
© AFP/-
Massaker im Sudan: „Die Bemühungen der UN für Frieden sind eher halbherzig“
Hunger, Gewalt und Tod: Der Krieg in dem afrikanischen Land zählt zu den schlimmsten weltweit. Unternehmen die Vereinten Nationen genug, um das Leid im Sudan zu beenden?
- Christian Böhme
- Jan Dirk Herbermann
Stand:
Für den UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher ist der Krieg im Sudan eine „immer dunkler werdende Hölle“. Doch als der 15 Mitglieder zählende Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vergangene Woche in New York zusammenkam, konnte er sich nur auf eine dünne Erklärung verständigen.
Bei dem Text handelte es sich nicht etwa um eine Resolution, die eine völkerrechtlich verbindliche Wirkung entfaltet hätte, sondern lediglich um eine Presseerklärung zu den Gewaltexzessen zwischen der Miliz Rapid Support Forces (RSF) und der regulären sudanesischen Armee.
Darin verurteilte das potenziell mächtigste UN-Gremium die „berichteten Grausamkeiten der RSF-Miliz gegen die Zivilbevölkerung“ nach der Einnahme der Großstadt El Fascher in der Region Darfur. Der Sicherheitsrat kündigte aber auch keinen Plan an, wie die Vereinten Nationen die Vertreibungen, die Vergewaltigungen und das Massentöten im Sudan beenden könnten.
Seit Ausbruch des Krieges im April 2023 hat die Weltorganisation kein Rezept gefunden, um die Kriegsherren Abdel Fattah al-Burhan, den Armeechef und Militärmachthaber, und Mohammed Hamdan Daglo, den RSF-Anführer, zur Räson zu bringen.
„Die Bemühungen der Vereinten Nationen für Frieden in Sudan sind eher halbherzig“, sagt Gerrit Kurtz, Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Ein Sondergesandter in Teilzeit
Der Experte verweist unter anderem auf den UN-Sondergesandten, Ramtane Lamamra. Dieser übe seine Funktion nur in Teilzeit aus und habe den sogenannten Friedensplan der Führung in Port Sudan um Armee- und Staatschef Abdel Fattah Burhan, also einer Kriegspartei, als Grundlage übernommen.
„Statt sich auf die Koordination von Vermittlungsbemühungen zu konzentrieren, wie von den Mitgliedsstaaten aufgetragen, hat Lamamra immer wieder versucht, mit indirekten Gesprächen selbst zwischen den Hauptkriegsparteien zu vermitteln – ohne Erfolg.“

© The Washington Post via Getty Images
Ulf Terlinden verweist allerdings auf die schwierige Ausgangssituation. „Auch wenn der Konflikt oft als Konfrontation zwischen zwei Generälen beschrieben wird: Die Interessenlage im Land ist komplex und vielschichtig, massiv verschärft durch externe Einflussnahme“, sagt der Leiter des Horn-von Afrika-Büros der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Dazu gehören die Vereinigten Arabischen Emirate aufseiten der RSF sowie Ägypten und Russland als Verbündete der Regierung in Port Sudan.
Ohnehin seien die UN im Sudan neben der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der Regionalorganisation Intergovernmental Authority on Development (Igad) nur ein relevanter multilateraler Akteur von vielen. Entscheidend zur Verbesserung der Lage im Sudan sei es, dass diese vier Organisationen endlich zu einem gemeinsamen politischen Handeln fänden.
Das Waffenembargo müsste von der Region Darfur aus auf den ganzen Sudan ausgeweitet, gründlich überwacht und nötigenfalls mit Sanktionen durchgesetzt werden.
Ulf Terlinden, Politologe
Wie wenig die UN bewirken können, zeigt das bereits 2004 verhängte Waffenembargo. Trotz des Lieferverbots fließt Kriegsgerät weiter auf die Schlachtfelder und heizt den Konflikt an. Die Verbündeten der Kriegsparteien scheinen sich nicht darum zu scheren.
Mit Geschlossenheit könnte der UN-Sicherheitsrat umfangreiche Maßnahmen ergreifen, sagt Politologe Terlinden. Die Logistik, mit der sich die Kriegsparteien täglich aus dem Ausland mit Waffen und Munition versorgen, sei bekannt.
Ein unwirksames Waffenembargo
„Das Waffenembargo müsste von der Region Darfur aus auf den ganzen Sudan ausgeweitet, gründlich überwacht und nötigenfalls mit Sanktionen durchgesetzt werden“, sagt er. Zudem würde die Unterbindung des Handels mit Gold und anderen Ressourcen die Kriegsökonomie empfindlich treffen.
Nach Ansicht Terlindens könnten die international vernetzten Täter hinter dem mutmaßlichen Genozid in Darfur und zahlreichen anderen Kriegsverbrechen – einschließlich verweigerter humanitärer Hilfe – gezielt zur Rechenschaft gezogen werden. „Dazu müssten die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ihre geopolitischen Partikularinteressen jedoch dem Schicksal von Millionen Sudanesinnen und Sudanesen unterordnen.“
Russlands Macht im Sicherheitsrat
Doch dass es dazu kommt, gilt als unwahrscheinlich. „Vergangenes Jahr blockierte Russland einen Resolutionsentwurf für den Schutz der Zivilbevölkerung in Sudan, den Großbritannien und Sierra Leone eingereicht hatten, mit seinem Veto“, sagt Kurtz.
Vergangenes Jahr blockierte Russland einen Resolutionsentwurf für den Schutz der Zivilbevölkerung in Sudan.
Gerrit Kurtz, Afrika-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik
Russland behindert schon seit Längerem die Versuche zur Eindämmung des Konflikts, sofern diese Zugeständnisse von der mit ihm verbündeten sudanesischen Armeeführung verlangen. Denn diese weigert sich zum Beispiel, internationale Truppen mit UN-Mandat zur Befriedung der Lage in das Land zu lassen.
Doch selbst wenn der Sicherheitsrat eine Mission beschließen sollte, dürfte sich die Aufstellung einer solchen Truppe als äußerst schwierig erweisen. „Kaum eine Regierung ist bereit, Soldaten für ein solches Himmelfahrtskommando zur Verfügung zu stellen“, gibt ein Diplomat zu bedenken.
Können die UN gar nichts für die Menschen im Sudan tun? Doch, sagt Experte Kurtz. „Die Vereinten Nationen sollten sich intensiver als bisher vor allem für einen dauerhaften Zugang der humanitären Organisationen in den Gebieten einsetzen, die von den RSF kontrolliert werden.“ Bislang blockiere die Regierung in Port Sudan diesen immer wieder, obwohl dort die größte Not herrsche.
- Afrika
- Hungersnot
- New York
- Russland
- Sexualisierte Gewalt
- Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
- Sudan
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false