili ein. Betroffen seien „Bankkonten, Schließfächer, Firmen und alle anderen Vermögenswerte“, teilte der Leiter der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde, Haralambos Vourliotis, am Montag mit. Die Maßnahme gelte auch für Angehörige der griechischen Politikerin.
Scholz entsetzt über mögliche Korruption
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte schockiert auf die Korruptionsermittlungen. Scholz habe die Berichte darüber „mit dem erwartbaren Entsetzen“ zur Kenntnis genommen, „dass so etwas offenbar möglich ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin.
Es dürfe „keine Vorverurteilungen geben“. Sollten sich die Berichte allerdings bestätigen, wäre dies „ein sehr ernster Vorgang“. Dieser müsse dann auf Ebene des EU-Parlaments und „nicht von einzelnen Nationalstaaten“ diskutiert werden.
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Hebestreit reagierte zurückhaltend auf eine Frage, die auf die Möglichkeit ähnlicher Fälle in deutschen Parlamenten abhob. „Nein, das würde mich doch sehr überraschen und wundern“, sagte er. Eine eigene Initiative der Bundesregierung, dies zu prüfen, sei jedenfalls nicht nötig. Dies sei Aufgabe der Parlamente und der Staatsanwaltschaften.
Baerbock und Borrell besorgt über Vorkommnisse
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte „die restlose Aufklärung“ der Korruptionsaffäre. „Das ist wirklich ein unglaublicher Vorfall, der muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden mit der vollen Härte des Gesetzes“, sagte sie am Montag am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel.
Es müssten „in unterschiedlichen Bereichen Konsequenzen folgen“, sagte Baerbock weiter. In dem Fall gehe es „um die Glaubwürdigkeit Europas“. Im Gespräch ist etwa ein Aufschub der Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für Katar.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Anschuldigungen gegen die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, „besorgniserregend“. Es handele sich um sehr schwerwiegende Vorwürfe, betonte er.
Von der Leyen schlägt Ethikrat vor
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Bildung eines Ethikrats zur Überwachung von EU-Institutionen ins Spiel gebracht. Die Vorwürfe der Korruption im Europäischen Parlament seien äußerst bedenklich und schwerwiegend, sagte von der Leyen vor der Presse am Montag. Sie schlug erneut einen Ethikrat vor.
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte Konsequenzen. „Es muss jetzt auch aufklärt werden, wie so etwas passieren konnte und an welchen Stellen das Europäische Parlament auch Transparenzregeln nachschärfen muss“, sagte Klingbeil am Montag in Berlin. Er begrüßte, dass Kaili so schnell entmachtet wurde.
Ihr Verhalten und das anderer Beschuldigter sei „in keinster Weise akzeptabel, das ist nicht erklärbar, nicht duldbar“, betonte Klingbeil. „Diese Personen vertreten keine sozialdemokratischen Werte, die müssen raus aus unserer Partei. Da bin ich froh, dass so schnell gehandelt wurde.“ Kaili saß für die griechische Pasok-Partei im Parlament, die mit der SPD und anderen sozialdemokratischen Parteien eine Fraktion bildet.
Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke hat indes von der Bundesregierung eine Überprüfung der Gas-Lieferverträge mit Katar gefordert. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob der Westen mit seinen Milliarden Euro für Gaskäufe dieses korrupte Regime am Golf weiter unterstützen will oder ob die Geschäftsbeziehungen aufgrund der aktuellen Situation nicht besser eingefroren werden“, erklärte Radtke am Montag.
Katar hatte Ende November verkündet, ab 2026 jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) nach Deutschland zu liefern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Katar Anfang des Jahres besucht und politische Rahmengespräche geführt. (AFP/Reuters)
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