
© dpa/Mohammed Jammal
Krieg, Hunger und Not im Sudan: „Die Kämpfe sind so brutal, dass es unmöglich ist, Hilfe zu leisten“
Die Gewalt im Sudan scheint keine Grenzen zu kennen. Ein Gespräch mit dem Generalsekretär der Welthungerhilfe über brutale Kämpfe, das Leid der Geflüchteten und das Desinteresse der Welt.
Stand:
Herr Mogge, nach der Einnahme der Stadt El Fascher in Darfur durch die Miliz Rapid Support Forces (RSF) gibt es Berichte über Massaker, Hinrichtungen und Vergewaltigungen. Was wissen Sie über das Ausmaß der Gewalt und der Not im Sudan?
Die Gewalt hat wirklich unfassbare Dimensionen angenommen. Was in El Fascher vor sich geht, ist mit Worten gar nicht zu beschreiben. Viele Einwohner versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Aber es ist sehr schwierig, aus der Stadt herauszukommen. Die RSF haben zum Beispiel Gräben rund um El Fascher angelegt, um die Bevölkerung an der Flucht zu hindern.
Kann die Welthungerhilfe unter diesen Kriegsbedingungen überhaupt helfen?
In El Fascher selbst können wir leider derzeit nichts tun. Wir haben keinen Zugang zur Bevölkerung. Einer unserer Mitarbeiter ist sogar bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Trotz aller Widrigkeiten setzen die Zivilisten alles daran, sich nach Tawila zu retten, einen Ort der Hoffnung, etwa 80 Kilometer von El Fascher entfernt.
Aber auch dort herrschen schwierige Bedingungen. Viele Vertriebene erreichen Tawila nur mit dem, was sie am Leib tragen. Oft haben sie noch nicht einmal Schuhe an den Füßen. Und sie mussten häufig an Checkpoints bezahlen, um weiterzukommen.
Woran scheitert die Versorgung der Bedürftigen im Sudan?
Nicht die Hilfsgüter sind das Problem, die in der Regel in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, sondern der Zugang zu jenen, die Unterstützung dringend benötigen.
El Fascher ist dafür ein Beispiel: Die Kämpfe sind so brutal, dass es unmöglich ist, Hilfe zu leisten. Sogar Flüchtlingslager wie das Zamzam-Camp in Nord-Darfur werden attackiert. Deshalb konzentriert sich unsere Arbeit auf Gebiete, in denen wir die Notleidenden erreichen können.
Wo ist das der Fall?
Im Norden Darfurs gibt es etwa 15 Ortschaften, wo das Verteilen von Hilfsgütern wie Trinkwasser, Hygieneartikeln und Lebensmitteln sowie Geldüberweisungen per Handy möglich sind. Auch Sanitäranlagen in Betrieb zu halten, ist extrem wichtig.
Die hygienischen Bedingungen sind oft so katastrophal, dass sich Seuchen wie Cholera sehr rasch ausbreiten können. Aber es bleibt schwierig, Hilfstransporte überhaupt zu ihrem Ziel zu bringen. Sie werden zum Beispiel mit Drohnen angegriffen.
Zehntausende suchen Schutz in Nachbarstaaten wie Ägypten, Tschad oder Südsudan. Sind dort die Lebensbedingungen etwas besser?
Im Tschad oder in Ägypten ist es einfacher, sich um die Geflüchteten zu kümmern. Viele Sudanesinnen und Sudanesen haben sich allerdings auf den Weg Richtung Südsudan oder Zentralafrikanische Republik gemacht.
In diesen Ländern haben die Einwohner selbst nicht genug zu essen. Die Ankunft der Vertriebenen verschärft die Not und den Kampf um Ressourcen zusätzlich.
Die Vereinten Nationen nennen die Lage im Sudan die weltweit schlimmste humanitäre Krise. Was bedeutet das konkret?
Die dramatische Situation spiegelt sich schon in den Zahlen wider. Mehr als 30 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Allein in der Region Darfur drohen etwa 500.000 Frauen, Kinder und Männer zu verhungern; zehn Millionen mussten vor den Kämpfen innerhalb des Landes fliehen. Das sind Indikatoren, die die Einschätzung „schlimmste humanitäre Krise“ rechtfertigen.
Dennoch ist die Aufmerksamkeit für den seit zweieinhalb Jahren andauernden Krieg in dem afrikanischen Land gering. Wie lässt sich das ändern?
Mehr Interesse gibt es in der Regel, wenn Journalisten direkt von vor Ort berichten können. Das ist im Sudan jedoch fast unmöglich. Gerade Darfur – ungefähr anderthalbmal so groß wie Deutschland – ist eine riesige aktive Kampfzone, in der Reporter um ihr Leben fürchten müssten. Es ist jedoch für die Menschen im Sudan sehr wichtig, dass die Weltöffentlichkeit von diesem Grauen erfährt.
Die internationale Politik scheint wenig zu unternehmen, um dem Sterben Einhalt zu gebieten. Woran liegt das?
Es gibt Mächte, die mithilfe von sehr viel Geld versuchen, Einfluss im Sudan zu nehmen. Die westlichen Regierungen scheinen davor zurückzuschrecken, das deutlicher anzusprechen.
Deshalb fordern wir maximalen politischen Druck auf die ausländischen Staaten, damit diese ihre Unterstützung für die Kriegsparteien einstellen. Die wiederum müssen endlich in eine Waffenruhe einwilligen. Das ist der einzige Weg, sowohl um die Gräueltaten und den Hunger zu beenden als auch langfristig die Versorgung der Sudanesinnen und Sudanesen zu ermöglichen.
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