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Besuch in Saudi-Arabien: Baerbock warnt vor „bedingungsloser Normalisierung“ mit Assad
Der deutschen Außenministerin steht in Saudi-Arabien und Katar ein Spagat bevor. Es geht um Konfliktlösung und Energie-Zusammenarbeit – doch auch um Menschenrechte.
Stand:
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat kurz vor dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga vor einer „bedingungslosen Normalisierung“ im Umgang mit Syriens Präsident Baschar al-Assad gewarnt. „Jeder Schritt in Richtung Assad sollte von konkreten Zugeständnissen abhängig gemacht werden“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag nach einem Treffen mit ihrem saudi-arabischen Kollegen Faisal bin Farhan in der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer. Assad dürfe nicht „für täglich schwerste Menschenrechtsverletzungen auch noch belohnt“ werden.
Die arabischen Länder hatten sich kürzlich auf eine Wiederaufnahme Syriens in die etwa 20 Mitglieder zählende Organisation geeinigt. Sie treiben damit eine schon länger laufende Normalisierung mit Assad in der Region voran, der nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien 2011 jahrelang isoliert war. Im Westen gelten Gespräche mit Assad, dessen Regierung die EU und USA mit umfassenden Sanktionen belegte, weiterhin als tabu.
„In Syrien ist der politische Prozess zur Lösung des Konflikts weiter in weiter Ferne. Seit über zehn Jahren gibt es nur Blutvergießen, unglaubliches menschliches Leid, über das kaum mehr berichtet wird“, sagte Baerbock. Deutschland wie auch Partner in der Region erhofften sich ein Signal vom Gipfeltreffen am Freitag, dass die Normalisierung mit Assad an konkrete Bedingungen geknüpft werde.

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Baerbock hat sich für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen ausgesprochen – und diesen Wunsch mit der Forderung nach Respekt für die Menschenrechte verknüpft. Saudi-Arabien habe ein „unglaubliches Potenzial“ für eine Klimapartnerschaft in den Bereichen grüner Wasserstoff und Windenergie, sagte Baerbock am Montag bei ihrem Besuch in der Hafenstadt Dschiddah. Wirtschaftliche Kooperation könne aber nicht „losgelöst von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Freiheitsrechten betrachtet werden“, fügte sie hinzu. Dies seien „zwei Seiten einer Medaille“.
Die von Deutschland gewünschte Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien könne „nur funktionieren, wenn Klimapartnerschaften und Wirtschaftsbeziehungen auf verlässlichen gemeinsamen Regeln basieren“, sagte Baerbock nach dem Treffen mit Prinz Faisal bin Farhan.
Baerbock zollte dem konservativ-islamischen Königreich Respekt für seine Bemühungen um eine behutsame gesellschaftliche Modernisierung. Sie wies dabei auf die wachsende gesellschaftliche Teilhabe von Frauen hin: „Das verdient Anerkennung“, sagte die Ministerin. Es gebe mittlerweise ein „gemeinsames Verständnis, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht funktionieren kann, wenn die Hälfte der Menschen ausgegrenzt wird.“
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Zugleich wies sie auf anhaltende Differenzen hin, die sie in ihrer Unterredung mit dem saudiarabischen Außenminister angesprochen habe. „Es ist kein Geheimnis, dass uns im Bereich der Menschenrechte immer noch vieles teilt“, sagte sie. Als Beispiele nannte sie die in Saudi-Arabien nach wie vor praktizierte Todesstrafe sowie den Bereich der Freiheitsrechte.
Treffen mit Künstlerszene in Saudi-Arabien
Am Abend traf sich Baerbock im Kulturzentrum Hai Dschamil auf Initiative der Deutschen Botschaft mit Vertretern der saudischen Kunstszene, darunter Abdulnasser Gharem und Halla bint Chalid.
Abdulnasser Gharem gilt als ein Pionier zeitgenössischer Kunst in Saudi-Arabien. Nach 23 Jahren in der saudischen Armee beendete der Oberstleutnant seine militärische Laufbahn 2013, um sich der Kunst zu widmen. In seiner Atelier-Villa in Riad wirbt er für „freien und offenen Dialog“ und organisiert kulturelle Veranstaltungen.
Seine Arbeiten mit oft kritischer Botschaft sind weltweit zu sehen, etwa in London und Los Angeles. Halla bint Chalid ist Malerin und zugleich eine der bekanntesten Kinderbuchautorinnen Saudi-Arabiens. Auch sie gilt in dem dort noch jungen Metier als eine Wegbereiterin. Sie hat mehr als ein Dutzend Kinderbücher auf Arabisch und Englisch verfasst.

© dpa/Bernd von Jutrczenka
Die Meinungsfreiheit ist in der konservativ regierten Monarchie extrem eingeschränkt. Kritik am Königshaus wird mit aller Härte verfolgt und kann jahrelange Haft bedeuten. Die Kunst im Land bewegt sich häufig auf einem schmalen Grat zwischen subtiler Kritik und Zurückhaltung aus Angst vor möglicher Repression.
Weitere Treffen finden in den nächsten Tagen statt
Für Dienstag steht in der Stadt am Roten Meer ein Gespräch mit dem jemenitischen Außenminister Ahmed bin Mubarak auf dem Programm. Zudem wollte sich die Ministerin mit dem UN-Koordinator für Jemen, David Gressly, über die Lage in dem Bürgerkriegsland austauschen.
Durch die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran stehen die Chancen auf eine Entspannung des Kriegs im Jemen, wo beide Länder unterschiedliche Seiten unterstützen, so gut wie seit Jahren nicht. Riad sucht einen Ausweg aus dem kostspieligen Konflikt, in dem nach UN-Schätzungen durch direkte und indirekte Kriegsfolgen mindestens 377.000 Menschen ums Leben kamen.
Etwa 23 Millionen Menschen sind auf irgendeine Form humanitärer Hilfe angewiesen. Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen, die das Land 2014 überrannten und die weite Teile im Norden beherrschen.
Baerbock: Klimakrise für die Menschen am Golf lebensbedrohlich
Seit gut einer Woche verhandeln die Konfliktparteien im Sudan in Dschidda über ein vorläufiges Ende der Gewalt. In einer ersten Vereinbarung hatten sich die verfeindeten Militärblöcke auf Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten geeinigt.
In dem nordostafrikanischen Land ist vor rund einem Monat ein Machtkampf gewaltsam eskaliert. Die Armee unter dem Kommando von De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan kämpft gegen die paramilitärischen Einheiten seines Vizes Mohammed Hamdan Daglo.
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Die beiden Generäle hatten sich 2021 gemeinsam an die Macht geputscht. UN-Angaben zufolge starben in dem Konflikt bislang mindestens 604 Menschen, mindestens 5100 wurden verletzt. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch deutlich höher liegen.
Mit Temperaturen von bis zu 50 Grad und chronischem Wassermangel sei die Klimakrise auch für die Menschen am Golf lebensbedrohlich, sagte Baerbock. Für die Weltklimakonferenz COP28 Ende des Jahres in Dubai fasse man deshalb den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien ins Auge.
Die weltweit höchste Sonneneinstrahlung biete enormes Potenzial dafür, dass der Wohlstand der Golfstaaten auch nach dem Ende der fossilen Ära auf Energie fußen könne, etwa auf grünem Wasserstoff.
Baerbock ruft zu Waffenruhe im Sudan auf
Eindringlich rief die Ministerin zu einer Waffenruhe im nordostafrikanischen Sudan auf. Dort ist vor rund einem Monat ein lange schwelender Machtkampf gewaltsam eskaliert. UN-Angaben zufolge starben bislang mindestens 604 Menschen, mindestens 5100 wurden verletzt. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.
„Die Welt schaut auf Sudan, darauf, wie die Generäle ihrer Verantwortung für alle Menschen in Sudan gerecht werden“, sagte Baerbock. „Wir müssen daher alles dafür tun, damit der Konflikt nicht zu einem regionalen Flächenbrand wird.“ Eine Frage sei auch, wie Deutschland seinen Beitrag zur humanitären Hilfe noch ausbauen könne.
Saudi-Arabien zählt zu den größten Ölproduzenten weltweit. Im Zuge eines umfassenden Wirtschaftsumbaus will sich das Land im Rahmen der sogenannten „Vision 2030“ unabhängiger machen von Öl und Gas und zu einem führenden Lieferanten von Wasserstoff werden. (mit dpa, AFP)
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