zum Hauptinhalt
Der scheidende französische Premierminister Sébastien Lecornu

© REUTERS/STEPHANE MAHE

Update

„Führen sich alle auf, als hätten sie absolute Mehrheit“: Französischer Ministerpräsident Lecornu reicht Rücktritt ein und rechnet mit Parteien ab

Nur wenige Stunden nach der Vorstellung einer neuen Regierung ist Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu wieder zurückgetreten. Seine Erklärung geriet zur Generalabrechnung.

Stand:

Der französische Ministerpräsident Sébastien Lecornu hat seinen Rücktritt eingereicht. Damit geht der 39-Jährige mit der kürzesten Amtszeit von gerade einmal 27 Tagen in die Geschichte ein. Er war bereits der fünfte Regierungschef in weniger als zwei Jahren. Präsident Emmanuel Macron habe den Rücktritt akzeptiert, teilte der Élysée-Palast am Montag mit.

„Man kann nicht Premierminister sein, wenn die entsprechenden Bedingungen dafür nicht stimmen“, sagte Lecornu in einem Pressestatement. Zuvor hatte der in seinem Amt bestätigte Innenminister und Vorsitzende der konservativen Républicains, Bruno Retailleau, sich unzufrieden mit der Zusammensetzung der neuen Regierung gezeigt und eine Krisensitzung seiner Partei heute angekündigt.

Es drohte ein Bruch der Regierungskoalition. Dem kam Lecornu mit seinem Rücktritt zuvor.

Generalabrechnung mit politischen Parteien

Dabei kritisierte Lecornu das aus seiner Sicht großkotzige Verhalten der verschiedenen Parteien. „Sie führen sich weiterhin alle so auf, als hätten sie alle eine absolute Mehrheit. Jede Partei will, dass die anderen ihr komplettes Programm übernehmen“, warf Lecornu den Regierungspartnern und auch der Opposition vor.

Bei der Zusammenstellung der Regierung sei es vielen nicht um eine konstruktive Lösung fürs Land, sondern um eigene Ambitionen gegangen – auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl. Damit bezog sich Lecornu insbesondere auf Retailleau.

„Es hätte nur etwas Bescheidenheit und weniger große Egos gebraucht und die Regierung hätte funktioniert. Man muss immer das Land seiner Partei vorziehen“, betonte Lecornu.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Retailleau schlug Amt aus und kritisierte dann Ersatzlösung

Für Empörung bei den Konservativen sorgte unter anderem, dass der 2024 ausgeschiedene langjährige Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, der der Mitte-Partei von Macron angehört, überraschend zum Verteidigungsminister bestimmt wurde.

Probte den Aufstand, doch Lecornu kam ihm zuvor: Bruno Retailleau.

© AFP/THOMAS SAMSON

Das Amt wurde zuvor vom nun wieder Ex-Premierminister Sébastien Lecornu ausgeübt. Pikant: Laut Informationen des öffentlich-rechtlichen Senders FranceInfo war zunächst Retailleau das Amt angeboten worden, der dies aber ausschlug.

Möglicherweise dachte Retailleau bereits an die Präsidentschaftswahl 2027 und an seine eigenen Ambitionen. In einer Ipsos-Umfrage hatte Retailleau zuletzt, wenn auch auf niedrigem Niveau, bessere Zustimmungswerte als viele andere mögliche Gegenkandidaten.

Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, zollte Lecornu für seine Entscheidung und seine klaren Worte Respekt. „Es gab noch einen Gaullisten in diesem Land. Er ist gerade mit Ehre und Würde zurückgetreten“, schrieb er bei X.

Für Dienstag war Lecornus erste Regierungserklärung erwartet worden. Der rechtspopulistische Parteichef Jordan Bardella forderte umgehend Neuwahlen. Dies hatte Macron bislang ausgeschlossen. (mit dpa/Reuters).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })