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Tumulte in Amsterdam

© dpa/Jeroen Jumelet

Update

Krawalle nach Fußballspiel: Jagd auf israelische Fans in Amsterdam – Netanjahu schickt Flugzeuge

Am Rande eines Spiels von Maccabi Tel Aviv bei Ajax Amsterdam gibt es Ausschreitungen, mehrere Menschen werden verletzt. Der israelische Präsident spricht von einem „Pogrom“.

Stand:

Die Attacken von propalästinensischen Randalierern auf israelische Fußballfans in Amsterdam haben international Entsetzen und Empörung ausgelöst. Die vorwiegend jugendlichen Täter sollen nach Angaben der Behörden aktiv Jagd auf die Israelis gemacht haben, die zuvor das Spiel in der Europa League von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv besucht hatten.

Israels neuer Außenminister Gideon Saar war am Nachmittag in Amsterdam eingetroffen, um dort mit Vertretern der niederländischen Regierung zu sprechen. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof brach seinen Aufenthalt in Budapest bei einem EU-Gipfel ab.

Die Gewalt hatte in Israel empörte Reaktionen ausgelöst. Politiker sprachen von einer Jagd auf Juden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe angeordnet, zwei Maschinen in die Niederlande zu schicken, um die Fußballfans auszufliegen, teilte das Büro des israelischen Regierungschefs mit. Auch niederländische Politiker waren entsetzt.

Auf diesem Videostandbild geht eine Gruppe pro-palästinensischer Demonstranten in der Nähe des Fußballstadions in Amsterdam auf eine Polizeikette zu.

© dpa/AP/RTL Nieuws

Bei den Angriffen waren 20 bis 30 Menschen nach Angaben der Behörden verletzt worden, die meisten davon leicht. Fünf Personen wurden in Krankenhäusern behandelt, aber am Freitag wieder entlassen. Das Außenministerium Israels hat nach eigenen Angaben inzwischen alle Israelis in der niederländischen Hauptstadt erreicht. Zuvor galten drei Bürger als vermisst.

Behörden gehen von gezielten Angriffen aus

Die Unruhestifter seien „aktiv auf die Suche gegangen nach israelischen Fans, um sie anzugreifen und zu misshandeln“, heißt es in einer Erklärung der Stadt und der Polizei.

Die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema sprach von einer „tiefschwarzen Nacht“ und einer „Schande für Amsterdam“. „An mehreren Stellen in der Stadt wurden Fans belagert, misshandelt und mit Feuerwerkkörpern beworfen“, sagte Halsema. Sie verurteilte dieses „antisemitische Verhalten“. Die Stadt kündigte auch scharfe Sicherheitsmaßnahmen an, um Israelis und Juden in Amsterdam zu schützen.

Zehn Verdächtige befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch in Haft, davon sind zwei minderjährig. Insgesamt waren bei den Ausschreitungen 62 Personen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, alle mutmaßlichen Täter mit aller Härte zu verfolgen.

Jugendliche auf Motorrädern

Nach dem Fußballspiel waren am späten Donnerstagabend israelische Fans nach Angaben der Polizei gezielt angegriffen worden, als sie zurück ins Zentrum kamen. Vor allem Jugendliche auf Mopeds hätten die Israelis verfolgt und misshandelt.

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Augenzeugen berichteten von beängstigenden Momenten. „Sie kamen in Massen und griffen uns alle an“, wir einer in der „Times of Israel“ zitiert. Bewaffnet mit Knüppeln und Messern hätten sie jeden zusammengeschlagen, den sie für einen Israeli hielten. „Wir fürchteten um unser Leben“, sagte ein Mann.

Wir fürchteten um unser Leben.

Augenzeuge

Die Polizei habe nicht immer sofort reagiert und sogar Taxifahrer hätten sich an den Ausschreitungen beteiligt, sagte ein anderes Opfer. „Ich riet meinen Freunden, alles abzunehmen, was uns identifizieren könnte und so unerkannt zu entkommen“, erzählte ein junger Mann dem israelischen TV-Sender Kan. Ein anderer sagte, er habe sich als Grieche ausgegeben.

Israelis seien schutzsuchend in Geschäfte und sogar in Privathäuser geflüchtet. Manche mussten sich rennend in ihren Hotels in Sicherheit bringen. Das israelische Außenministerium riet ihren Landsleuten, diese vorerst nicht zu verlassen.

Schon im Vorfeld Spannungen

Das Spiel war im Vorfeld bereits wegen der politischen Spannungen als Risikospiel eingestuft worden. Extra Sicherheitsvorkehrungen waren getroffen worden. Etwa 800 Beamte waren im Einsatz.

Auf diesem Bild, das von einem Video stammt, stehen Polizisten Wache, während Anhänger von Maccabi Tel Aviv auf dem Dam-Platz Fackeln anzünden.

© dpa/InterVision

Bereits vor dem Spiel hatte es auch nahe dem Stadion im Südosten der Stadt vereinzelt Auseinandersetzungen gegeben. Etwa 200 Demonstranten versuchten nach Angaben der Polizei, zu der Spielstätte zu gelangen.

Die Polizei wies darauf hin, dass es auch in der Nacht zuvor Zusammenstöße gegeben hatte. Auch Fans von Tel Aviv hätten randaliert und provoziert. So hätten sie palästinensische Flaggen verbrannt sowie beleidigende Parolen gerufen. Das sei aber in keinerlei Hinsicht eine Entschuldigung für die antisemitischen Attacken, betonte die Bürgermeisterin.

El Al fliegt Hunderte Israelis aus

Um 14 Uhr Ortszeit sollte ein erster Rettungsflug aus Amsterdam Richtung Israel starten, teilte die israelische Fluggesellschaft El Al mit. Zudem seien im Anschluss noch zwei weitere reguläre Flüge nach Tel Aviv geplant. Hunderte israelische Fans sollen auf diesem Wege nach Hause gebracht werden.

Niederländische Polizisten sichern den Abflug der israelischen Fans.

© AFP/MICHEL VAN BERGEN

Die Fans könnten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen reisen, wo Flüge nach Israel bereitgestellt würden, so das israelische Außenministerium am Freitag. Örtliche Sicherheitskräfte seien im Einsatz. Zugleich riet es, auf dem Weg zu Flughafen keine jüdischen oder israelischen Symbole zu tragen.

Wurden Behörden in den Niederlanden aus Israel gewarnt?

Vor den Angriffen sollen niederländische Sicherheitskräfte israelischen Berichten zufolge gewarnt worden seien. Israels Diaspora-Ministerium habe vorab über Pläne Bescheid gewusst, einen bestimmten israelischen Fan zu verletzen, der für den israelischen Grenzschutz arbeiten soll, meldeten israelische Medien. Gleiches gelte für einen geplanten Angriff auf ein Hotel, in dem israelische Fußballanhänger übernachtet haben. Die niederländischen Behörden seien darüber informiert worden.

In diesem Bild aus einem Video marschieren propalästinensische Anhänger mit palästinensischen Fahnen in der Nähe des Ajax-Stadions.

© dpa/InterVision

Zudem rechnete das Diaspora-Ministerium den Berichten zufolge auch mit einem gewalttätigen Protest vor Beginn des Fußballspiels vor der Johan-Cruijff-Arena, den die Stadtverwaltung eigentlich verboten hatte. Auch diese Erkenntnis sei mit den Niederlanden geteilt worden. 

Politiker empört

„Ministerpräsident Netanjahu nimmt den schrecklichen Vorfall sehr ernst und fordert die niederländische Regierung und die Sicherheitskräfte auf, energisch und schnell gegen die Randalierer vorzugehen und die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten“, hieß es in der Mitteilung seines Büros weiter.

Der Ministerpräsident sprach in einem Telefonat mit seinem niederländischen Amtskollegen Dick Schoof von einem „vorsätzlichen antisemitischen Angriff“. Schoof bezeichnete die Vorfälle ebenfalls als „antisemitische Angriffe auf Israelis“, die „inakzeptabel“ seien.

Der niederländische König Willem-Alexander habe sich in einem Telefonat mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog geschockt gezeigt, heißt es in einer Erklärung des Hofes. „Wir dürfen nicht wegschauen bei antisemitischem Verhalten auf unseren Straßen.“

Die niederländische Geschichte habe auch gelehrt, welche schlimmen Folgen solche Einschüchterung haben könne, sagte der Monarch. „Juden müssen sich in den Niederlanden sicher fühlen können, überall und immer. Wir schlagen unsere Arme um sie und lassen sie nicht los.“

Der israelische Präsident Isaac Herzog erinnerte im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Amsterdam an den Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023. „Wir haben an diesem Morgen schockierende Bilder und Videos gesehen, von denen wir gehofft hatten, dass wir sie nach dem 7. Oktober nicht wieder sehen müssen: Ein antisemitisches Pogrom gegen die Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam“, schrieb er auf X.

Ein antisemitisches Pogrom gegen die Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam.

Israels Präsident Isaac Herzog

Auch aus Deutschland gab es Reaktionen. So verurteilte Bundeskanzler Olaf Scholz die Vorfälle in Amsterdam auf X als unerträglich. „Das dürfen wir nicht hinnehmen“, schrieb er. „Wer Jüdinnen und Juden angreift, greift uns alle an. Jüdinnen und Juden müssen sich in Europa sicher fühlen können“, forderte er.

„Die Bilder aus Amsterdam sind furchtbar und für uns in Europa zutiefst beschämend“, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei X. „Der Ausbruch solcher Gewalt gegenüber Juden überschreitet alle Grenzen“, fuhr sie fort. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Juden „müssen in Europa sicher sein“.

Der israelische Außenminister Gideon Saar steigt nach der Landung auf dem Flughafen Schiphol aus einem Flugzeug aus.

© AFP/REMKO DE WAAL

„Israelische Fußballfans zu verfolgen und zu verprügeln, ist kein Antikriegsprotest. Das ist kriminell und unerträglich, und wir alle müssen dagegen aufstehen“, erklärte Deutschlands Botschafter in Israel, Steffen Seibert, am Freitagmorgen auf Englisch im Onlinedienst X. „Als Europäer schäme ich mich, solche Szenen in einer unserer großen Städte zu sehen.“

Zentralrat der Juden in Deutschland spricht von Hatz

Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich entsetzt. „Das sind Bilder des Schreckens. Die Hatz auf Juden ist wieder ausgebrochen“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Freitag in Berlin. Dies seien keine Krawalle unter Fangruppen gewesen. Schuster sprach von einem „Armutszeugnis, dass Juden und Israelis in Westeuropa nicht mehr sicher sein können“.

Der radikal-rechte niederländische Populist Geert Wilders schrieb auf X: „Ein Pogrom in den Straßen von Amsterdam. (...) Muslime mit palästinensischen Flaggen jagen Juden.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb bei X: „Antisemitismus hat keinen Platz in Europa. Wir kämpfen entschlossen gegen jede Art von Hass.“

Auch die Europäische Fußball-Union UEFA verurteilte die Gewalt „aufs Schärfste“. „Wir vertrauen darauf, dass die zuständigen Behörden so viel Verantwortliche wie möglich für diese Aktionen identifizieren und anklagen werden“, heißt es in einer UEFA-Stellungnahme weiter.

Israel rät Bürgern von Basketballspiel-Besuch in Bologna ab

Unter dem Eindruck der Attacken in Amsterdam rief Israels Nationaler Sicherheitsrat (NSC) seine Landsleute dazu auf, dem Euro-League-Basketballspiel von Maccabi Tel Aviv gegen Virtus Segafredo Bologna am Freitagabend fernzubleiben. Nachahmer-Taten seien möglich, warnte der Rat.

Vor dem Spiel sind die Sicherheitsbehörden in der norditalienischen Stadt in höchster Alarmbereitschaft. Vor Ort wird etwa ein größeres Polizeiaufgebot erwartet, als zuvor vorgesehen war. Die Maccabi-Spieler erhalten einen persönlichen Begleit- und Sicherheitsschutz für ihren Aufenthalt.

Ein geplantes Länderspiel der französischen Nationalmannschaft gegen die israelische Auswahl am nächsten Donnerstag im Stade de France in Paris wird vermutlich auch unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen stattfinden.

„Einige fordern die Verlegung des Spiels Frankreich-Israel. Das akzeptiere ich nicht“, erklärte Innenminister Bruno Retailleau am Freitag im Onlinedienst X. „Frankreich weicht nicht zurück, denn das käme einer Kapitulation vor Gewaltandrohungen und vor dem Antisemitismus gleich“, fügte er hinzu.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die „Gewalt gegen israelische Staatsbürger“. Diese erinnere „an die dunkelsten Stunden der Geschichte“, fügte er hinzu. „Frankreich wird weiterhin unermüdlich gegen den abscheulichen Antisemitismus kämpfen“, betonte er. (dpa/AFP)

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