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Kubanische Söldner in der russischen Armee: „Wir hatten keine Ahnung, dass sie uns in den Krieg schicken“
Russland rekrutiert wohl Tausende Kubaner für den Kriegseinsatz in der Ukraine – oft, ohne dass die Betroffenen es ahnen. Eine Expertin sagt: Es handelt sich um staatlich finanzierten Menschenhandel.
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Über WhatsApp bekam Alex Vegas Díaz ein Jobangebot: Er könne Bauarbeiten für das russische Militär erledigen, gegen gutes Geld. Er und ein Freund sagten zu, fanden sich aber kurz darauf mit einer Waffe im Schützengraben wieder, an der Front in der Ukraine. So zumindest erzählte es der damals 19-jährige Kubaner in einem Youtube-Video am 31. August 2023.
Seine Geschichte ist eine von vielen, die in der Zwischenzeit bekannt geworden sind. Auch die des 35 Jahre alten Musikers Frank Darío Jarrosay Manfugá endete an der Front. „Wir hatten keine Ahnung, dass sie uns in den Krieg schicken“, sagte er dem kubanischen Exilmedium „Cibercuba“ 2024. „Wir kamen, um Maurerarbeiten zu verrichten. Bevor man es begreift, befindet man sich in einem Bunker und schießt.“
Kubaner mit falschen Versprechen angelockt
Carolina Barrero, kubanische Menschenrechtsaktivistin und Leiterin der Organisation Ciudadanía y Libertad, hat die Teilnahme Kubas am Ukrainekrieg im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung untersucht. In dem daraus entstandenen Bericht erklärt sie das Rekrutierungsmuster, das ihr dabei immer wieder begegnete.
„Per WhatsApp, Telegram oder Facebook bekommen Kubaner, die entweder in Kuba oder im Ausland leben, Arbeitsangebote wie dieses. Sie werden mit Geld gelockt und dann zu einer Militärbasis gebracht, wo ihnen ein russischer Vertrag zur Unterschrift vorgelegt wird“, sagt Barrero dem Tagesspiegel.
Allein in ihrem eigenen Bekanntenkreis fand sie mehrere Fälle, die demselben Schema folgten. Sie sprach mit Betroffenen und deren Angehörigen. Ihre Identitäten müssen geschützt werden. Der Tagesspiegel hatte Zugang zu diesen Aussagen. Auch einer der fünfseitigen russischen Verträge liegt vor.
Er beginnt mit den Worten: „Xy schließt freiwillig mit dem Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, vertreten durch den Leiter des Auswahlpunktes für den Militärdienst auf Vertragsbasis (2. Kategorie, Stadt Tula) xy (Dienstgrad, Name, Vorname, Vatersname der diensthabenden Person) den vorliegenden Kontrakt über die Ableistung des Militärdienstes in den Streitkräften der Russischen Föderation über eine Dauer von einem Jahr ab.“
Es handelt sich eigentlich um staatlich finanzierten Menschenhandel.
Carolina Barrero, kubanische Menschenrechtsaktivistin, über die Rekrutierung von Kubanern für Russlands Armee
Der restliche Vertrag ist verklausuliert und bezieht sich auf etliche Paragrafen russischer Gesetze. Es ist vom Wehrtraining, medizinischer Versorgung und Überstunden die Rede. Eine Information aber fehlt: Wie hoch ist das Gehalt, das die Söldner für ihre militärischen Dienste bekommen?
Bei ihren Recherchen ist Carolina Barrero immer wieder die Zahl 2000 US-Dollar begegnet. Zum Vergleich: Der Durchschnittslohn in Kuba beträgt 17 US-Dollar pro Monat. Barrero schätzt: 60 Prozent der Söldner werden mit falschen Versprechungen gelockt, 40 Prozent aber sind Freiwillige des kubanischen Militärs.
„Kuba hat sich in der Vergangenheit an mehreren Konflikten beteiligt, zum Beispiel in Angola und Äthiopien, aber auch in Asien“, sagt Barrero. „Das allein ist nicht neu. Der Unterschied ist: Dieses Mal bestreiten sie, dass es eine offizielle Zusammenarbeit gibt.“
So gibt es keine handfesten Belege für eine solche Kooperation, jedoch etliche Hinweise: Seit Juli 2023 gibt es Direktflüge zwischen der kubanischen Hauptstadt Havanna und Moskau, die allerdings immer wieder ausgesetzt werden. In vielen der dokumentierten Rekrutierungsprozesse war mindestens eine Person aus Kuba und eine aus Russland involviert.
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Außerdem kontrolliert Kubas Regime das Internet auf der Karibikinsel. Wenn es dort vermehrt Rekrutierungsaufrufe gibt, muss es davon wissen. Trotzdem hat die Regierung bislang nur 17 Personen wegen mutmaßlichen Menschenhandels verhaftet, und das kurz nach dem Bekanntwerden der Geschichte des 19-jährigen Vegas Díaz. Weitere Ermittlungen sind nicht bekannt.
„Es handelt sich eigentlich um staatlich finanzierten Menschenhandel“, sagt Barrero und verweist unter anderem auf den „Trafficking in Persons“-Report des US-Außenministeriums von 2025, das dem kubanischen Regime ein „seit Langem angewandtes Muster staatlich geförderten Menschenhandels“ bescheinigt.
Söldner in Russland: So viele Kubaner wie Nordkoreaner?
Laut dem ukrainischen Geheimdienst überleben die kubanischen Söldner etwa 140 bis 150 Tage an der Front. „Die Schätzungen, wie viele es sind, haben sich mit der Zeit stark verändert“, sagt Barrero. „Als 2023 die ersten Fälle von Kubanern in der russischen Armee bekannt wurden, ging der ukrainische Geheimdienst von 1000 Söldnern aus, 2024 von 5000, inzwischen reichen die Schätzungen bis 25.000.“
Die Namen von mehr als 1000 Kubanern wurden in Listen des ukrainischen Projekts „Ich will leben“ veröffentlicht. Es hilft ausländischen Soldaten dabei, zu desertieren und sich in ukrainische Kriegsgefangenschaft zu begeben. Damit wäre Kuba eines der Länder, aus denen die meisten Söldner nach Russland kommen – etwa vergleichbar mit Nordkorea.
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Zwischen Moskau und Havanna gibt es seit Jahrzehnten enge Verbindungen. Lange unterstützte die damalige Sowjetunion die kubanische Revolution des späteren Diktators Fidel Castro. Eine Zusammenarbeit, die in den 1960er-Jahren in der Kuba-Krise gipfelte, während der die Sowjetunion heimlich Atomraketen auf der Karibikinsel stationierte und damit fast einen Nuklearkrieg auslöste.
Bis heute gibt es Kooperationen zwischen beiden Ländern, etwa beim Handel, der Wirtschaft und Investitionen. Die politische und wirtschaftliche Krise in Kuba hat sich dennoch in den vergangenen Jahren erheblich verschärft und viele in die extreme Armut getrieben.
Auf Hilfe aus Russland ist das Regime deshalb angewiesen. Das bietet Nährboden für eine Ausbeutung, wie sie derzeit an der Front des Ukraine-Kriegs stattzufinden scheint.
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